Healthcare IT


Interview mit Peter Reuschel

"Elektronische Gesundheitskarte ist nicht optimal vermarktet worden"

04.04.2007
Peter Reuschel, Vorstandsvorsitzender des Walldorfer Gesundheitsakte-Spezialisten Inter Component Ware rückt die Eigenverantwortung der Patienten in den Vordergrund. Die elektronische Gesundheitsakte sei dazu das geeignete Inmstrument.

CIO: Sie sagten im Rahmen der IDC-Gesundheits-Konferenz, dass die Große Koalition mit dem Thema Gesundheit im Kontext der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) „nicht ehrlich" umgegangen sei. Was meinen Sie damit?

Peter Reuschel von Inter Component Ware sieht nach einer langen Durststrecke jetzt die Zeit für die Gesundheitsakte endlich gekommen.
Peter Reuschel von Inter Component Ware sieht nach einer langen Durststrecke jetzt die Zeit für die Gesundheitsakte endlich gekommen.

Peter Reuschel: Die große Koalition hat bei der aktuellen Gesundheitsreform keine Begrenzung des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherungen vorgenommen und eine solche Maßnahme ist auch künftig nicht von ihr zu erwarten. Wir werden aber bei der aktuellen demographischen Entwicklung an mehr Eigenverantwortung der Bürger mittel- bis langfristig nicht vorbeikommen. Wenn der Bürger mehr Eigenverantwortung übernimmt und mehr Gesundheitsleistungen aus der eigenen Tasche finanziert, dann will er auch mehr Informationen zu seinen Behandlungsalternativen inklusive ihrer Erfolgswahrscheinlichkeit haben. Diese Informationen müssen sich an seinem persönlichen Kontext orientieren, damit er sein Geld zielgerichtet einsetzen kann. Der technologische Fortschritt - besonders elektronische Gesundheitsakten - ermöglichen diese kontextspezifische, allgemeinverständliche Information. So kann der Bürger im Zusammenspiel mit seinen Ärzten eine größere Eigenverantwortung bei seiner Krankheitsprävention und -behandlung übernehmen.

Warum hat die eGK die ursprünglichen "Ziele nicht erreicht"?

Das eGK-Projekt hat seine ursprünglichen Ziele in Richtung größerer Transparenz und mehr Arzneimittelsicherheit noch nicht erreicht - das wird erst möglich sein, wenn die eGK und ihre vernetzende Telematikinfrastruktur als Basis genutzt wird, neue Anwendungen einzuführen. Eine zentrale Anwendung der eGK, die sogar im Gesetz als freiwillige Anwendung genannt ist, ist die persönliche Gesundheitsakte, mit der Bürger ihre Gesundheits- und Medikationsdaten ihren Ärzten jederzeit und überall sicher zur Verfügung stellen können. Erst mit diesen umfangreichen Gesundheitsinformationen können automatische Wechselwirkungs- und Gegenanzeigen-Checks dazu beitragen, die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen. Dann können Ärzte ihre Behandlung an bekannte Vorerkrankungen und andere Therapien des Patienten anpassen und so bessere und schnellere Behandlungsergebnisse erzielen. Zudem lassen sich Doppeluntersuchungen vermeiden.

Ist die eGK "falsch vermarktet" worden?

Eindeutig ja. Das Kartenprojekt ist nicht optimal vermarktet worden. Die Karte legt die wichtige und unverzichtbare Vernetzungsbasis für nutzenbringende Mehrwertanwendungen. Allerdings wird sie ohne diese Anwendungen nie den vollen Nutzen bringen können. Die Krankenkassen haben das erkannt und interessieren sich aktuell verstärkt für die eGA. Der Gedanke setzt sich aber auch bei innovativen Kliniken, niedergelassenen Ärzten und Apothekern mehr und mehr durch. Jetzt ist es wichtig, dass auch die Bürger erkennen, dass sie mit einer persönlichen Gesundheitsakte ihre eigene medizinische Versorgung verbessern können.

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