Verdi-Warnstreik an sieben Flughäfen

Das Flug-Chaos dauert an

17.02.2023
Die Geduld der Flugpassagiere wird weiterhin auf die Probe gestellt. Doch der ganztägige Ausstand an mehreren deutschen Flughäfen kommt - anders als die IT-Probleme der Lufthansa - mit Vorwarnung.
Das Chaos im deutschen Luftverkehr geht weiter.
Das Chaos im deutschen Luftverkehr geht weiter.
Foto: Billion Photos - shutterstock.com

Nach Schätzungen des Flughafenverbandes ADV sind an diesem Freitag knapp 300.000 Passagiere von Flugausfällen betroffen, weil die Gewerkschaft Verdi ganztägig sieben deutsche Flughäfen bestreikt. Die Flughäfen Frankfurt, München, Stuttgart und Hamburg kündigten an, den regulären PassagierbetriebPassagierbetrieb für den gesamten Freitag einzustellen. Top-Firmen der Branche Transport

Nach ADV-Berechnungen wird der Warnstreik zu gut 2.340 Flugausfällen führen. "Über 295.000 Passagiere werden zum Spielball der Verdi-Streiktaktik", kritisierte der Verband und sprach von einer "beispiellosen Eskalation". Die Ausstände hätten mit Warnstreiks nichts mehr zu tun, meinte auch der Präsident des Branchenverbands BDL und Münchener Flughafenchef, Jost Lammers. "Hiermit überspannt Verdi den Bogen völlig und trägt den Tarifkonflikt auf dem Rücken der Passagiere aus."

Chaotische Woche

Am Donnerstag hatte sich der Betrieb der LufthansaLufthansa gerade erst wieder normalisiert, nachdem am Mittwoch die IT-Systeme der größten deutschen Airline zusammengebrochen waren. Ursache für mehr als 230 Flugausfälle in Frankfurt war ein am Vortag von einem Bagger verursachter Kabelschaden an einer Bahnstrecke in Frankfurt. Ebenfalls am Donnerstag versuchten HackerHacker, die Webseiten sieben kleinerer Flughäfen mit einer Vielzahl gezielter Anfragen zu stören. Top-500-Firmenprofil für Lufthansa Alles zu Hacker auf CIO.de

Von der Verdi-Arbeitsniederlegung sind auch Dortmund, Hannover und Bremen betroffen. Der Warnstreik soll am frühen Freitagmorgen beginnen und in der Nacht auf Samstag enden. Nach der ADV-Statistik für das Jahr 2022 stehen die sieben Flughäfen für knapp zwei Drittel (64,5 Prozent) des Passagieraufkommens in Deutschland. Überraschend rief Verdi am Donnerstag noch zu einem Warnstreik am Leipziger Flughafen auf, der am selben Tag um 15.00 Uhr beginnen und bis Freitag, 6.00 Uhr, dauern sollte.

Mit dem Ausstand wollen die Beschäftigten ihren Forderungen im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen Nachdruck verleihen. Neben dem öffentlichen Dienst gibt es zudem örtliche Verhandlungen für die Bodenverkehrsdienste sowie eine bundesweite Tarifrunde für die Luftsicherheit.

Forderung nach 10,5 Prozent mehr Einkommen

Verdi und der Beamtenbund DBB fordern im Tarifstreit des Öffentlichen Dienstes 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen. Die Laufzeit soll zwölf Monate betragen. Die Arbeitgeber haben die Forderungen zurückgewiesen. Die zweite Verhandlungsrunde ist für den 22. und 23. Februar in Potsdam geplant. Ein Angebot der Arbeitgeber liegt bislang nicht vor.

Der reguläre Passagierbetrieb werde in Frankfurt am Freitag nicht möglich sein, teilte die Betreiberin FraportFraport mit. Ausgenommen seien Notflüge für militärische oder medizinische Zwecke und Notfälle. Allein in Frankfurt wurden für Freitag 1.005 Flugbewegungen mit 137.000 Passagieren gestrichen. Fraport rief die Fluggäste auf, nicht zum Flughafen zu kommen und sich bei ihrer Fluggesellschaft zu informieren. Auch Umsteiger sind betroffen. Top-500-Firmenprofil für Fraport

Luftverkehr für Streikaktivitäten sehr anfällig

Die Lufthansa muss alleine an ihren wichtigsten Standorten Frankfurt und München rund 1.300 Flüge streichen, wie Personalchef Michael Niggemann erklärte. Das belege erneut, wie verletzlich und anfällig das System Luftverkehr durch Streikaktivitäten sei. Tausende Passagiere müssen auf andere Flüge oder die Bahn umgebucht werden, die mit einer hohen Auslastung rechnet.

Verdi-Vizechefin Christine Behle hatte erklärt, dass über Notdienste Hilfsflüge ins türkisch-syrische Erdbebengebiet vom Streik ausgenommen werden. Zudem könnten Hilfsgüter über den nicht bestreikten Flughafen Frankfurt-Hahn ausgeflogen werden. Es fällt aber auch an den sieben bestreikten Flughäfen eine unbekannte Zahl von Passagierflügen aus, die zumindest theoretisch Hilfsgüter als Beiladung hätten transportieren können. Für Freitag geplante Frachtmaschinen der Turkish Airlines und der Lufthansa CargoLufthansa Cargo sollen nach Auskunft der Airlines starten dürfen. Top-500-Firmenprofil für Lufthansa Cargo

Der Warnstreik findet zum Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz statt, die als eines der wichtigsten Treffen zur Sicherheitspolitik weltweit gilt. Von der Aussetzung des normalen Passagierbetriebs in München sind Flüge für die Sicherheitskonferenz ausgenommen, betonte der Flughafen. Die Konferenz arbeite daran, die Anreise der Teilnehmer gewährleisten zu können. Behle hatte die Anreise mit der Bahn oder über den Flughafen Nürnberg empfohlen.

Die Verdi-Vizevorsitzende verteidigte den ganztägigen Warnstreik, der von Kundgebungen und Demonstrationen begleitet werden soll. "Die Beschäftigten, die gerade an den Flughäfen häufig prekär beschäftigt sind, brauchen jetzt Zeichen von den Arbeitgebern, dass sie sich bewegen, und sie brauchen vor allem schnell deutlich mehr Geld - denn jetzt sind ihre Kühlschränke zu füllen, hohe Mieten zu zahlen und extrem gestiegene Energiekosten zu begleichen."

Eine Urabstimmung habe man nicht durchgeführt, weil die Verhandlungen noch nicht gescheitert seien. Das gemeinsame Vorgehen der drei Berufsgruppen entlaste sogar die Flughäfen und die Passagiere, meinte Behle. "Mit ihnen allen gemeinsam an einem Tag zu streiken, bedeutet für die Flughäfen, dass sie sich nur auf diesen einen Tag einrichten müssen und nicht an unterschiedlichen Tagen bestreikt werden."

Die Arbeitgeber der Luftsicherheitsbranche kritisierten den Ausstand. Ihr Verband BDLS wehrt sich gegen die gewerkschaftliche Strategie, dass seine Verhandlungen mit denen des Öffentlichen Dienstes und der Bodenverkehrsdienste verquickt werden. "Verdi macht gemeinsame Sache mit mehreren anderen Gewerken, und so verschwimmen für Außenstehende die Ziele und Grenzen des Streiks. Dies wird ganz bewusst so ausgenutzt" sagte BDLS-Verhandlungsführer Rainer Friebertshäuser. (dpa/rs)

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