SAP, Oracle, Microsoft

Die ERP-Cloud-Pläne der Anbieter

13.03.2012 von Holger Eriksdotter
Die großen Softwarehersteller machen bisher wenig Anstalten, ERP für Konzerne als Cloud-Lösung anzubieten. Das dauert noch mindestens drei Jahre, spekulieren Berater.

Das selbst gesteckte Ziel hat SAP pünktlich zur Bekanntgabe der Jahreszahlen Ende Januar dann doch noch erreicht: Tausend Anwender weltweit setzen nach Angaben der Walldorfer mittlerweile die Cloud-ERP-Lösung Business ByDesign ein. Microsoft wird mit Dynamics NAV in der Version 7 im Herbst dieses Jahres erstmals ein ERP-System als vollwertige Cloud-Lösung präsentieren.

Carsten Bange Geschäftsführer bei Barc: "Bis zu einer nennenswerten Marktdurchdringung werden noch mindestens drei Jahre vergehen."
Foto: Barc

Schon vergangenes Jahr hatte das Unternehmen die CRM-Lösung Dynamics CRM zuerst als Cloud-Lösung und erst danach als On-Premise-System auf den Markt gebracht - ein Novum in der Unternehmensgeschichte. Und Oracle hat seine Fusion-Apps Cloud-fähig gemacht, darunter auch ein ERP-System, das nach Auskunft von Oracle-Vice-President Rajan Krishnan schon mehrere Pilotkunden einsetzen.

Ohne Zweifel setzen die großen ERP-Anbieter auf Cloud Computing. Sichtbares Zeichen dafür sind die Akquisitionen von Oracle und SAP Ende vorigen Jahres: SAP hatte für 3,4 Milliarden Dollar den auf Cloud-HCM (Human Capital Management) spezialisierten Anbieter SuccessFactors übernommen. Marktbeobachter waren sich einig, dass es beim Kauf weniger um den Nischenmarkt Personal-Management, sondern vor allem um Cloud-Know-how und die Präsenz im Cloud-Markt ging.

Laut den Analysten des amerikanischen Marktforschungsunternehmens Saugatuck hat SAP mit SuccessFactors auf einen Schlag weltweit 3500 Kunden mit mehr als 15 Millionen Nutzern dazugewonnen und wird damit zu einem führenden Anbieter im weltweiten Cloud-Markt.

Hype Cycle - Cloud-ERP für Großunternehmen steht noch ganz am Anfang.
Foto: Gartner

Oracle hatte sich den Kauf des auf Cloud-CRM spezialisierten Anbieters RightNow im Herbst vorigen Jahres runde 1,5 Milliarden Dollar kosten lassen. Weil Oracle mit der E-Business-Suite und Siebel schon über eigene CRM-Lösungen - allerdings als On-Premise-Software - verfügte, lasen Analysten aus der Übernahme vor allem die Absicht ab, sich im Cloud-Markt zu verstärken. In die gleiche Richtung wies die Ankündigung, die sogenannten Fusion Apps in die Cloud zu portieren und mit dem Oracle Social Network ein Cloud-fähiges Kollaborations-Tool zu schaffen. "Die allmähliche Integration von Cloud-Produkten in das Programmportfolio passt ebenso wie der RightNow-Kauf in die langfristige Unternehmensstrategie", kommentiert Dave Mitchell, Research Director bei Gartner.

Cloud im Zentrum der Enterprise-IT

Rajan Krishnan Vice President Product Development EMEA, Oracle: "Oracle hat derzeit keine Pläne, Peoplesoft oder JD Edwards in die Cloud zu bringen."
Foto: Oracle

Geht an der Cloud also kein Weg mehr vorbei? Während Cloud-Applikationen in den Bereichen CRM, Kommunikation, HR-Management und Collaboration schon lange Einzug in die Unternehmen gehalten haben, dringen sie mit den ERP-Systemen jetzt gleichsam in das Zentrum der Enterprise-IT vor. Dennoch: Die bisher erhältlichen Cloud-Systeme treffen eher den Bedarf kleiner und mittelständischer Unternehmen. Umfassende ERP-Lösungen aus der Cloud für Großunternehmen sind nach wie vor Zukunftsmusik - und werden es wohl auch noch geraume Zeit bleiben.

"Bisher hat noch kein Großunternehmen eine Cloud-Lösung für ERP im Einsatz", schreiben die Gartner-Analysten Denise Ganly und Michael Montgomery im aktuellen "HypeCycle ERP". "Der Grund dafür ist, dass bisher noch kein Anbieter ein Cloud-basiertes ERP-System liefern kann, das die Anforderungen eines Großunternehmens im Hinblick auf Funktionalität und Leistungsumfang erfüllt."

Denn die neuen Cloud-ERPs, die per SaaS ausgeliefert werden, haben noch entscheidende Einschränkungen. So ist Business ByDesign als integrierte Lösung auf die Anforderungen kleiner und mittlerer Unternehmen bis 500 Mitarbeiter zugeschnitten - oder als Filialsystem in zweistufigen ERP-Szenarien (On-Premise-Installation in der Zentrale, SaaS-ERP in Niederlassungen) geeignet. Ebenso ist Microsoft Dynamics NAV, das künftig auch als Cloud-Version nutzbar sein soll, eher für kleinere Unternehmen geeignet. Zwar sagt Microsoft-Manager Jochen Wießler, der als Director Business Solutions für das ERP-Geschäft von Microsoft in Deutschland verantwortlich ist: "Wir differenzieren bei unseren ERP-Systemen nicht nach Unternehmensgröße, sondern nach Anforderungsszenarien." Doch das heißt letztlich nichts anderes, als dass Dynamics NAV nicht eben auf den Bedarf international agierender Unternehmen ausgerichtet ist und eher die Anforderungen von Firmen mittlerer Größe erfüllen wird.

