Open-Source-Software im Unternehmenseinsatz

Steter Tropfen höhlt den Stein

08.11.2004 von Jan Schulze
Bei Datenbank- und Server-Anwendungen gibt es viele ausgereifte Produkte. In andere Softwarebereiche wie SystemManagement-Werkzeuge fließt Open Source eher selten ein. Hier müssen Anwender noch auf große, umfassende Angebote warten.

Beim Begriff "Open Source" denken wohl die meisten Menschen an das Betriebssystem Linux, den Shooting-Star der vergangenen Jahre. Doch neben Linux hat sich ein breiter Markt zahlloser Anwendungen entwickelt. Gerade diese sind es, die im Unternehmenseinsatz die gewünschten Mehrwerte schaffen: Ein Linux-Server alleine spart zwar die Lizenzkosten für ein proprietäres Betriebssystem, bringt selbst aber kaum nutzbare Funktionen in das Rechenzentrum.

Besonders positiv hat sich der Markt der freien Datenbanken entwickelt. Hier können die Anwender auf zahlreiche Systeme zurückgreifen, die sich auf bestimmte Probleme spezialisiert haben. Das bekannteste Datenbank-Management-System der Open-Source-Welt dürfte MySQL vom gleichnamigen Hersteller sein. Laut der Studie "Your Open Source Strategy" von Forrester Research setzen immerhin sechs Prozent der befragten IT-Manager diese Datenbank im Unternehmen ein. Die MySQL-Datenbank ist besonders als Grundlage von Websites verbreitet. Ihre Stärke ist, dass in den Tabellen gleichzeitig Schreib- und Lesezugriffe möglich sind. Damit ist MySQL besonders für hochfrequente Zugriffe auf kleine Datensätze geeignet.

Datenbanken für ERP-Systeme

Als Basis für ein ERP-System dagegen kann MySQL nicht herhalten. Dazu fehlen der Datenbank einige Merkmale, die erst im kommenden Release verfügbar sind. Hier bieten sich im Open-Source-Umfeld die Datenbanklösungen PostgreSQL und MaxDB (ehemals SAP DB) an. Diese ermöglichen sichere Transaktionen und können gewährleisten, dass sich die Datenbank zu jeder Zeit in einem definierten Zustand befindet. Zu den bekannten Open-Source-Datenbanken hat sich inzwischen noch ein weiteres Produkt hinzugesellt, das die Basis eines ERP-Systems bilden kann: Vor kurzem hat Computer Associates seine Ingres-Datenbank einer Open-Source-Lizenz unterstellt.

Eine Gefahr für die etablierten Datenbankhersteller wie Oracle oder IBM geht von den Open-Source-Mitbewerbern nur bedingt aus. Nach wie vor sind die quelloffenen Systeme in Sachen Funktionsumfang unterlegen. Sie bieten sich somit nur da an, wo die Möglichkeiten der großen Datenbanklösungen nicht benötigt werden. Zudem wird kaum ein Unternehmen seine bestehenden Datenbanken so ohne weiteres auf eine neue Plattform migrieren - die Kosten und Risiken sind kaum kalkulierbar. Das macht die Open-Source-Vertreter zu günstigen Alternativen im Commodity-Bereich, wenn neue Anwendungen untermauert werden müssen. Dies spiegelt sich auch in den Erkenntnissen der verschiedenen Marktbeobachter: Trotz des anhaltenden Erfolgs der Open-Source-Datenbanken sind die Marktanteile der drei führenden Datenbankhersteller IBM, Oracle und Microsoft gleich bleibend hoch. Das zeigt sich auch bei der Nutzung quelloffener Datenbanken bei Anwendern: 65 Prozent der Open-Source-Datenbanken werden laut Arm Research für Websites genutzt. Nur 19 Prozent bilden die Basis für kommerzielle Enterprise-Lösungen.

CIOs wollen offene Datenbanken

Spannend wird es für die quelloffenen Vertreter dieser Zunft, wenn der Trend zur Datenbankkonsolidierung, den AMR Research zu erkennen meint, weiter anhält: "23 Prozent aller Unternehmen, die ein Konsolidierungsprojekt verfolgen, planen MySQL als neue Datenbank zu evaluieren", befindet die Studie "Database Consolidation Makes New IT Initiatives Possible" vom September dieses Jahres. Eine andere AMR-Untersuchung kommt zu dem Schluss: "Open-Source-Datenbanksysteme befinden sich in der Experimentierphase des Markts, werden aber bis zum Jahr 2006 allgemein akzeptiert sein."

Stark verbreitet sind Open-Source-Anwendungen auch im Bereich der Web- und Application-Server. Bei den Web-Servern hat freie Software bereits seit langem eine marktbeherrschende Stellung inne, der Server "Apache" der Apache Software Foundation dominiert das Internet. So ermittelte zum Beispiel der britische Internetdienstleister Netcraft, dass im August 2004 über 67 Prozent aller im Internet aktiven Web-Server mit Apache betrieben wurden. Auf Platz zwei folgte der Internet Information Server von Microsoft mit über 21 Prozent, Sun Microsystems liegt abgeschlagen mit 3,1 Prozent auf dem dritten Rang.

Die Tendenz geht bereits seit geraumer Zeit dahin, dass sich Apache und Microsoft den Markt teilen. Alle anderen Web-Server verlieren beständig an Boden. Die Netcraft-Daten für September 2004 zeigen zudem, dass Apache auf Kosten der Mitbewerber nochmals leicht zulegen konnte. Weitere Open-Source-Web-Server wie Roxen oder Boa schaffen es nicht in die monatliche Bestenliste.

