Commerzbank-COO Hessenmüller

"Digitalisierung beginnt im Kopf"

24.06.2021 von Wolfgang Herrmann
Die Commerzbank will sich zu einer digitalen Beratungsbank weiterentwickeln. COO Jörg Hessenmüller sieht die Cloud als Enabler und glaubt an die Blockchain.
"Innovationen kann man nicht befehlen", sagt Jörg Hessenmüller, COO der Commerzbank. "Man muss dafür einen Raum und eine Kultur schaffen."
Foto: Commerzbank

"Digitalisierung ist kein anderes Wort für IT", sagt Jörg Hessenmüller. Das müssten alle im Unternehmen verstehen. "Es geht um viel mehr als nur Technologie. Digitalisierung beginnt im Kopf der Menschen." Seit Januar 2019 sitzt Hessenmüller als Chief Operating Officer (COO) im Vorstand der Commerzbank und ist damit neben anderen Bereichen auch für die digitale Transformation und die IT zuständig.

Mit dem Update der Unternehmensstrategie im Februar 2021 rückte das Finanzinstitut Themen wie Kundennähe, Digitalisierung, Profitabilität und Nachhaltigkeit noch stärker in den Vordergrund. Das bedeutet abermals harte Einschnitte für die Mitarbeiter. Bis 2024 will die Bank 10.000 Stellen streichen und eine Eigenkapitalrendite von sieben Prozent erreichen.

"Technologie verändert das Kundenverhalten", erklärt der COO die Entwicklungen in der Finanzbranche. Daraus entständen Potenziale für neue Geschäftsmodelle, aber auch große Herausforderungen für klassisch aufgestellte Banken. Besonders deutlich wird das derzeit im Privatkundengeschäft der Commerzbank. Hessenmüller: "Wir stellen uns die Frage: Wie interagieren wir künftig mit dem Kunden?" Die 2020 begonnene Integration der Comdirect spielt dabei eine wichtige Rolle. Als reine Direktbank ohne Filialnetz hat sie sich vor allem im Online-Banking und Online-Brokerage einen Namen gemacht. "Insbesondere in Sachen Remote-Kundenbetreuung ist die Comdirect top", lobt Hessenmüller.

Die Stärken der Muttergesellschaft Commerzbank liegen woanders. Als klassische Bank für mittelständische Unternehmen sieht sie sich in einer führenden Position im deutschen Corporate Banking-Markt. Aber auch in diesem Marktsegment ist vieles in Bewegung, wie der COO berichtet. "Wir müssen prüfen, wie wir unsere Banking-Dienstleistungen in Zukunft anbieten." Beispielsweise würden künftig viel mehr Kunden als bisher remote betreut, also nicht mehr über Filialen. Am Ende gehe es darum, die Stärken der Comdirect mit denen der Commerzbank zu kombinieren. Das große Ziel: "Wir wollen eine digitale Beratungsbank werden." Dafür müssen die Frankfurter auch die technische Basis umbauen. Hessenmüller sieht die Cloud dabei als Enabler: "Cloud Computing ist eine Schlüsseltechnologie für die digitale Transformation der Commerzbank."

Multicloud-Strategie

Schon seit 2016 setzt sich der Finanzdienstleister mit Cloud-Konzepten auseinander. Nach den bisherigen Erfahrungen entschied sich Hessenmüller für eine hybride Multicloud-Strategie mit den zwei großen Providern Microsoft und Google Cloud. "Wir wollten keine Abhängigkeit von einem einzigen Cloud-Anbieter", begründet er das Vorgehen. Jeder Hyperscaler habe spezifische Stärken und Schwächen. Google etwa sei aktuell mit seinen Cloud-Services in Bereichen wie Big Data, Analytics und Machine Learning sehr gut aufgestellt. Microsofts Stärken sieht er im Moment beispielsweise im Bereich Workplace und Office-Anwendungen. Für den Multicloud-Ansatz nennt er noch ein weiteres Argument: Mithilfe von Container-Techniken sei es grundsätzlich möglich, Anwendungen zwischen den beiden Hyperscalern hin- und herzubewegen.