Das leistungsstärkere ERP-System von Microsoft, Dynamics AX, das auch die Anforderungen von Großunternehmen erfüllt, wird es laut Wießler in den nächsten zwei bis drei Jahren nicht als Cloud-Version geben. Gleiches Bild bei Oracle: Zwar sind Cloud-fähige Fusion Apps, deren Funktionsumfang im ERP-Bereich schwer einzuschätzen ist, für verschiedene Einsatzbereiche erhältlich. Nach Auskunft von Manager Krishnan gibt es jedoch bei Oracle derzeit keine Pläne, die einst von Oracle akquirierten vollwertigen ERP-Systeme Peoplesoft oder JD Edwards in die Cloud zu bringen.

Und auch SAP wird seine Business-Suite nach Aussage eines Sprechers nicht komplett in die Cloud heben. Zwar hat SAP in jüngster Zeit eigene Cloud-Applikationen wie Sales OnDemand (CRM und Collaboration), CarbonImpact OnDemand (Nachhaltigkeit), Sourcing OnDemand (Beschaffungsprozesse) und Travel OnDemand (Reisekostenabrechnung) entwickelt. Die OnDemand-Module erweitern allerdings lediglich lokal installierte ERP-Systeme. Sie liefern zusätzliche Funktionen, die klassische On-Premise-ERP-Systeme nicht oder nicht in der gewünschten Tiefe enthalten - anders als Business ByDesign, das als eigenständige SaaS-Lösung eine On-Premise-Installation ersetzt.

Jochen Wießler, Director Business Solutions bei Microsoft: "Mit der neuen Version 7 von Dynamics NAV kann der Kunde frei entscheiden, ob er die Lösung on-premise oder aus der Cloud nutzt."
Foto: Microsoft

Und hier zeichnet sich ein Eckpfeiler der künftigen Cloud-Strategie von SAP ab, die das Engagement im Cloud-Markt mit der Beibehaltung ihrer bisherigen Domäne - On-Premise-ERP-Systeme - verbindet. Ebenso will auch ERP-Konkurrent Microsoft seinen Kunden die Wahl lassen, ob und welche Programme und Module lokal installiert oder aus der Cloud bezogen werden: "Mit der neuen Version 7 von Dynamics NAV kann der Kunde frei entscheiden, ob er die Lösung on-premise oder aus der Cloud einsetzt, Erweiterungen lokal installiert oder eben als SaaS nutzt - dabei ist jede Kombination möglich", sagt Microsoft-Manager Wießler.

Wie viele Kunden tatsächlich auf die Cloud-Version umsteigen, mag Wießler nicht einschätzen, aber er rechnet mit nennenswerter Nachfrage: "Wir haben heute schon viele Kunden, die unterschiedliche Hosting-Modelle nutzen. Für sie wird das SaaS-Modell sicher besonders attraktiv sein", sagt der Microsoft-Manager.

ERP-Markt bleibt hybrid

Auf absehbare Zeit wird ERP laut Marktbeobachtern allerdings ein Hybridmarkt bleiben. "Große ERP-Systeme werden wohl vorerst nicht komplett als Cloud-Lösung zur Verfügung stehen", sagt Carsten Bange, Geschäftsführer des auf Enterprise-IT spezialisierten Marktforschungsunternehmens Business Applications Research Center (Barc) aus Würzburg.

Insofern zeichnen sich bei Cloud-ERP zwei Trends ab: Kleinere Unternehmen werden mit ERP-Systemen aus der Cloud ihren kompletten Funktionsbedarf abdecken können - oft inklusive CRM und Business Intelligence. Großunternehmen werden dagegen auf absehbare Zeit nicht auf eine lokale Installation verzichten können - allerdings mit einem Angebot an Erweiterungen, die künftig vermehrt per SaaS aus der Cloud bezogen werden.

Aber wollen die Unternehmen denn überhaupt auf Cloud-ERP umsteigen? "Sicher sind ERP-Lösungen aus der Cloud am attraktivsten für kleine und mittelständische sowie schnell wachsende Firmen", sagt Analyst Bange. "Aber die Vorteile von Cloud-Applikationen sind so deutlich, dass immer mehr Unternehmen darüber nachdenken."

Bedenken werden schwinden

Natürlich hätten Firmen grundsätzlich ein Problem damit, ihre Unternehmensdaten aus dem Haus zu geben. Dies gelte in besonderem Maße für ERP-Systeme, in denen die Kernprozesse des Unternehmens abgebildet seien. Dennoch: Der inzwischen reife Markt für Cloud-CRM zeige, dass diese Bedenken zurückgestellt würden, wenn Sicherheits- und Datenschutzfragen geklärt sind und Kosteneinsparungen winken.

Dieser Trend werde sich auch im Markt für ERP-Systeme fortsetzen, ist Bange überzeugt. "Der Markt für Cloud-ERP-Lösungen wird zwar nicht explodieren, aber doch stetig zunehmen. Bis zu einer nennenswerten Marktdurchdringung werden aber sicher noch mindestens drei Jahre vergehen“, prognostiziert der Marktforscher. Und man darf wohl davon ausgehen, dass die großen Anbieter gern noch etwas Zeit verstreichen lassen. Denn ein völliger Umstieg auf Cloud-ERP samt neuer Bezahlmodelle nach Verbrauch würde ihr bisheriges Geschäftsmodell gründlich durcheinanderbringen. Möglicherweise lebt es sich von den bisherigen Lizenzgebühren um einiges komfortabler.