Tipps und Checkliste

Wie man ungewöhnliche Talente fördert

24.06.2014
Von Wolfgang Kierdorf
Multitalente bringen Innovation und Wachstum. Allerdings sind sie meist schwierige Mitarbeiter und nicht gerade die Besten in der Abarbeitung. Letzteres können wiederum Experten besser. Berater Wolfgang Kierdorf zeigt in seiner Kolumne, wie man Talente findet und bindet.
Wolfgang Kierdorf ist Geschäftsführer von The Black Swan - Gesellschaft für Unternehmensentwicklung mit Sitz in Köln.
Wolfgang Kierdorf ist Geschäftsführer von The Black Swan - Gesellschaft für Unternehmensentwicklung mit Sitz in Köln.
Foto: The Black Swan

"Wo Deine Talente und die Bedürfnisse der Welt sich kreuzen, dort liegt Deine Berufung." - Aristoteles

Je anspruchsvoller und vielfältiger eine Stelle ist, desto unwahrscheinlicher ist es, hierfür den perfekten Kandidaten zu finden. In eine "runde" Stelle soll dann ein "eckiger" Mitarbeiter passen. Natürlich bekommen wir dort Mitarbeiter irgendwie mit Ach und Krach hineingepresst, dabei gehen aber die Ecken verloren.

Wird ein Mensch langfristig glücklich sein, wenn man ihm die Ecken, also Teile seiner Persönlichkeit, abschneidet?

Schon als Kleinkinder lernen wir, dass die eckigen Klötze nicht in die runden Öffnungen passen. Kann es sein, dass wir da mit der Zeit etwas vergessen haben?

Versuchen wir nicht "eckige" Mitarbeiter in "runde" Stellen zu pressen, sondern finden wir echte Talente im eigenen Unternehmen und schneidern diesen einen Job nach Maß.

Ein Talent ist laut Duden eine "Begabung, die jemanden zu ungewöhnlichen bzw. überdurchschnittlichen Leistungen auf einem bestimmten, besonders auf künstlerischem Gebiet befähigt".

Im Unternehmenskontext gibt es nach meiner Definition zwei Kategorien von Talenten:

  1. Talente, die eigentlich Experten sind und

  2. die außergewöhnlichen Talente, die Multitalente.

Zur ersten Kategorie gehören Menschen, die etwas besonders gut können. Sie sind zum Beispiel durch die Arbeit in einem bestimmten Prozess zu Experten in diesem geworden. Dies kann zum Beispiel ein Vertriebler sein, der jeden Tag versucht 50 Leute per Telefon zu akquirieren, oder ein Lagerarbeiter, der jeden Tag hunderte Kisten von A nach B fährt. Jeder dieser Menschen wird im Laufe der Zeit zu einem Experten, zwar nicht für das Wissen der gesamten Welt, aber für seinen kleinen überschaubaren Arbeitsbereich.

Wann haben Sie das letzte Mal einen Ihrer "normalen" Mitarbeiter als Experten wahrgenommen und gewürdigt?

Darunter haben Sie nämlich bereits Ihre ersten Talente.

Geben Sie diesen Menschen die Möglichkeit, Dinge, die sie beherrschen, zu verbessern und Sie haben echte InnovationInnovation, zufriedene Mitarbeiter und eine drastisch gesenkte Kündigungs- und Wechselrate. Alles zu Innovation auf CIO.de

Die zweite Kategorie, die Multitalente, sind ein ganz anderes Kaliber. Sie sind es, die einem Unternehmen nicht nur Innovation, sondern auch Wachstum bringen. Multitalente sind häufig schwierige Mitarbeiter. Sie schauen weit über den Tellerrand hinaus, stellen Zusammenhänge her und betrachten Dinge auf einer Meta-Ebene.

Sie sind oft nicht die Besten in der Abarbeitung, verstehen es aber, andere in einer eigenen, manchmal fachlichen Vision zu vereinen. Sie haben häufig unternehmerische Ambitionen, wagen aber nicht den Schritt in die Selbstständigkeit, bis ihnen alles zu viel wird und sie den Schritt dann doch wagen und so dem Unternehmen verloren gehen.

Talente der Kategorie 2 schaffen, wenn man sie dann lässt, Innovation und Wachstum zum Nulltarif.

Ein unentdecktes Talent im Unternehmen ist nicht nur "totes Kapital" oder eine "verschwendete Resource", sondern vor allem auch ein Mensch, der vielleicht gerade in seinem Job "vor sich hin stirbt" und demnächst kündigt. Ein Talent nicht zu fördern, bedeutet also nicht, den "Status Quo" zu erhalten, sondern ein Unternehmen und dessen Werte systematisch zu zerstören.

Viele Talente wissen selbst gar nicht, dass sie Talente sind. Sie bewegen sich auf der höchsten Wissensstufe, der sogenannten "unbewussten Kompetenz".

Tipps, wie Sie Talente erkennen

Im Folgenden einige Tipps, wie Sie Talente erkennen:

  • Geben Sie Ihren Mitarbeitern Freiraum, denn ohne Freiraum können sich nur wenige Talente entfalten.

  • Machen Sie aus einem "Nein-Sager" einen konstruktiven Kritiker. Akzeptieren Sie die Kritik, fordern Sie aber im gleichen Zug einen Verbesserungsvorschlag. Erhalten Sie regelmäßig Verbesserungsvorschläge, so haben Sie ein Talent gefunden. Das Verschwinden des "Nein-Sagers" verbessert als netten Nebeneffekt außerdem die Stimmung Ihres Teams.