Die Cloud-Strategie soll den Frankfurter Bankern auch dabei helfen, die IT zu modernisieren. Dezentrale Anwendungen, sprich: "alles was nicht auf dem Mainframe läuft", will Hessenmüller perspektivisch in die Cloud migrieren. Dabei könne es sich sowohl um Private- als auch um Public-Cloud-Umgebungen handeln. Klassische transaktionale Systeme wie der Zahlungsverkehr oder die Wertpapierabwicklung sollen aber weiterhin auf den eigenen Großrechnern laufen. Der Mainframe habe sich für solche Anwendungen als zuverlässiges System bewährt, argumentiert der IT-Chef.

Die Top-CIOs der Banken
Heiko Burdack
Der CIO der Signal Iduna Gruppe, Heiko Burdack, wechselte zum 1. Februar 2023 als Chief Technology Officer zur Commerzbank.
Gerhard Grebler
Seit Januar 2018 ist Grebler bei der Landesbausparkasse (LBS Bayern) für die Bereiche IT, Personal und Revision verantwortlich.
Melanie Kehr
IT-Verantwortliche bei der staatlichen Förderbank KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) ist seit April 2018 Melanie Kehr. Seit 2014 leitete sie als Bereichsleiterin Group IT den Bereich Informationstechnologie der BayernLB. Zunächst war Kehr Generalbevollmächtige der KfW, seit März 2019 ist sie auch Vorstandsmitglied der Bank.
Tobias Schmitt
Tobias Schmitt ist CIO der NRW.Bank Düsseldorf/Münster. Im Jahr 2010 wählte ihn die Jury vom Wettbewerb "CIO des Jahres 2010" zu einem der besten IT-Verantwortlichen in der Kategorie Mittelstand.
Mike Dargan
Head of Information Technology bei der Schweizer Bank UBS ist seit Mitte September 2016 Mike Dargan. Er arbeitet in Zürich und gehört dem Group COO Executive Committee der Bank an. Dargan war zuletzt CIO des Corporate and Institutional Banking der Standard Chartered Bank und dort für die End-to-End-Technologie und Betriebsprozesse dieser Geschäftsfelder zuständig.
Simone Bock
Der Finanzdienstleister State Street Bank International GmbH hat Simone Bock zum Head of IT ernannt. Seit dem 1. Dezember 2022 leitet Bock von München aus die IT der State Street Bank International GmbH (SSBI). Die erfahrene IT-Managerin kommt von der BNP Paribas Group.
Bernd Leukert
Bernd Leukert wurde am 1. Januar 2020 Vorstand für Technologie, Daten und Innovation der Deutschen Bank. Von 2014 bis 2019 war Leukert Technikvorstand bei SAP, wo er 1994 seine Karriere begann.
Stephan Tillack
Stephan Tillack (49) verantwortet seit 2014 den IT-Bereich der Norddeutschen Landesbank (NORD/LB). Unter seiner Verantwortung wurden in den letzten Jahren diverse Modernisierungs- und Standardisierungsmaßnahmen vorgenommen, u.a. wurde die IT-Plattform für das Wholesale-Kreditgeschäft ausgetauscht, die Integrationsarchitektur für die dispositiven Daten erneuert und eine neue Core-Banking Plattform für die ausländischen Niederlassungen eingeführt. Die komplette Client/Server-Architektur inkl. Bürokommunikation wurde auf Microsoft-Standard überführt, die bestehenden Rechenzentren konsolidiert, das IT Risikomanagement grundlegend modernisiert, ein Innovations- und ein Datenlabor aufgebaut und die gesamte IT der Bremer Landesbank in die NORD/LB integriert. Stephan Tillack ist seit 1999 in diversen Führungsaufgaben bei der NORD/LB tätig.
Hans-Jürgen Plewan
Hans-Jürgen Plewan ist seit 2013 Head of Group IT in der DekaBank. Zuvor führte der promovierte Informatiker die Geschäfte der Finanz Informatik Solutions Plus (FISP), einer Tochter der Finanz Informatik (FI). Die FI ist zentraler IT-Dienstleister der Sparkassen. Die DekaBank ist das Wertpapierhaus der Sparkassen. Im Vorstand vertritt seit Mai 2019 COO Daniel Kapffer die IT.
