Service-orientierte Architekturen 2008

SOA-Markt klärt sich auf

04.03.2008 von Bernd Seidel
Es kommt Licht in die unübersichtliche Gemengelage von Produkten und Anbietern. Die Komponenten für eine vollständige SOA sind definiert und Hersteller lassen sich einzelnen Bereichen zuordnen.
Massimo Pezzini, Analyst Gartner Group: "SAP verbindet SOA-Technologie mit Geschäftsinhalten und bietet gute Ansätze, rasch Applikationen zu bauen, die Geschäftsprozesse unterstützen."

Der bislang kaum durchdringbare Dschungel von Angeboten und Anbietern im SOA-Markt lichtet sich. Das ist auch dringend nötig. "Ob man will oder nicht: An SOA kommt heute kein Unternehmen mehr vorbei", konstatiert Massimo Pezzini, Analyst Application Platform Strategies bei Gartner. Bis 2011 sollen rund 80 Prozent aller Firmen SOA-basierende Anwendungen im Einsatz haben - dabei reicht der Implementierungsgrad von "sehr umfassend" bis "einzelne Servicebausteine". "Der Markt ist richtig heiß", wie IDC-Analyst Rüdiger Spies ergänzt.

Lagen die Ausgaben für SOA-Technologien und -Services 2006 weltweit noch bei 2,3 Milliarden US-Dollar, soll in diesem Jahr bereits an der Sechs-Miliarden-Dollar-Grenze gekitzelt werden. Für 2011 gehen global 14 Milliarden Greenbucks für SOA-Software und -Service über den Ladentisch, so die Prognosen von IDC. Hierzulande wächst der Umsatz von SOA-Software und -Services 2008 auf etwa 600 bis 700 Millionen Euro, wie die Auguren von Pierre Audoin Consultants schätzen.

Für Ordnung im SOA-Markt sorgen Marktforscher mit einer Unterteilung in zweierlei Hinsicht: Zum einen haben sie recht einvernehmlich festgelegt, welche Teilkomponenten zu einem vollständigen SOA-Baukasten gehören. Dieser umfasst laut Melanie Mack, Analystin von Pierre Audoin Consultants, mehr als ein Dutzend Einzelkomponenten: ESB, Business Process Management, Repository, Application Server, Portal, Business Activity Monitoring und Master Data Management, um einige zu nennen.

Zum anderen sortieren sie Hersteller in drei Schubladen: Vollsortimenter, Quasi-Komplettanbieter sowie Nischenanbieter. Zur Kategorie der Komplettanbieter gehören IBM, Bea Systems und Oracle. Dessen CEO Larry Ellison es im zweiten Anlauf doch gelungen ist, sich Bea Systems einzuverleiben. Nach Pezzinis Einschätzung gehe es für Oracle bei dem Deal lediglich um den Zukauf von Marktanteilen. Trotz einiger offensichtlicher Überschneidungen im Portfolio mache das Geschäft aber Sinn, meint PAC-Beraterin Mack. "Oracle besitzt zwar bereits mit seiner Fusion Middleware eine eigene Lösung, die Best-of-breed Lösung von BEA Systems wird aber dazu beitragen Oracles Reputation am Markt zu steigern sowie den Marktanteil deutlich zu erhöhen.”

Auf dem Weg zu Komplettanbietern

Zu den SOA-Vollsortimentern zählt Pezzini auch Sun Microsystems und die SAP AG. "Der Charme bei SAP ist, dass sie SOA-Technologie mit Geschäftsinhalten verbinden und somit für Anwender gute Ansätze bieten, sehr rasch Applikationen zu bauen, die Geschäftprozesse unterstützen." Bei den Konkurrenten bekomme man mehr oder weniger leere Technologie-Stacks. Doch auch die Walldorfer sind weiterhin bemüht, Lücken in ihrem Flickenteppich zu schließen: So übernahm das Softwarehaus mit Yasu Technologies, einen Anbieter von Lösungen zur Verwaltung von Geschäftsregeln (Business Rules Management), um das das eigene BPM-Portfolio (Business Process Management) zu stärken. Die Yasu-Technik soll künftig in SAPs Netweaver integriert werden.

Wolfgang Martin, Analyst: "SOA bringt eine hohe Komplexität mit sich und damit verschärfte Anforderungen an die Einhaltung von Entwicklungsrichtlinien."

Auch Microsoft macht laut Pezzini Avancen, ins Lager der Vollsortimenter aufzusteigen. Auch wenn derzeit noch elementare Bausteine wie ein Repository, Webservice-Management sowie BPM-Tools fehlen. Die Redmonder haben unter dem Namen "Oslo" vor kurzem einen Pfad aufgezeigt, wie sie die weißen Flecken in ihrem SOA-Angebot künftig ausfüllen. "Mit der SOA-Roadmap kommt Microsoft im Vergleich zur Konkurrenz zwar reichlich spät, aber nicht zu spät", wie IDC-Mann Spies kommentiert. Allerdings fehlt ihm eine klar kommunizierte Strategie, wie die Redmonder gedenken, ihre Business-Lösungen etwa ERP und CRM in die Oslo-Roadmap mit einzubeziehen. "Man hat den Eindruck, dass die intern nicht miteinander reden."