  • Geben Sie stillen Mitarbeitern eine Stimme. Häufig sind es die stillen Mitarbeiter, die eine Situation analysieren und ein Problem lösen, während sich die Menge noch anschreit. Am Ende geht die Lösung unter, weil jeder froh ist, den Raum verlassen zu können.

  • Suchen Sie nicht nur nach dem Supertalent. Jeder Mensch wird automatisch sehr gut in etwas, das er lange betreibt.

  • Lassen Sie Kritik an sich selbst zu. Manager, die sich von Ihren Mitarbeitern offen und konstruktiv kritisieren lassen, werden nicht nur bessere Manager, sondern auch Führungstalente! Akzeptieren Sie Feedback und betrachten Sie sich selbst als Dienstleister Ihrer Mitarbeiter.

Verliert ein Unternehmen ein Talent, so geht nicht nur das bereits getätigte Investment (Ausbildung, Einarbeitung etc.) verloren, sondern vor allem auch das abgewanderte Potential. Warum sollte man sich teuer Talente von außen einkaufen, wenn man diese bereits im Unternehmen hat? Kultivieren Sie das, was Sie bereits haben!

Sicher fragen Sie sich nun, was die Gründe dafür sind, dass Talente ein Unternehmen verlassen.

  • Talente der Kategorie 1 (Experten) verlassen Unternehmen, weil sie nicht als Experten wahrgenommen werden. Ein Talent, das ",mitwirken" kann, ist für etwas engagiert. Es geht dann um mehr als Geld, es geht um ein Ziel.

  • Talente der Kategorie 2 (Multitalente) verlassen Unternehmen, weil Sie entweder keinen Sinn in ihrer Arbeit sehen, oder keine Chance haben, das Unternehmen mitzugestalten.

Arbeiten Mitarbeiter gemeinsam nicht nur in, sondern auch an einem Unternehmen, dann werden sie dieses Unternehmen nicht so leicht verlassen. Es wird dann auch "ihr Baby". Die meisten Talente verlassen ein Unternehmen nicht überraschend. Es hat sich in der Regel nur niemand für ihre Sorgen und Probleme interessiert.

Wie man Talente langfristig hält

Binden Sie Ihre Talente langfristig

  • Schaffen Sie eine Vision, mit der sich Ihre Mitarbeiter identifizieren können. Talente arbeiten nicht für Geld, sondern für ein Ziel.

  • Behandeln Sie Ihre Mitarbeiter wie eine Familie, denn nur so entsteht ein soziales Gefüge, in dem Sie als Vorgesetzter ein Teil sind.

  • Seien Sie der Chef, den Sie selbst gerne hätten.

  • Bleiben Sie in Kontakt und interessieren Sie sich ehrlich für Ihre Mitarbeiter, denn so erfahren Sie frühzeitig, wenn etwas nicht stimmt und können sofort gegensteuern.

  • Nehmen Sie Talente als solche wahr und geben Sie diesen öffentlich Anerkennung.

Allerdings ist es damit, ein Talent zu finden oder zu halten, noch nicht getan. Jedes Talent, egal ob Sportler, Künstler oder Mitarbeiter in einem Unternehmen, benötigt einen Coach. Den meisten Menschen wurde es nie erlaubt, sich frei zu entfalten. Ihre Aufgabe als Manager ist es, den nötigen Freiraum zu schaffen und den talentierten Mitarbeiter zu ermutigen.

Schieben Sie ihn regelmäßig mit neuen Aufgaben aus seiner Komfortzone. Finden Sie heraus, was er wirklich gut kann und was nicht. Fördern Sie aktiv sein Talent und helfen Sie ihm, seine Schwächen zu überwinden. Häufig sind es nur eine oder zwei Eigenschaften, die einen Menschen davon abhalten, etwas wirklich großartiges zu leisten.

Machen Sie Ihren talentierten Mitarbeitern jeden Tag klar, wie wichtig ihr Beitrag ist und wieviel Verantwortung sie für das Unternehmen und seinen Fortbestand tragen. Man verlässt nichts, wofür man Sorge trägt.

Nutzen Sie Prozesse wie PROFID - "Process for structured idea development and execution". Angelehnt an den SCRUM-Prozess in der Softwareentwicklung, dient er der Steuerung von Einzeltalenten und Teams als Unternehmer im Unternehmen. PROFID definiert im Unternehmenskontext Freiräume und Spielregeln zur Umsetzung von neuen Projekten unter Selbstverwaltung.

Jeder Mensch hat Ecken, auch wenn wir diese häufig auf den ersten Blick nicht erkennen. Die Ecken sind Teil der Persönlichkeit. Menschen, denen man ihre Ecken nimmt, sind verkrüppelt. Sie sind schlecht gelaunt, leisten schlechte Arbeit und bekommen Bore- oder Burn-Outs. Wäre es nicht phantastisch, wenn alle Ihre Mitarbeiter glücklich wären, mitdenken und ihr Bestes geben würden? Lassen Sie das Eckige eckig sein und schaffen Sie Jobs für Mitarbeiter und nicht Mitarbeiter für Jobs!

Not everyone who is given some rope hangs himself.

Wolfgang Kierdorf ist Geschäftsführer von The Black Swan - Gesellschaft für Unternehmensentwicklung mit Sitz in Köln.

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