Technik- und Serviceberatung

Standards setzen

12.10.2009 von Riem Sarsam
Wer sparen muss, hat jetzt die besten Chancen zu standardisieren – und die Meta-Management-Berater los zu werden. Beweisen kann sich, wer jetzt auf die richtigen Themen fokussiert.
Ralph Jahnke, Verkaufsdirektor, Bereich Technologies Accenture.

Die Erklärung, warum auch die Beraterbranche kämpfen muss, ist so simpel wie folgenreich: vielen Kunden fehlt schlichtweg das Geld für Projekte. Ähnlich wie beim Platzen der Dotcom-Blase vor acht Jahren ist daher in den vergangenen Monaten ein Investitionsstau entstanden. Viele Projekte fallen aus Geldmangel ganz weg oder werden ohne Consultants gestemmt. Die Marktforscher von PAC schätzen, dass für 2008/2009 das Umsatzvolumen für IT-Projekte um 3,5 Prozent gegenüber dem Vergleichzeitraum des Vorjahres schrumpfen wird (s. Grafik "Wachstumsquoten im Vergleich").

»Das beherrschende Thema des vergangenen Jahres war kurzfristiges Kostensenken.«

Grafik: Wachstumsquoten im Vergleich.

Auch in beratungsnahen Bereichen wie der Einführung neuer Software hat die Krise zugeschlagen. SAP-Implementierer beispielsweise haben einen drastischen Einbruch beim Softwareverkauf zu verkraften: Bilanziert nach US-Gaap setzten die Walldorfer im ersten Halbjahr 2009 weltweit mehr als ein Drittel weniger mit Lizenzen um als ein Jahr zuvor. Für die Berater in diesem Markt sind damit zwei Schläge zu verkraften: Wer keine Lizenzen kauft, der braucht auch keine Unterstützung, um die neuen Systeme anzupassen.

Soviel Standard wie möglich

Hinzu kommt, dass die Unternehmen weiter auf der Standardisierungswelle reiten. Wenn schon neue Software, dann bitte mit geringst möglichem Aufwand, wie Thomas Jürgens, Geschäftsführer des Systemhaus-Beratungsgeschäfts bei TDS, einem der größten SAP-Dienstleister, bemerkt: "Die Kunden verlangen, dass wir die Aufwandtreiber so weit wie möglich rausnehmen. Alle wollen, dass wir die Systeme so nah wie möglich am Standard installieren." Also sinkt der Aufwand, und bei weniger Aufwand braucht man auch weniger Berater. Statt 70 bis 80 Prozent wie zu guten Zeiten hat TDS nach eigenen Angaben in manchem Bereich nur noch eine Auslastung von 50 Prozent. "Der eine oder andere Berater hat auch mal einen Tag gar nichts zu tun", räumt Thomas Jürgens ein.

Es bewegt sich was

Dennoch: nicht überall stehen die Zeichen auf Stillstand. "In der IT hat es keine Schockstarre gegeben", sagt beispielsweise Wolfgang Huhn, Deutschlandchef des Business Technology Office von McKinsey. Im Gegenteil, es bewegt sich einiges. Denn trotz der schrumpfenden Konjunktur steht neben Kostensenkungen auch die Investition in neue Plattformen und Funktionalität wieder vermehrt auf der Agenda. "Das hängt natürlich von der Branche ab", sagt Huhn. In der Automobilindustrie etwa wird intensiv darüber nachgedacht, welche Kosten sich streichen lassen. "Da wird vieles auf den Prüfstand gestellt, was nicht zum Stillstand der Fabrik führt."

Diese Beobachtung bestätigt auch Ralph Jahnke: "Das beherrschende Thema des vergangenen Jahres war kurzfristiges Kostensenken", blickt der Verkaufsdirektor des Geschäftsbereichs Technologie bei Accenture zurück. Einen Hebel etwa, an dem die Kunden ansetzten, bildet nicht zuletzt gar seine eigene Zunft. Unter dem Stichwort Lieferantenmanagement durchforsten Unternehmen die Heerscharen an externen IT-Beratern und -Dienstleistern, die schon seit Jahren bei ihnen ein- und ausgehen. Nicht selten lässt sich hier bereits kurzfristig einiges einsparen, und langfristig wird auf jeden Fall der gern zitierte Business Case draus.