Aysel Osmanoglu
Aysel Osmanoglu ist seit Januar 2016 IT-Vorstand bei der GLS Bank in Bochum (vormals Ökobank), zuständig für Infrastruktur/IT. Die BaFin muss der Berufung noch zustimmen. Osmanoglu stieg 2006 als Trainee ein und wurde 2013 zur Bereichsleiterin Basisgeschäft Marktfolge ernannt. Sie absolvierte ein Studium der Volks- und Betriebswirtschaftslehre, zugleich ist sie diplomierte Bankbetriebswirtin Management der Akademie Deutscher Genossenschaften.
Rudolf Hoyer
Der Diplom-Informatiker Rudolf Hoyer ist seit September 2012 Leiter des Unternehmensbereiches Informationstechnologie und Organisation bei der Hamburger Sparkasse (Haspa). Seit 2009 leitet Hoyer bei der Haspa den Unternehmensbereich „Produktivität und Prozesse“. Davor war er im Stabsbereich der NRS Norddeutsche Retail-Service AG (ein Unternehmen der HASPA-Gruppe) tätig. Bis 2005 arbeite Hoyer bei der HypoVereinsbank in Hamburg und München, wo er die Integration der Vereins- und Westbank begleitete. Von 2005 bis 2007 verantwortete er in der VR Kreditwerk AG das Kreditprocessing in Norddeutschland.
Dorothée Appel
Seit Oktober 2020 arbeitet Dorothée Appel als Chief Information Officer für Retail Banking, Commercial Banking und Functions (RCBF) in der Abteilung Innovation & Technology der ABN Amro.
Michael Clijdesdale
Seit dem 1. April 2022 ist Michael Clijdesdale Chief Information Officer im Vorstand der ING Deutschland.
Rainer Neske
Rainer Neske, Vorsitzender des Vorstands der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), hat im Januar 2018 die Zentralbereiche Finanzen und Informationstechnologie mitübernommen. Zuvor hatte zuletzt Alexander von Uslar die CIO-Funktion inne.
Volker Stadler
Volker Stadler ist seit September 2017 Geschäftsführer der Volkswagen Bank GmbH und dort verantwortlich für Operations und Informationstechnologie. Stadler war zuvor Abteilungsleiter Steering & Strategy IT der Volkswagen Financial Services AG.
Christian Brauckmann
Nach der Fusion von DZ Bank (Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank) und WGZ Bank (Westdeutsche Genossenschafts-Zentralbank) zum August 2016 ist Christian Brauckmann neuer Vorstand für IT und Organisation. Er war bei der WGZ Bank zuvor zuständig für die Bereiche Financial Markets Operations, Zahlungsverkehr und Organisation und Betrieb.
Christiane Vorspel
Christiane Vorspel wird ab Oktober COO im Vorstand der Commerzbank und verantwortet damit auch die IT. Sie kommt von der LBBW.
Joachim Wuermeling
Der Jurist Joachim Wuermeling ist seit Anfang November 2016 offiziell Mitglied im Vorstand der Deutschen Bundesbank. Der Vorstand der Deutschen Bundesbank hat auch die Ressortzuständigkeiten neu verteilt. Wuermeling übernahm die Verantwortung für die Bereiche Informationstechnologie und Märkte. Wuermeling war von 1999 bis 2005 Europaabgeordneter der CSU und von 2005 bis 2008 beamteter Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Dann wechselte er in die Hauptgeschäftsführung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, danach wurde er Vorsitzender des Verbandes der Sparda-Banken in Frankfurt.
Alexander Neumann
Bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall hat im November 2016 Alexander Neumann die Position des Leiters IT-Steuerung übernommen. Neumann kommt aus dem eigenen Haus: Zuletzt arbeitete er bei der Schwäbisch Hall Kreditservice AG, ein Finanzdienstleister im Kredit-, Bauspar- und Förderkreditgeschäft, als Bereichsleiter IT-Lösungen und Projekte.
