ERP-Zufriedenheitsstudie 2008

ERP-Kunden fordern Investitionssicherheit

13.11.2008 von Frank Niemann
Anwenderunternehmen fordern von ERP-Software-Herstellern eine klare und nachvollziehbare Release-Strategie sowie verlässliche Service-Leistungen. Außerdem verlangen Nutzer, dass sich ERP-Anwendungen einfacher bedienen und leichter anpassen lassen. Das sind die Kernergebnisse der aktuellen ERP-Zufriedenheitsstudie für 2008.
ERP-Zufriedenheitsstudie 2008
Zufriedenheitsportfolio: ERP-Lösungen nach Installationsschwerpunkten.
Auszug Zufriedenheitsportfolio: ERP-Lösungen mit Installationsschwerpunkt "Kleinere Unternehmen" (bis 100 MA).
Auszug Zufriedenheitsportfolio: ERP-Lösungen mit Installationsschwerpunkt "Mittlere Unternehmen" (100 bis 500 MA).

Firmen kaufen neue ERP-Lösungen oder aktualisieren bestehende Anwendungen dann, wenn diese sie dabei unterstützen, Geschäftsprozesse schneller und effizienter abzuwickeln. Unternehmen wechseln aber nur dann auf eine neue ERP-Lösung, wenn das Risiko bei der Umstellung gering ist und sich betriebswirtschaftlich rechnet.

Empfindlich bei schlechter Leistung

Sie erwarten von "ihren" ERP-Herstellern, dass die eingesetzten Geschäftslösungen zukunfts- und investitionssicher sind und auch in zehn Jahren noch dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Darüber hinaus sollten Hersteller eine klare und langfristige Releasestrategie verfolgen und aufzeigen wie sie ihre Produkte langfristig weiterentwickeln.

Anwenderunternehmen, die schlechte Erfahrungen bei der ihrer ERP-Lösung sowie den Serviceleistungen ihres Anbieters gemacht haben, reagieren darauf empfindlich. Das ergab die aktuelle ERP-Zufriedenheitsstudie des Beratungs- und Marktforschungsunternehmen i2s consulting aus Zürich, die in Deutschland von der Trovarit AG in Zusammenarbeit mit der COMPUTERWOCHE organisiert worden ist.

SAP-Anwender renovieren

Zu den Modernisierern unter den ERP-Nutzern zählen die Kunden von SAP. Viele Bestandskunden haben ihre R/3-Software gegen die aktuelle Version ERP 6.0 ausgetauscht. Zwar taten sie dies oft nicht aus Begeisterung für das neue SAP-Produkt, sondern weil sie für alte Releases höhere Wartungssätze zahlen müssen.

Fest steht aber, dass sich die installierte Basis deutlich verjüngt hat. Die Zufriedenheitsstudie 2006 ergab, dass lediglich 30 Prozent der erfassten SAP-Releases ein bis zwei Jahre alt waren. In der aktuellen Studie macht dieser Anteil bereits 50 Prozent aus.

SAP-Anwender äußerten sich in der Umfrage positiver als noch 2006 über ihre Anwendung. Das überrascht nicht, denn oft besteht ein Zusammenhang zwischen dem Alter der Systeme und der Anwenderzufriedenheit.

Allerdings ist zu erwähnen, dass die deutliche Anhebung der SAP-Wartungsgebühren für die Bestandskunden erst nach der Zufriedenheitsumfrage 2008 ankündigt wurde. Man darf also gespannt sein, wie das Votum der SAP-Nutzer beim nächsten Mal ausfällt.

Der positive Effekt aktueller Releases zeigt sich beispielsweise auch bei der AP AG. Das Produkt schnitt in Sachen Zufriedenheit gegenüber 2006 besser ab. Offenkundig haben viele Kunden des Vorgänger-Systems "P2" gegen die aktuelle ERP-Lösung "Applus" ausgetauscht.

Umgang mit den ERP-Kunden

Gute Noten bekommen Hersteller aber nicht nur von Kunden, die moderne Produkte einsetzen. Wenn die Betreuung stimmt, können auch Nutzer von Altprogrammen zufrieden gestellt werden. Bessere Werte erreichte beispielsweise Infor mit dem von größeren Firmen genutzten System "AS" (vormals "Brain AS"). Hier honorieren die Anwender offenbar die Bestandskundenpflege des Anbieters, obwohl die Installationen oft schon einige Jahre auf dem Buckel haben.

Dass dies auch innerhalb eines Anbieters nicht immer gelingt, belegt das Abschneiden des ebenfalls zu Infor gehörenden Produkts "ERP LN" (vormals Baan), das in der aktuellen Umfrage wesentlich schlechtere Noten bekommt als in früheren Jahren. Ein großer Teil der installierten Basis zögert bei der Modernisierung und nutzt weiterhin das Altsystem Baan IV.