Komponentenanbieter formieren sich

Zur Kategorie zwei der SOA-Anbieter zählen Analysten Anbieter, denen einzelne Komponenten etwa ein Portal oder Application Server fehlen. Tibco, die Software AG, Progress Software, Sterling Commerce, Iona und HP sind einige Anbieter aus diesem Segment. Auch hier ist Dazukaufen angesagt: Eine der Grosakquisitionen tätigte die Software AG, die sich im vergangenen Frühjahr Webmethods einverleibte. Der Anbieter von EAI-Werkzeugen hatte selbst den Repository-Anbieter Infravio übernommen.

Aufsteiger ins Segment der Gruppe zwei der SOA-Anbieter ist HP. Bereits 2006 kaufte das Software-Haus Mercury, einen Spezialisten für Software-Testing und Governance, der sich zuvor Systinet einverleibt hatte. Zur Kategorie der SOA-Anbieter drei zählt Gartner Anbieter mit einem Umsatz bis maximal 100 Millionen Dollar. Pezzini dazu: "Das ist ein sehr weites und aktives Feld von Spezial- und Nischenanbietern, und ein großer Fundus an Kaufkandidaten für die größeren Hersteller."

IBM hat sein bereits reichhaltiges SOA-Portfolio um Techniken für Ereignis-orientierte Verarbeitung (Event Processing) erweitert und das US-Software-Haus Aptsoft übernommen. Complex Event Processing (CEP) stellt laut IT-Hersteller eine Art Frühwarnsystem für die Unternehmenssteuerung dar: Die Software erkennt beispielsweise bestimmte Ereignismuster in Echtzeit und kann automatisch vordefinierte Reaktionen anstoßen. Die Aptsoft-Systeme sollen in der Websphere-Produktfamilie von IBM integrieren. Neben Big Blue kombinieren auch Progress Software, Oracle, Tibco und Bea ihre SOA-Angebote mit CEP-Techniken.

Wachstumsbeschleuniger im SOA-Umfeld werden in den kommenden Jahren Themen wie SOA-Governance, Service Management und BPM-Tools sein. "SOA bringt eine hohe Komplexität mit sich und damit verschärfte Anforderungen an die Einhaltung von Entwicklungsrichtlinien“, erklärt der unabhängige Analyst Wolfgang Martin. "Sonst passen die einzelnen Bausteine nicht zusammen, und das Versprechen der Wiederverwendung wird nicht erreicht." Auch habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass SOA und BPM ganz eng zusammengehörten. "Die Konzepte von SOA sind im vergangenen Jahr wirklich auf den Boden gekommen", nennt es Martin. Unternehmen starteten mit SOA, weil sie ihr Prozess-Management optimieren möchten und Unternehmen, die mit BPM fortgeschritten sind, erkennen den Nutzen von SOA, um ihre Ideen zu unterstützen.

Die hohe Akzeptanz von BPM spiegelt sich in den Wachstumsprognosen von Gartner wider. Erzielten Software-Hersteller im Markt für Business Process Management Suites (BPMS) im Jahr 2006 noch einen Umsatz von knapp 1,7 Milliarden Dollar, sollen es bis 2011 rund 5,1 Milliarden Dollar sein. Das entspricht einem Zuwachs von rund 25 Prozent pro Jahr. Der BPMS-Markt bildet damit, nach dem Bereich ESB das am zweitschnellsten wachsende Segment. Vor allem Spezialisten wie Pegasystems, Savvion, Lombardi, Appian, Metastorm und Global 360 zählen laut Gartner zu den führenden Anbietern. Neu in der Wertung ist die Darmstädter Software AG mit "Webmethods BPMS". Aber auch etablierte Anbieter von Infrastruktur-Software schafften es in den Leaders Quadrant, darunter IBM, Bea Systems und Tibco.

Geschäftsregeln für SOA

Ein weiteres Riesenthema wird laut Analyst Martin die Implementierung einer SOA mit Hilfe von Geschäftsregel-Management-Systemen, wie sie etwa Ilog, Innovations und Pega Systems anbieten. Sogenannte "Transparent Decision Services" machen Entscheidungen oder die Einführung und Änderung von Geschäftsregeln transparent für alle Anwendergruppen. SOA-gestützte Prozesse werden damit flexibler und erfüllen die in sie gesetzten Anforderungen.

"Was wir heute im Markt sehen, ist erst der Anfang“, glaubt Analyst Pezzini. Insbesondere das Thema "Federation" - also wie sich unterschiedliche SOAs mit einander verbinden lassen - und Performance werden die Marktspieler in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen. So arbeiten Labors bereits heute Konzepten, wie sich eine SOA künftig ohne Datenbank betreiben lässt: In gigantischen Arbeitsspeichern sind alle Daten, Anwendungen und Steuerungsregeln zur Laufzeit enthalten, um akzeptable Prozesszeiten ermöglichen zu können. Das könnte die Ordnung im Markt allerdings wieder etwas durcheinander bringen.