Axel Schnuck
Axel Schnuck ist seit Dezember 2016 Head of Information Technology bei der Deutsche Pfandbriefbank AG (pbb) in Unterschleißheim bei München. Schnuck war zuvor 13 Jahre in der zur DZ-Bank gehörenden Schwäbisch Hall Gruppe tätig.
Manuela Bieß
Manuela Bieß (Foto) und Jürgen Wiedmann leiten seit Januar 2018 gemeinsam den Bereich "Informationstechnologie" der Helaba. Der Bereich "Organisation und Informatik" wurde zum 1. Januar 2018 in die zwei eigenständigen Bereiche "Organisation“ und „Informationstechnologie" geteilt.
Wolfgang Ludwig
Wolfgang Ludwig ist seit Juli 2018 neuer Bereichsleiter Group IT/CIO der BayernLB. Der CIO berichtet an den CFO/COO der Bank. Ludwig arbeitet bereits seit 1996 für die BayernLB. Er hat im Zuge seiner Laufbahn verschiedene Fach- und Führungsfunktionen in München inne. Einige Jahre war er auch in der Niederlassung London tätig.
Andreas Fahrni
Als Nachfolger von Urs Monstein übernahm Andreas Fahrni formal ab Juni 2018 die Rolle als Global Head IT der Bank Julius Bär. Nebst der Führung der globalen IT-Organisation der Bank mit Entwicklungs- und Betriebszentren in Zürich, Singapur und Luxembourg, haben für ihn die agile Transformation, die Digitalisierung des Bankkundengeschäfts und die Harmonisierung des globalen Betriebsmodels Priorität. Zuvor war Fahrni seit 2008 in der Bank Julius Bär in verschiedenen Funktionen tätig. Nach dem Master als Dipl. El.-Ing. ETHZ er zudem in verschiedenen Software-Entwicklungsprojekten bei der Firma Accenture in führenden Funktionen tätig.
Ulrich Reidel
Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler Ulrich Reidel ist seit Juli 2019 Chief Information Officer der Baader Bank mit Sitz in Unterschleißheim bei München. Zuvor war Reidel als CIO und CDO für die Südleasing und Südfactoring tätig, Töchter der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Reidel hatte seine berufliche Laufbahn bei der Excelsis Business Technology begonnen. Weitere Stationen führten ihn über die Börse Stuttgart (Abteilungsleiter Projekt- und IT-Controlling / Bereichsleiter IT Service Management) und die MBtech Group (Leiter Software Standards and Integration).
Sandra Kagerer
Sandra Kagerer besetzt seit 1. April die neu geschaffene Position des Head of IT der Airbus Bank in München. Sie berichtet an Matthias Jacobs, Head of IT & Operations. Zuvor war Kagerer IT Governance Manager der Kapitalverwaltungsgesellschaft BayernInvest. Bis 2018 war die Finanzmathematikerin bei der Beratungsgesellschaft KPMG Deutschland unter anderem im Risk-Management tätig.
Francine Zimmermann
Francine Zimmermann hat im September 2017 die Leitung Auftragsmanagement bei der Finanz Informatik Technologie Service (FI-TS) mit Sitz in Haar bei München übernommen. Sie war zuvor 4,5 Jahre CIO bei der Häfen und Güterverkehr Köln AG (HGK).
David Mathers
Der Brite David Mathers ist seit Anfang Mai 2012 in Personalunion CFO und CIO bei der Credit Suisse. Die Schweizer Großbank hat ihre Bereiche Finance, Operations und IT zusammengelegt. Im Zuge dessen verließ der vormalige CIO Karl Landert die Bank.
Klaus Bremges
Seit Juli 2013 arbeitet Klaus Bremges als CIO der Portigon AG, diese ist die Rechtsnachfolgerin der WestLB. Die Portigon will zudem eine Service-Gesellschaft gründen, um Outsourcing-Dienstleistungen am Markt anbieten zu können. Bremges leitet auch die IT der Portigon Financial Services GmbH.