Noch drastischer fällt das Votum der Nutzer von "Infor ERP.COM" aus. Das für mittelgroße Firmen konzipierte Software-Produkt bildet in dieser Kategorie das Schlusslicht. Wie aus der Studie hervorgeht, hat sich insbesondere die Zufriedenheit der Anwender mit dem Anbieter gegenüber der letzten Erhebung dramatisch verschlechtert.

Hier dürften Ereignisse aus der Vergangenheit nachwirken: Infor hatte im Jahr 2006 den Konkurrenten SSA Global geschluckt und erwarb auf diese Weise mit Baan/ERP LN nun ein weiteres ERP-Produkt für die Fertigungsindustrie, was zu Verunsicherungen geführt hat. Zudem hat sich der Hersteller lange Zeit gelassen, ein neues Release ("ERP.COM 7.1") mit funktionalen Neuerungen auf den Markt zu bringen, so dass auch hier die installierte Basis deutlich gealtert ist.

Verunsicherungen wegen der ERP-Produktstrategie

Schlechter schnitt auch die Oxaion AG ab. Nach Ansicht von Trovarit-Chef Karsten Sontow könnte dies mit der Neuentwicklung "Oxaion Open" zusammenhängen, die das Softwarehaus vor einigen Monaten vorgestellt hatte. Mit dem Produkt wendet sich der Hersteller, der sich bisher auf die System-i-Plattform (AS/400) konzentriert hat, an Kunden, die ERP-Software auf Linux- und Windows-Systemen betreiben wollen.

Abgerutscht ist ferner der Hersteller Sage Bäurer. Die Firma entstand durch die Übernahme des auf den gehobenen Mittelstand abzielenden Herstellers Bäurer durch Sage Software im Jahr 2006. Das Unternehmen kann zwar neue Lösungen nebst einer neuen Technik-Plattform "BOA" ("Bäurer Open Access") vorweisen, doch die Kunden modernisieren ihre bestehenden Lösungen sichtlich zögerlich. Weshalb sich die Nutzer den aktuellen Produkten verweigern, lässt sich dem Trovarit-Chef zufolge nicht sagen.

Gewinner und Verlierer

Einmal mehr bestätigt die Studie auch, dass kleinere Software-Anbieter, die sich meist auf bestimmte Branchen konzentrieren, höhere Zufriedenheitswerte bei ihren Kunden erreichen als die größeren Software-Häuser.

Insgesamt die höchste Zufriedenheit in der Umfrage erreicht die Firma UB Software aus Spaichingen in Baden-Württemberg. Diese entwickelt mit "Majesty" eine betriebswirtschaftliche Standard-Software für kleine Händler und Hersteller medizinischer Geräte. In vorangegangen Studien war UB Software nicht aufgetaucht.

Am unteren Ende der Skala verweilt wie auch schon in den vorangegangenen Studien Lawson Software, deren Lösung sich vor allem bei größeren Unternehmen findet. Genau genommen handelt es sich um den von Lawson gekauften schwedischen ERP-Spezialisten Intentia.

Dieser hatte vor einigen Jahren durch Probleme beim Umstieg von einer in RPG geschriebenen Software "Movex" auf Java die Anwender verärgert. Mittlerweile bietet Lawson zwar ein modernes Java-ERP-System ("M3"). Viele der Lawson-Kunden verwenden jedoch das betagte RPG-Programm.

Kritisch bei Upgrade- und Release-Fähigkeit

Wie die Studie ferner belegt, bewerten die Softwarenutzer ganz gleich welches Systems die Upgrade- und Release-Fähigkeit ihrer Software kritischer als bisher, was sicher auch mit der steigenden Zahl an Modernisierungsvorhaben zusammenhängen dürfte. Ein einheitliches Bild ergibt sich hier indes nicht: Kleinere Hersteller, die weniger Installationen zu betreuen haben, tun sich leichter mit der Software-Pflege bei ihren Kunden.

Firmen honorieren Upgrade-Support der Hersteller

Zwar beklagen die Unternehmen die Upgrade-Fähigkeit der ERP-Lösung, honorieren aber, dass sie ihr Software-Lieferant beziehungsweise dessen Partner mittlerweile besser dabei unterstützt. Offenbar haben ERP-Anbieter Strukturen geschaffen, um ihren Kunden besser beim Release-Wechsel unter die Arme greifen zu können – nicht zuletzt natürlich deshalb, weil sich über diese IT-Dienstleistungen Geld verdienen lässt.

Kritikpunkt Ergonomie

Neben Release-Fähigkeit und Produktpolitik spielen natürlich auch die Funktionen und die Benutzerführung der Lösung bei der Zufriedenheit eine Rolle. Wenn Nutzer etwas an ihrer ERP-Software auszusetzen haben, dann ist es die Ergonomie. Die Lösung mag über zahlreiche Funktionen verfügen, doch deren Bedienung scheint den Anwendern nicht zu behagen.

Unzufriedenheit herrscht ferner über die Anpassungsfähigkeit der Business-Software sowie deren Schnittstellen. Kritik an diesen Aspekten ist nichts Neues. Neu ist die gewachsene Bedeutung, die Anwender diesen Punkten entgegenbringen.

