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Interview mit Franz Josef Pschierer

"Unsere Strategie ist Glasfaser und funkbasierte Lösungen"

Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Sie haben kürzlich öffentlich bedauert, dass der digitale Personalausweis nur zögerlich angenommen und im Web kaum unterstützt wird. Warum ist das so?

Franz Josef Pschierer: Der neue Personalausweis hätte eine Erfolgsstory werden können. Man hat aber insbesondere in der Einführungsphase, nicht in der Konzeptionsphase, zu wenig getan, um den Bürgern den Nutzen klar zu machen. Wir glauben schon noch an den elektronischen Personalausweis und wünschen, dass die Länder möglichst schnell entsprechende Anwendungen fertigstellen und das Produkt, vielleicht zusammen mit dem Bund, proaktiv bewerben. Man darf nicht vergessen, dass es bei der Einführung eine skeptische Grundhaltung unseres Koalitionspartners, der FDP gab.

Aber die FDP dürfte auch nicht begeistert sein, wenn die Menschen sich über ihr Facebook-Profil zu allen möglichen Webdiensten anmelden …

Franz Josef Pschierer: Genau. Wir brauchen den neuen Personalausweis mit seiner eID-Funktionalität, um E-Government-Lösungen und Online-Angebote ausweiten zu können.

Franz Josef Pschierer: "Der neue Personalausweis hätte eine Erfolgsstory werden können."
Franz Josef Pschierer: "Der neue Personalausweis hätte eine Erfolgsstory werden können."
Foto: Joachim Wendler

Bis jetzt s cheinen zumindest die E-Commerce-Treibenden kein Interesse zu haben, die elektronische Identitätsfunktion zu nutzen und in ihre Angebote zu integrieren.

Franz Josef Pschierer: Die gewerbliche Wirtschaft muss stärker eingebunden werden, das werden wir auch tun. Allerdings ist das nicht ganz einfach, da sich die Rahmenbedingungen ständig ändern. Heute interessiert sich die gewerbliche Wirtschaft vor allem für Mobile Commerce. Verwaltungs-, E-Commerce- und E-Payment-Prozesse müssen auf mobilen Endgeräten abgewickelt werden können. Das ist eine große Herausforderung.

Kommen wir zum Thema E-Government. Laut E-Government-Monitor liegt Deutschland hier nicht gerade in der Pole Position.

"Beim E-Commerce sind wir nur Mittelmaß"

Franz Josef Pschierer: Ja, da sind wir eher Mittelmaß. In Bayern sind wir immerhin ein Stück weiter, aber insgesamt ist das kein Champions-League-Niveau. Am meisten kritisiert wird, dass es eigentlich keine durchdigitalisierten Services gibt. Wir haben immer noch Unterbrechungen drin, das ist einer der Knackpunkte.

Der Bürger will eine sichere und performante Abwicklung von Behördenkontakten. Das ist die eigentliche Herausforderung. Jetzt kann man sich darüber streiten, wie viele das überhaupt sind. Aber allein das Umziehen einer Familie - Bayern ist Zuzugsland - etwa von Nordrheinwestfalen nach Bayern: Anmeldeprozess, Auto anmelden, Kindergarten etc., das sind gewaltige Verwaltungsprozesse. In einer modernen Industriegesellschaft müssen sich solche Behördenkontakte anders abwickeln lassen.

Steht uns der Föderalismus hier im Weg?

Franz Josef Pschierer: Lassen Sie es mich provozierend formulieren: Als Finanzstaatssekretär bin ich überzeugter Föderalist. Aber als IT-Beauftragter wünsche ich mir manchmal mehr Gemeinsamkeit. Das bedeutet aber nicht eine Infrastruktur unter Bundeshoheit. Gerade die elektronische Steuererklärung, ELSTER, mit zentralen Servern in München und Düsseldorf zeigt: Föderalismus und IT funktioniert. Themen wie IT-Sicherheit oder eID, das können wir nicht 16 Mal machen. Wir müssen uns in Deutschland darauf verständigen, dass bestimmte Dinge standardisiert werden. Da hat der IT-Planungsrat der Bundesregierung noch viel Arbeit vor sich.

Da sind Sie persönlich ja sehr nahe dran am Zentrum der Macht …

Franz Josef Pschierer: Wir versuchen es auch, aber ich kann Ihnen sagen, es nicht einfach. Wir haben auf der ersten Sitzung auf der CeBIT einen IT-Sicherheitsleitfaden verabschiedet. Das war nur möglich mit 15:1 Stimmen.

Wir haben nun endlich einen verbindlichen Charakter des Leitfadens für Bund und Länder, aber für die Kommunen nur einen empfehlenden Charakter. Ich gehe aber davon aus, dass auch die kommunale Seite diesen Konsens übernehmen wird. Unterschiedliche Sicherheitsstandards wären wohl auch kaum der Öffentlichkeit vermittelbar. Dies ist ein „hochsensibles“ Thema.

Wie steht es um das Thema Bildung? Bayern möchte die Schulen digitalisieren und flächendeckend ans Netz bringen. Wie ist der Stand der Dinge?

Franz Josef Pschierer: Unser Hauptziel und größtes Projekt ist derzeit mit weitem Abstand das Digitale Bildungsnetz Bayern. Wir haben hier 5800 Schulen im Freistaat, rund 1,8 Millionen Schüler und über 100.000 Lehrkräfte. Digitales Bildungsnetz heißt, dass wir im letzten Jahr damit begonnen haben in einem Pilotprojekt neun unterschiedliche Schulen an unterschiedlichen Standorten vollständig ans Netz zu bringen. Wir werden das ausrollen in diesem und im nächsten Jahr. Das ist zunächst auf maximal 120 Medienreferenzschulen finanziell hinterlegt. Dahin muss in den nächsten zwei Jahren auch ein Betreiberkonzept entwickelt werden, gemeinsam mit der kommunalen Familie.

Wichtig ist, dass wir zu schlüssigen und belastbaren Finanzierungsvereinbarungen zwischen dem Freistaat und den Kommunen kommen. Wir müssen klarstellen, wer für was verantwortlich ist. Die Ausstattung von Schulen ist zunächst mal ein Sachaufwand. Ich sehe aber schon eine gewisse Verantwortung des Freistaats, was Netzinfrastruktur angeht, Virenschutz, Jugendschutz etc. Aber wir brauchen eine gemeinsame Finanzierungsverantwortung mit den Kommunen.

Das Ziel ist klar definiert: Wir wollen das erste Bundesland sein, das alle seine Schulen sicher in ein Digitales Bildungsnetz eingebunden hat. Dort sollen Schüler, Lehrer und Eltern sicher kommunizieren können und es soll IT-gestützter Unterricht möglich sein. Doch es gibt auch hier Herausforderungen. Eine ist sicher die Aus- und Weiterbildung der Lehrer - auch was das Thema Medienkompetenz angeht. Das ist für uns das größte IT-Thema, das wir hier in Bayern angehen. Ein Mammutwerk.

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