Kommando-Systeme

Gute Zuhörer

Horst Ellermann ist Herausgeber des CIO-Magazins und Ambassador für CIOmove in Deutschland.

Zwei Wochen nach Einführung des Systems lag die Produktivität bei nur 97 Prozent der Zettel-und-Bleistift-Lösung. Lagerarbeiter Bogoslaw berichtet, dass er damals rund drei- bis fünfmal am Tag Zahlen wiederholen musste. Das ist heute anders, denn das System hat von selbst gelernt. Nachhilfe hatte Pick by Voice auch beim Funken nötigt. "Nasse Waren dämpfen die Strahlung", erklärt Dietmar Bothe von Topsystem die Empfangsprobleme im WLAN. Besonders bei den Lagerplätzen der so genannten Schnelldreher, den Produkten, die nicht lange liegen, stockte der Funkverkehr, weil zu viele Mitarbeiter ihre Daten gleichzeitig an Empfänger in der Nähe geschickt haben. "Das haben wir unterschätzt", gibt Jiménez zu. Mit zusätzlichen Access Points konnten die Netzwerk-techniker das Funkloch schließen.

Technologie nicht aufzuhalten

Dennoch schlägt der Spott über Misserfolge immer erst den Spracherkennern entgegen - die enttäuschten Erwartungen aus dem Medien-Hype der 90er-Jahre wirken nach. Die Anbieter wehren sich: Sie haben auf der diesjährigen Cebit den Branchenverband Voice Applications Standards Committee e.V. - kurz: Vascom - gegründet. "Vascom soll deutlich machen, wie selbstverständlich Sprachportale heute schon sind", sagt der Vorsitzende, Christoph Pfeiffer. Bis zu 20000 Wörter könnten Dialogsysteme unabhängig vom Sprecher erkennen; gerade im Mobilbereich ließe sich die Technik kaum noch aufhalten. Die Prognosen von Forrester, Meta Group und IDC geben Pfeiffer Recht: Für die nächsten drei Jahre sollen Sprachtechnologien zweistellige Wachstumsraten erreichen - die verstehenden ebenso wie die sprechenden Systeme.

Vascom soll außerdem der StandardisierungStandardisierung dienen. Auf der Internet-World in Berlin haben die Mitglieder - darunter IBM, Lufthansa Systems, Philips, Samsung und zahlreiche kleinere Spracherkenner - erstmals über die Vereinheitlichung der Dialogsysteme nachgedacht. Davon würden in erster Linie die Kunden von Callcentern profitieren, die sich heute mit dummen Maschinen unterhalten müssen. Mit stets gleichen Befehlen wie "weiter" oder "zurück" könnten sie sich einheitlich durch die Menüs navigieren oder einen menschlichen Mitarbeiter anfordern. Bislang gibt es unterschiedliche Menüführungen und Befehle. Kunden wie Lekkerland-Tobaccoland bestimmen die Kommissionieranleitung und somit ihre zehn Kommandos selbst. Alles zu Standardisierung auf CIO.de

Jiménez geht davon aus, dass sich die Mühe mit Pick by Voice gelohnt hat und sich die Anschaffungskosten bald amortisieren. Lekkerland-Geschäftsführer Ludwig Zeus prognostiziert: "In knapp über zwei Jahren wird sich das Ganze für uns rechnen." Ausgegeben hat Zeus bisher eine überschaubare Summe. Mit 3000 bis 4000 Euro gibt der Hersteller den Preis für ein Gerät inklusive Sprachlizenz an. Hinzu kommen die Access Points für das WLAN und zentrale Server, die jeweils 15 bis 20 Sprach-erkenner bedienen. Die Absehbarkeit des Return on Investment begründet Zeus unter anderem durch einen Qualitätszuwachs bei den Packarbeiten: "Wir haben die Fehlerquote beim Kommissionieren halbiert."

Sollten die Gespräche mit dem Betriebsrat positiv verlaufen und die weiteren Ergebnisse der Testphase die Erwartungen bestätigen, so plant Zeus, noch in diesem Jahr drei weitere Geschäftsstellen mit Pick by Voice auszustatten. Bislang habe man sich nur auf eine vorläufige Vereinbarung geeinigt, bei der die Lagerarbeiter den Durchschnitt ihrer letzten zwölf Monatsprämien als Leistungskomponente zugesichert bekamen. Zeus ist jedoch zuversichtlich, sich mit den Arbeitnehmervertretern auch über einen Rollout einigen zu können: "Die Mitarbeiter haben dem System die Note zwei gegeben." Lediglich eine Kollegin habe geäußert, dass sie lieber herkömmlich weiterpacken wolle.

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