Für alle anderen Systeme, darunter beispielsweise Privatkundenplattformen oder auch mobile Apps, werde man im ersten Schritt prüfen, ob der Betrieb in der Public Cloud möglich sei. Eine Lift-and-Shift-Migration könne in manchen Fällen funktionieren, erläutert Hessenmüller das Vorgehen. Viel häufiger gehe es aber zunächst darum, Anwendungen zu modernisieren und auf den aktuellen Stand zu bringen, bevor sie in die Cloud transferiert würden.

Cloud-native und Continuous-Integration

Neue Anwendungen wollen die Hessen grundsätzlich "Cloud-native" gestalten, also in der Cloud und für die Cloud entwickeln. Sie setzen dabei auf Konzepte wie Continuous Integration (CI) und Continuous Deployment (CD). Damit lasse sich der Prozess von der Entwicklung über den Test bis hin zum Betrieb einer Applikation weitgehend automatisieren, erläutert der COO. Entscheidend ist vor allem die höhere Geschwindigkeit bei Anpassungen: Unter optimalen Bedingungen lägen zwischen der Änderung eines Quellcodes und der Inbetriebnahme der Software weniger als 15 Minuten. In der Corona-Pandemie habe die Commerzbank damit neue digitale Produkte besonders schnell marktreif bekommen. Auch der Einsatz von agilen Methoden wie Scrum und Kanban führe zu einer verbesserten Reaktionsfähigkeit auf veränderte Anforderungen.

Mit Microsoft arbeitet die Commerzbank seit 2018 im Bereich Cloud Computing zusammen, die Kooperation mit Google Cloud begann schon 2017. Anfang dieses Jahres vertieften die Frankfurter beide Beziehungen und gingen fünfjährige strategische Partnerschaften mit den US-Konzernen ein. Durch die Zusammenarbeit mit den Hyperscalern könne man komplexe Anwendungen entwickeln und diese ohne hohe Ressourcenanforderungen reibungslos anpassen, erklärt Hessenmüller. "Wir erreichen damit einen höheren Automatisierungsgrad, einen stärkeren Sicherheitsstandard sowie wesentliche Kostenvorteile."

Um gegenüber den mächtigen Hyperscalern mit einer Stimme zu sprechen, gründete die Commerzbank zusammen mit anderen europäischen Finanzinstituten die European Cloud User Coalition (ECUC). Dabei handelt es sich um eine Art User Group für Banken aus dem EU-Raum, die Anfang Juni 2021 bereits 19 Mitgliedsunternehmen zählte. Die Gruppe will unter anderem gemeinsame Standards entwickeln, an die sich Cloud Provider halten müssen. Dabei geht es insbesondere um europäische Datenschutz- und Finanzmarktregeln. Aber auch gegenüber den Regulierungsbehörden wollen die ECUC-Mitglieder gemeinsam ihre Interessen vertreten.

IT-Organisation: Raus aus dem Silo

Der digitale Wandel führte bei der Commerzbank auch zu tiefgreifenden organisatorischen Veränderungen. "Unsere IT-Organisation hat nichts mehr mit der früheren Aufstellung zu tun", berichtet Hessenmüller. "Wir haben die klassischen IT-Silos aufgebrochen und arbeiten jetzt mit integrierten, kleinen Einheiten, die selbst eine Art unternehmerische Verantwortung tragen." Entstanden sind daraus rund 50 sogenannte Cluster, die das gesamte Technik- und Produktportfolio des Konzerns abdecken. So gibt es beispielsweise ein "Cloud Cluster", das unternehmensweit Basistechnologien bereitstellt, ein "Karten Cluster" für die diversen Bankkarten-Produkte und ein Cluster für die Handelssysteme.

"Unsere IT-Organisation hat nichts mehr mit der früheren Aufstellung zu tun", erklärt Commerzbank-Vorstand Jörg Hessenmüller. "Wir haben die klassischen IT-Silos aufgebrochen und arbeiten jetzt mit integrierten, kleinen Einheiten, die selbst eine Art unternehmerische Verantwortung tragen."
Foto: Commerzbank

Der Unterschied zur hergebrachten Organisation: In den Clustern arbeiten Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Fach- und Technikabteilungen interdisziplinär zusammen und sind gemeinsam für "ihr" Produkt beziehungsweise "ihren" Service verantwortlich. Hessenmüller: "Das geht von der Idee über die Entwicklung bis hin zum laufenden Betrieb und der Wartung, getreu dem Motto: You build it, you run it."