ERP-Nutzer werden anspruchsvoller

Die Anwender erwarten heute Bedienkomfort, den sie von Büro-Software oder Internet-Applikationen gewohnt sind. Auch über die Methoden, ERP-Daten auszuwerten, sind sie wenig begeistert. Dementsprechend steigen ihre Erwartungen, Informationen schnell zu finden und ansprechend aufbereitet nutzen zu können.

So schnell wie beispielsweise Web-Dienste von Google, Microsoft oder Yahoo ihnen Informationen präsentiert, soll auch das ERP-System ihre Anfragen beantworten. Wenig erbaut sind sie, wenn sie umständlich Abfragen formulieren müssen, um ihrer Applikation Geschäftsdaten zu entlocken.

Excel bleibt des ERP-Nutzers bester Freund

Zudem steigt in den Unternehmen schlicht der Bedarf, in möglichst kurzer Zeit Geschäftsdaten auswerten und in Berichtsform bringen zu können. Niemand mag mehr bis zum Ende der Woche darauf warten, um eine Übersicht über die Kosten, Liquidität beziehungsweise Auftrags- und Lagerbestand zu erhalten.

Nicht nur aus diesem Grund ist Microsoft Excel das beliebteste Zusatz-Tool des ERP-Nutzers. Die Zahl derer, die das Programm für die Tabellenkalkulation praktisch dauernd dazu verwenden, Geschäftsdaten aufzubereiten, hat gegenüber dem letzten Umfragezeitraum sogar noch mal zugenommen.

Zwar haben die Softwareanbieter sowohl bei den Benutzeroberflächen als auch bei den Auswertungsfunktionen viel getan. Doch diese Bemühungen sind anscheinend wenig zielführend und erfüllen offenbar nicht die echten Nutzerbedürfnisse.

Für den Arbeitsplatz eines IT-Sachbearbeiters sei das Web vielleicht nicht immer das richtige Vorbild. Wenn es um eine Auftragsschnellerfassung geht, ist die alte alphanumerische Oberfläche noch immer ungeschlagen.

Worauf ERP-Neukunden Wert legen

Wenn sich Firmen nach einem neuen ERP-Produkt umschauen, ist – wenig überraschend – nach wie vor die funktionale Eignung der mit Abstand wichtigste Einflussfaktor. Wie die Studie ergab, legen die Unternehmen mittlerweile mehr Wert auf moderne Technik. Dabei interessiert sie jedoch weniger als zuvor, auf welcher Plattform (etwa Java, .NET, Linux oder IBM System i) die Lösung aufsetzt, Hauptsache, sie entspricht dem Stand der Technik.

Auf der ERP-Suche?

Viele Unternehmen lösen mit der Neuanschaffung einer ERP-Software ein Altprodukt ab. Auslöser für solche Projekte sind zunehmend organisatorische Veränderungen der Firmen, etwa durch Zukäufe, Umstrukturierungen und das Eröffnen neuer Niederlassungen im In- und Ausland.

Differenzieren würden sich Lösungen diesem Zusammenhang beispielsweise anhand der verfügbaren Länderversionen und der internationalen Support-Standorte des Herstellers.

Sowohl ERP-Modernisierungen als auch die Systemablösung setzen Experten beim Hersteller beziehungsweise Einführungspartner voraus. Doch dies wird zunehmend zum Problem. Wie die Studie belegt, sind die Klagen der Anwender über den Personalmangel bei den Software-Häusern deutlich lauter geworden. Der viel beklagte Mangel an Fachkräften betrifft auch die IT-Branche massiv und führt zu entsprechenden Leistungseinbußen.

ERP-Zufriedenheitsstudie

Die ERP-Zufriedenheitsstudie "Deutschland 2008" findet seit 2004 regelmäßig statt. Sie ist Teil einer länderübergreifenden, anbieterunabhängigen Initiative im gesamten deutschsprachigen Raum und wurde von dem Züricher Beratungshaus i2s GmbH im Jahr 2003 ins Leben gerufen.

Im Rahmen der Studie, die alle zwei Jahre erscheint, haben Nutzer von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware die Möglichkeit, sich über einen strukturierten Fragebogen zu ihrem ERP-System sowie dem Anbieter beziehungsweise Einführungspartner zu äußern.

Die Trovarit AG leitet die Erhebung in Deutschland. Sie wird von i2s, dem Forschungsinstitut für Rationalisierung an der RWTH Aachen (FIR) e.V. und der MQ Result Consulting AG fachlich begleitet. Insgesamt 2206 Bewertungen zu Software-Produkten wurden aktuell analysiert.

Die Online-Befragung erfolgt mittels standardisiertem Fragebogen. In diesem Jahr nahmen mehr als 2.300 Unternehmen an der Umfrage teil. Das ist gegenüber dem Jahr 2006 ein Plus von über 14 Prozent. Zwei Drittel der Studienteilnehmer kommen aus der Industrie und 55 Prozent sind IT- beziehungsweise ERP-Verantwortliche.