Die künftige Rolle des CIOs – Teil 6

Jeder muss ein digitaler Leader werden

Patrick Naef ist Partner bei Boyden Executive Search und sitzt im Verwaltungsrat der Franke Group, einem weltweit agierenden Industrieunternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz. Er ist auch Gründer und CEO der ITvisor GmbH, einer Boutique-Beratungsfirma, die sich auf die Beratung von Organisationen bei der Digitalen Transformation und auf Coaching von IT-Führungskräften spezialisiert hat. Zudem ist er aktiv als Verwaltungsrat und Advisor für Startup-Unternehmen, doziert an Universitäten und sitzt in Advisory Boards von mehreren Venture Capital Firmen im Silicon Valley. Von 2006 bis Juni 2018 war er CIO bei Emirates Airline & Group in Dubai. 
Die Verantwortung für die Digitalisierung an einen Chief Digital Officer zu delegieren, führt oft nicht zum erwünschten Resultat. In einer vernetzten und digitalen Welt muss jede Führungskraft selbst zu einem Digital Leader werden.

Als digitale Transformation vor einigen Jahren zum heißen Thema wurde, ernannten viele Unternehmen, die nicht wussten, wie sie damit umgehen sollten, einfach einen Chief Digital Officer (CDO). Sie hofften, dass er oder sie ihre Digitalisierungsprobleme schon lösen würde.

IT ist für jedes Unternehmen so strategisch, dass die Verantwortung für die Technologie nicht mehr an einen CIO oder CDO delegiert werden kann.
IT ist für jedes Unternehmen so strategisch, dass die Verantwortung für die Technologie nicht mehr an einen CIO oder CDO delegiert werden kann.
Foto: patpitchaya - shutterstock.com

Die Technologie verändert und definiert die Zukunft eines jeden Unternehmens neu. Sie ist zu einem der wichtigsten strategischen Faktoren eines jeden Unternehmens geworden, genauso wie die personellen und finanziellen Ressourcen. Obwohl natürlich von jeder Führungskraft erwartet wird, dass sie mit Menschen und finanziellen Ressourcen umzugehen weiss, ist es immer noch weitgehend akzeptiert, dass Technologiefragen an eine separate Instanz oder Person delegiert werden können. Viele Führungskräfte besitzen noch immer nicht die nötigen Kompetenzen.

Ob dies nun an einen CTO, einen CIO oder einen CDO delegiert wird, macht keinen wesentlichen Unterschied. Das Muster ist immer noch dasselbe: Technologie wird nicht als strategischer Faktor betrachtet und immer noch nicht als Schlüsselkomponente des Kerngeschäfts gesehen, was dahingehend interpretiert wird, dass sie an jemand anderen delegiert werden kann. Mit dem wachsenden Ruf nach DigitalisierungDigitalisierung versuchen viele Unternehmen, diese Lücke durch die Einstellung eines CDOs zu füllen. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

CDOs werden berufen, um die digitale Agenda eines Unternehmens voranzutreiben. Aber sie versuchen dann oft, ihr eigenes "Imperium" aufzubauen. Dies liegt daran, dass die meisten dieser "erfahrenen Führungskräfte" immer noch traditionelle hierarchische Manager sind und nicht die aufgeschlossenen Führungskräfte, die in der digitalen und vernetzten Welt für eine solche Rolle erforderlich wären.

Sie arbeiten oft am Aufbau eines digitalen Geschäftsbereichs, der digitale Produkte und Dienstleistungen auf dem Markt anbietet, die getrennt von den etablierten Geschäften sind. Das wiederum führt zu Konkurrenzsituationen mit dem traditionellen Business. Es erzeugt auch Spannungen, die das Unternehmen eher lähmen, als die Wettbewerbsposition auf dem Markt zu verbessern.

Zusehends wächst aber die Einsicht, dass die IT zu einer wichtigen strategischen Komponente jedes Unternehmens geworden ist. Hinzu kommt die unbestrittene Notwendigkeit der Digitalisierung, damit Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben. Deshalb bin ich überzeugt, dass die Zeit des CDOs vorbei ist!