Innovationen aus dem Inkubator

Auch beim Thema Innovation Management gehen die Banker neue Wege. "Innovationen kann man nicht befehlen", ist der Vorstand überzeugt. "Man muss dafür einen Raum und eine Kultur schaffen." Ein Instrument auf diesem Weg ist der "Main Incubator" der Commerzbank-Gruppe. Ursprünglich als Venture-Capital-Investmentgesellschaft für vielversprechende Startups gegründet, beschäftigt sich die Einheit mittlerweile auch mit Forschung und Entwicklung für den Finanzkonzern. Hessenmüller spricht von einer "Sandbox, in der wir neue Ideen ausprobieren können."

Teil des Inkubators war früher auch das Distributed Ledger Lab der Commerzbank. "Als das Thema immer näher an die Produktionsreife rückte, haben wir es zurück in die Bank geholt", erinnert sich der COO. Dabei ging es auch um eine bessere Skalierung der dort entstehenden Lösungen mit den Kundendaten der Commerzbank.

Für besonders aussichtsreich hält er das Thema Selbstbestimmte Identität (Self-Sovereign Identity, SSI). Dahinter steckt die Idee, dass eine Person, Organisation oder Maschine eine digitale Identität erzeugen und kontrollieren kann, ohne dass dazu die Erlaubnis eines Vermittlers oder einer zentralen Partei vonnöten ist. Die SSI soll zudem die volle Kontrolle darüber sicherstellen, wie persönliche Daten geteilt und genutzt werden, am Ende also wie eine Art digitaler Personalausweis funktionieren. "Wie schaffen wir es mithilfe von Blockchain-Technik, dass jeder seine digitale Identität für verschiedenste Zwecke selbst vorhalten und verwalten kann?", umreißt Hessenmüller die Aufgabe einer aktuellen Initiative.

Digitale Identitäten auf der Blockchain

Als Partner im Projekt "IDunion" arbeitet die Commerzbank am Aufbau eines Ökosystems für digitale Identitäten mit und entwickelt die Identitäts-Wallet "Lissi". Kunden sollen damit ihre digitalen Identitäten direkt auf dem Smartphone verwalten können. Zu den Projektpartnern gehören mehr als 40 Institutionen und Unternehmen aus dem privaten und öffentlichen Sektor, beispielsweise die Bundesdruckerei, Bosch, die Deutsche Bahn und die Bank ING. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Projekt.

Im Projekt "IDunion" arbeitet die Commerzbank gemeinsam mit Partnern an einem offenen Ökosystem für digitale Identitäten.
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Die Use Cases sind vielfältig, erläutert Hessenmüller. Mit der digitalen Identität in seiner Wallet könne ein Kunde etwa in wenigen Minuten ein Konto eröffnen und sofort nutzen, ohne den bislang notwendigen Prozess der Authentifizierung via PostIdent oder VideoIdent. Auch andere Einsatzszenarien hält er für realistisch, beispielsweise in der KFZ-Anmeldung oder beim Abschließen von Mobilfunk- und Versicherungsverträgen.

Kulturwandel und Change Management

Ohne einen weitgreifenden Wandel in der Unternehmenskultur sind solche Initiativen auf Dauer nicht zu stemmen, ist sich der COO sicher. Schon Ende 2016, damals noch in anderer Funktion für Strategie und digitale Transformation verantwortlich, gründete er eine Abteilung für Cultural Change. Sie war die Keimzelle für einen Bereich, der heute auch die organisatorische Heimat für Agile Coaches bildet.

Dass eine IT der zwei Geschwindigkeiten, einst von Gartner mit dem Begriff der Bimodal IT geprägt, Change-Prozesse entscheidend voranbringt, glaubt Hessenmüller nicht: "Entweder die ganze Bank macht den Schritt oder es gibt immer wieder Reibungen." Das ausgegründete Schnellboot neben dem traditionellen Organismus funktioniere nicht nachhaltig. "Man muss die komplette IT, das Produkt-Management und alle beteiligten Einheiten auf die Reise mitnehmen."