Gartner über Cloud-E-Mail

E-Mail: Noch viel Arbeit für Googlemail

14.10.2011 von Werner Kurzlechner
Cloud-E-Mail wird sich schrittweise in Unternehmen durchsetzen. 2014 soll die 10 Prozent-Marke fallen. Googlemail muss allerdings noch etwas nachbessern.
Erkennt Defizite im Back-End: Gartner-Analyst Matthew Cain.
Foto: Gartner

Googlemail hat noch einen marathonartig langen Weg vor sich, wenn es bei den E-Mails in großen Unternehmen eine führende Rolle spielen will. Aber es beginnt sich für den cloud-basierten E-Mail-Dienst aus dem Hause Google allmählich zu rechnen, bisher Stehvermögen gezeigt zu haben, während andere Anbieter nicht durchhielten. So lässt sich das derzeitige Urteil von Gartner zusammenfassen.

Die Analysten bescheinigen Googlemail einerseits, jetzt zur ernsthaften Alternative im Markt für Enterprise-E-Mail avanciert zu sein. Andererseits weisen sie auf die enormen Defizite hin, die Googlemail aus Sicht von Back-End-Anwendern in größeren Firmen immer noch aufweist. Die Konkurrenz zwischen Microsoft und Google um den Lorbeer bei der elektronischen Postdienstleistung wertet Gartner als günstig für die Anwender. Denen raten die Experten, mit der Umzug des Mailings in die Wolke – sofern möglich – noch ein bisschen zu warten.

Nach fünf Jahren auf dem Markt gewinne Googlemail allmählich genügend Gewicht in Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern. Es sei mittlerweile eine echte Alternative zu Microsoft Exchange Online und anderen cloudbasierten Diensten. „Der Weg dahin war lang und steinig“, konstatiert Analyst Matthew Cain. Google könne jetzt aber mit Fug und Recht als Mainstream-Anbieter für Cloud-E-Mail betrachtet werden.

Im gesamten Enterprise-E-Mail-Markt behaupte Googlemail aktuell einen Anteil von etwa 1 Prozent, so Cain. Im Cloud-Segment hingegen liege der Anteil bei fast der Hälfte. Allerdings sei dieses Segment immer noch im Kindergartenalter – mit lediglich 3 bis 4 Prozent des Gesamtmarktes. Gartner prognostiziert einen Anstieg auf ein Fünftel bis Jahresende 2016 und auf 55 Prozent bis Ende des Jahrzehnts.

Bereits bis 2014 soll Cloud-E-Mail ein Zehntel des Enterprise-Marktes ausmachen. „Letztlich erwarten wir Cloud-Email- und Collaboration-Services als dominantes Liefermodell für die nächste Generation an Kommunikations- und Collaboration-Technologien in Unternehmen“, sagt Gartner-Analyst Tom Austin. Momentan seien Firmen insbesondere deshalb noch zurückhalten, weil sie Pionierkosten vermeiden wollten. Insgesamt sei derzeit noch die Liste der Vorzüge genauso lang wie jene der Nachteile.

Googlemail erfüllt spezielle Anforderungen kaum

Somit behauptet Googlemail also immerhin die Hälfte eines Kuchenstücks, dem die Analysten starkes Wachstum in Aussicht stellen. Cain unterstreicht überdies, dass Googlemail im Gegensatz zu Microsoft Exchange in den vergangenen Jahren im Enterprise-Bereich zulegte. Andere Anbieter wie Novell GroupWise und IBM Lotus Notes/Domino hätten abspecken müssen, während Cisco seine Cloud-E-Mail-Anstrengungen ganz aufgegeben habe und Zimbra aus dem Hause VMware erst jetzt seine Engagement im Unternehmensbereich wieder aufflammen lasse.

Soweit surft Googlemail also auf einer Welle, die sich sich immer weiter auftürmt. Aber alles bestens ist laut Gartner bei weitem nicht. Auf die Bedürfnisse von großen Firmen mit komplexen E-Mail-Anforderungen – Finanzdienstleister beispielsweise – werde bisher von Googlemail kaum eingegangen, weil das kleine Kundensegment geringgeschätzt werde. Angesichts der Auflagen zur Bankenaufsicht komme Googlemail etwa für Kreditinstitute nicht wirklich als Alternative in Frage.

Die Problematik setzt sich laut Gartner auf allgemeinerer Ebene fort. Zwar erfülle Googlemail die herkömmlichen Ansprüche im Front-End sehr gut. Aber der Anbieter genüge kaum den höheren Anforderungen im Back-End größerer Firmen. So berichten laut Gartner Systemintegratoren und große Anwender gehäuft von Transparenz-Defiziten in Bereichen wie Continuity, Sicherheit und Compliance. Das erschwere den Aufbau von Beziehungen mit festen Wurzeln.

Vor diesem Hintergrund hält Cain es aus Sicht der meisten großen Unternehmen für die tragfähigste und klügste Strategie, zumindest ein weiteres Upgrade im On-Premise-E-Mail-Bereich durchzuführen. Zumindest bis 2014 sollte man durchhalten könne, bis man der Cloud-E-Mail größeres Vertrauen entgegenbringt. Bis dahin trauen die Analysten den Anbietern also zu, die drängendsten Probleme gelöst zu haben.

Die Alternative sei ein hybrides Modell, so Cain. Also Cloud-E-Mail, wo das gefahrlos geht, und On-Premise-E-Mail, wo es nicht anders geht. „Dieses Hybrid-Modell spielt aber Microsoft in die Karten, wenn man dessen On-Premise-Dominanz bedenkt“, erläutert der Analyst.

Hybrid-Modell nutzt Microsoft

Ein Wettbewerbsnachteil also für Googlemail. Aus Sicht der Anwender schätzt Gartner den Wettlauf zwischen Microsoft und Google aber als durchaus fruchtbar ein. Beide Anbieter trieben sich dazu an, besser zu werden – mit positiven Folgen für die Entwicklungsgeschwindigkeit der cloudbasierten E-Mail. Wer auf noch mehr Konkurrenzkampf hofft, wird aber wohl enttäuscht. „Diese Rivalität wird es für andere Anbieter schwer machen, direkt in den Segmenten Cloud-E-Mail und Collaboration mitzuhalten“, argwöhnt Cain.

Eine noch genaue Analyse enthält die Gartner-Studie.