Die meisten Unternehmen distanzieren sich mittlerweile vom Konzept des CDO. Sie haben erkannt, dass die Digitalisierung nicht als eigenständige Disziplin mit einer separaten Organisation etabliert werden kann. Während ein gut etablierter und geschäftsorientierter CIO als Enabler der Digitalisierung und als Katalysator fungieren kann, um seinen Geschäftskollegen zu helfen, digitaler zu werden, muss letztlich jede Führungskraft selbst eine digitale Führungskraft, ein Digital Leader werden. IT ist für jedes Unternehmen so strategisch, dass die Verantwortung für die Technologie nicht mehr an einen CIO oder CDO delegiert werden kann.

In den letzten Jahren gab es viele Artikel über neue CxO-Rollen, die erfunden und eingeführt wurden, sobald das Thema "x" für das Unternehmen wichtig und strategisch wurde. Der deutsche Autohersteller VW führte Anfang 2019 einen Chief Software Officer ein. Das Management hatte erkannt, dass sich mit der VirtualisierungVirtualisierung von physischen Objekten Hardware zunehmend Richtung Software entwickelt und diese daher für das Geschäft strategisch wird. Andere, die sahen, dass sich niemand mit der Vernetzung und Digitalisierung ihrer Produkte beschäftigte, führten einen Chief IoT Officer ein, wieder andere einen Chief Transformation Officer, einen Chief Innovation Officer, einen Chief Data Officer oder einen Chief Cybersecurity Officer. Alles zu Virtualisierung auf CIO.de

Es scheint so, dass immer dann, wenn jemand in der Firma seine Arbeit nicht richtig machte oder in der Vergangenheit stecken blieb, einfach eine neue CxO-Rolle geschaffen wurde. Damit sollte die Lücke gefüllt werden, anstatt zu hinterfragen, ob sich die bestehenden C-Level-Führungskräfte wirklich noch um die wichtigsten Themen für das Unternehmen kümmern. Infolgedessen riskierten viele Unternehmen, mit einer ganzen Fülle solcher C-Titel zu enden, anstatt zu klären, was sie von ihren bestehenden Führungskräften im digitalen Zeitalter erwarten.

Wenn es einem Business-orientierten CIO gelingt, die digitale Agenda voranzutreiben, sich für Innovation durch Technologie einzusetzen, das Unternehmen zu befähigen, Technologie als Wettbewerbsvorteil einzusetzen sowie die erforderliche digitale Kompetenz aufzubauen und Geschäftskollegen bei der Anpassung der digitalen FührungFührung zu unterstützen, dann besteht kein Bedarf für einen CDO. Alles zu Führung auf CIO.de

Etwas überspitzt ausgedrückt, würde ich sagen: Wenn ein Unternehmen einen CDO einstellt, hat vermutlich der CIO seine Arbeit nicht richtig gemacht hat - zumindest nicht die Arbeit, die von einem modernen und zukunftsorientierten CIO heute erwartet wird. Dabei spielen sicher auch Stellenbeschreibungen eine Rolle, die vor Jahrzehnten geschrieben wurden und veraltet sind. Am Ende muss sich vor allem auch die Rolle des CIOsRolle des CIOs ändern. Anderenfalls werden CIOs - genau wie die CDOs - bald überflüssig, wenn die Geschäftbereiche selbst digitaler werden. Alles zu Rolle des CIO auf CIO.de

Weiterlesen:
Die künftige Rolle des CIOs - Teil 1: Mehrwert schaffen mit IT
Die künftige Rolle des CIOs - Teil 2: Von der Support-Funktion zum Kern des Unternehmens
Die künftige Rolle des CIOs - Teil 3: Produkt- und Prozesstechnik verschmelzen
Die künftige Rolle des CIOs - Teil 4: Die Virtualisierung der "Dinge" kommt
Die künftige Rolle des CIOs - Teil 5: Open Innovation muss auf die Agenda

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