So geschehen etwa beim Konsumgüterhersteller Henkel. Die Düsseldorfer haben sich die Mühe gemacht und sämtliche Verträge mit den dazugehörigen Leistungen gesammelt und aufgelistet. Das Ergebnis ließ sich Anfang September in der Presse nachlesen: anstelle der bis dato rund 120 IT-Dienstleister werden die Jobs in Zukunft nur noch von drei strategischen Partnern - IBM, Unisys und Accenture - erledigt. Die Kombination aus der Verlagerung von Aufgaben ins Ausland, dem Einsatz moderner Technik sowie dem Bündeln in einem Gesamtpaket lohnt sich: Um mehr als 20 Prozent sollen so die IT-Kosten des Konzerns in den nächsten Jahren sinken.

Aufräumen und entrümpeln

Aufgeräumt wird aber nicht nur unter den Dienstleistern, auch die Technik wird durchforstet. Hardware (Virtualisierung) und Software stehen auf dem Prüfstand. Application Portfolio Management bedeutet nichts anderes als aufräumen und entrümpeln. Roland Werner, Partner bei IBM Global Business Services: "Es gibt zu viele Anwendungen. Die Unternehmen haben zum Teil in den vergangenen Jahren einen regelrechten Zoo aufgebaut, und den gilt es jetzt zu bändigen." Dazu gehört auch, wo möglich den Service Level herunterzufahren und den Betreuungsaufwand zu senken: "Es braucht nicht alles Gold Level."

"Aber die IT denkt auch sehr intensiv über neue Plattformen nach", bricht McKinsey-Kollege Huhn eine Lanze für die Unternehmen. Es bestehe sehr wohl Beratungsbedarf zu Themen, bei denen weniger der Aufwand und mehr die Funktionen im Vordergrund stehen. Kernbankensysteme in der Finanzindustrie beispielsweise, Kundenbeziehungsmanagement in der Telco-Branche oder Supply-Chain-Management für die Handelskonzerne. Huhn mutmaßt, dass es hier sogar in den nächsten Jahren zu beachtlichen Investitionen kommen wird.

Potenzial für mehr IT

Gegen den Trend im traditionellen Management-Beratungsmarkt - dessen Volumen Schätzungen zufolge in diesem Jahr um bis zu 15 Prozent schrumpfen soll - rechnet Huhn im Bereich der Technologie-Beratung daher eher mit einem steigenden Geschäft. Zumindest für sein eigenes Haus kann er das behaupten.

Geschuldet ist dies nicht zuletzt dem Umstand, dass die Informationstechnik nach wie vor ein großes Potenzial für Wertsteigerungen bietet. (s. Grafik Potenziale für Wert- und Performance-Steigerungen) „Marketing und Vertrieb sind sicher Bereiche, in dem die Firmen erst jetzt bemerken, dass sich hier vieles mit IT machen lässt“, sagt Accenture-Experte Jahnke. "Gerade im Aftersales ist die Unterstützung durch elektronische Medien noch verhältnismäßig dünn."

Wachstumsquoten im Vergleich.

Investitionsstau auflösen

Für Firmen aus der Auto-, Chemie oder Handelsbranche hingegen sieht er noch Baustellen im Bereich der Logistik. Ein großes Feld für international tätige Unternehmen, die in einem engen Zulieferernetz miteinander verflochten sind und sich durch ausgefeilte Transport- und Logistiksysteme echte Vorteile gegenüber dem Wettbewerb verschaffen können.

Niemand kann sagen wann, doch wenn die Krise vorbei ist, wird die IT ihre bislang zurückgehaltenen Investitionen tätigen. Es wird keine neue Geschichte sein, die dann erzählt wird, denn die Standardisierung von Anwendungen oder die Restrukturierungen in den Rechenzentren werden sicherlich nicht von der Agenda der CIOs verschwinden. Gepaart mit neuen Techniken wie Virtualisierung oder Cloud Computing oder mit neuen Konzepten zum IT-Management werden sie den Markt für IT-Beratung sicher wieder in Schwung bringen.