Weniger deutlich ist das Bild bei den Application-Servern. Hier finden sich vor allem zwei quelloffene Angebote in der Berichterstattung der Medien: Zope und JBoss. Während Zope vor allem im Umfeld von DMS (Dokumenten-Management-Systeme) verbreitet ist, liegt mit JBoss ein vielfältig einsetzbarer und zertifizierter Java-Applikations-Server vor. Zu den JBoss-Anwendern zählen zum Beispiel die französischen Steuerbehörden oder auch der amerikanische Reiseveranstalter NLG.

Doch einen echten Platzhirschen findet man bei den Application-Servern nicht. Viele Projekte versuchen, hier ihre Vorstellung einer Java-basierenden Lösung zu platzieren. Darunter sind auch Größen wie die Apache Software Foundation, deren Geronimo-Projekt viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Zudem zweifeln Marktbeobachter die Reife von JBoss an. So kommt etwa Forrester Research in einer Studie vom vergangenen Jahr noch zu dem Schluss, dass JBoss im Gegensatz zu Linux noch nicht für den Enterprise-Einsatz geeignet sei. Zudem betrachtet Forrester die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Open-Source-Projekten in diesem Segment als kritischen Faktor, da es unter anderem nur wenig qualifizierte Entwickler gebe.

Aus Sicht von Dr. Thorsten Wichmann, Managing Director bei Berlecon Research, hat die unterschiedliche Entwicklung der einzelnen Open-Source-Bereiche historische Gründe: "Bei den Datenbanken war zum Beispiel der Bedarf an einfachen Systemen im Rahmen von Content-Management die treibende Kraft. Ende der 90er-Jahre ist hier ein Markt entstanden, der für den Betrieb dynamischer Web-Seiten nach unkomplizierten und kostenlosen Datenbanken gefragt hat." Die quelloffenen Datenbanken seien in Form von MySQL somit von unten in die Unternehmens-IT eingedrungen und hätten sich im Lauf der Zeit etabliert. Ähnlich sei auch der Erfolg von Apache zu sehen. Den Datenbanken komme darüber hinaus noch zugute, dass die bekannten Open-Source-Systeme sich der standardisierten Sprache SQL (Structured Query Language) bedienen, die auch die Basis der meisten proprietären Datenbanken ist.

Applikations-Server fassen Fuß

Die Applikations-Server tun sich laut Wichmann hier deutlich schwerer: "Applikations-Server sind meist kritische IT-Komponenten. Sie müssen also eine hohe Reife aufweisen und können kaum über einfache Systeme von unten vordringen. Hier läuft der Prozess viel langsamer als bei den Datenbanken." Doch beobachtet Wichmann, dass die Applikations-Server nun langsam in den Rechenzentren Fuß fassen.

Finden sich bei Datenbank- und Server-Anwendungen noch recht viele ausgereifte Produkte, sieht es in anderen Softwarebereichen noch eher mager aus. Eine besondere Herausforderung finden Unternehmen, die sich zu Open-Source-Produkten hingezogen fühlen, bei den System-Management-Werkzeugen. Hier bestimmen proprietäre Lösungen wie Tivoli oder Hewlett-Packards OpenView das Geschehen. Bei der freien Software sind derart umfangreiche und ausgereifte Suiten kaum zu finden, meist konzentrieren sich die Entwickler auf einzelne Probleme der Systemverwaltung. Zwar sind inzwischen einige interessante Produkte verfügbar, wie zum Beispiel Genuadmin, doch auf absehbare Zeit werden individuelle ToolZusammenstellungen unverzichtbar bleiben.

Weiße Flecken in Open-Source-Landschaft

Für die Lücken im Open-Source-Angebot gibt es gute Gründe. Denn es ist ein Kennzeichen der freien Software, dass sich viele Entwickler ohne kommerzielle Interessen hier engagieren - und damit auch nicht unbedingt den Anforderungen des Markts folgen. Professionelle Angebote bei Beratung, Implementierung und Support sind zwar für einige Produkte verfügbar. In weiten Teilen der Open-Source-Software-Landschaft sucht man diese jedoch vergeblich. Neben der Verfügbarkeit von Lösungen stellt die GNU GPL, eine der wichtigsten Lizenzen im Open-Source-Umfeld, viele Unternehmen vor Probleme: Die GNU GPL besagt zum Beispiel, dass jeder Code, der auf GNU-GPL-Entwicklungen beruht, seinerseits wieder dieser Lizenz unterworfen werden muss. Man redet hierbei von "Copyleft" oder von der "GPL Infection". Anwender, die selbst Hand an die Software legen, können und wollen dieser Vorgabe nicht immer folgen. So ist der Einsatz freier Software im Unternehmen jenseits der etablierten Produkte noch mit einem Fragezeichen versehen.

Um im Dickicht der Open-Source-Produkte den Überblick zu behalten, müssen Unternehmen in der Lage sein, die Projekte der Community richtig einzuschätzen. Für Wichmann betrifft das vor allem Anwender, die den Open-Source-Einsatz jenseits der etablierten Entwicklungen wie Linux, Apache oder MySQL anpeilen. Dabei sei es vor allem wichtig, den Reife- und Verbreitungsgrad einer Software einzuschätzen. Wichmann empfiehlt, zunächst einfache Indikatoren zu Rate zu ziehen: "Ein Indiz zum Verbreitungsgrad ist zum Beispiel, wie viele Buchveröffentlichungen es zu einer Open-Source-Software gibt." Auch die Frage, ob große Unternehmen der IT-Branche hinter einem Open-Source-Projekt stehen, sei bei der Beurteilung hilfreich. Der Analyst gibt jedoch zu bedenken: "Vor Produkteinstellungen und Firmenschließungen ist man auch bei kommerziellen Softwareanbietern nicht gefeit."