Karriere neu überdenken

Was Führungskräfte künftig können müssen

22.03.2010
Von Helene Endres und Klaus Werle

Konkreter noch als in komplexen Firmenstrukturen geben die Krisenereignisse den Führungskräften selbst Gelegenheit zum Überdenken eingefahrener Muster und zur Selbstreflexion. Obwohl sich die Manager-Community nach außen stoisch-zupackend präsentiert, sitzt die Verunsicherung tief. Über Ereignisse, die man kaum beeinflussen konnte, die sich aber in hässlichen Phänomenen wie Beförderungsstopp und Freistellung manifestierten. "Gerade die manische Aktivität des 'Weiter so' einiger Manager überdeckt oft nur eine latente depressive Verstimmung", sagt der Psychologe und Coach Joachim Wanik.

Kein Wunder: Ganze Lebensentwürfe wurden in der Krise geschreddert; jede fünfte Führungskraft gab in einer Umfrage von manager magazin an, die persönlichen Karriereperspektiven hätten sich seit Mitte 2008 deutlich verschlechtert. Nicht wenige Manager stehen - gezwungenermaßen oder aus freien Stücken - vor der Frage, ob sie wirklich weitermachen sollen wie bisher.

Das Nachdenken über sich selbst, einst als weicheierische Eso-Marotte verlacht, gewinnt derzeit enorm an Auftrieb. "Die Unsicherheit, mit der Manager umgehen müssen, wird immer stärker", sagt Andreas Hackethal, Dekan der Goethe Business School (GBS). "Statt sich an Fünfjahresplänen festzuhalten, müssen sie immer kurzfristiger und flexibler agieren - und zugleich die langfristigen Folgen abschätzen können." Da hilft es, wenn man erst einmal sich selbst kennenlernt. Die GBS hat sich deshalb von der reinen Wissensvermittlung verabschiedet: Ein Viertel des kürzlich umgebauten Curriculums widmet sich der Persönlichkeitsentwicklung, inklusive Coaching.

Draußen in der Realwirtschaft ist der Veränderungswille noch die Ausnahme. Sicher, die Großsprecher haben Sendepause, aber die meisten ducken sich unter ihre Schreibtische und hoffen, dass der Sturm vorüberzieht. Der Mensch ist ein Verdrängungskünstler. So wie die Firmen ihre Riskmanagement-Abteilungen aufgestockt und überall doppelte Sicherungen eingezogen haben, so vorsichtig agieren auch die meisten Führungskräfte. Jetzt bloß nichts falsch machen, wer sich bewegt, verliert. Deutschland, die Bundes-Mikado-Republik.

Mut zu neuer Karriere

Claudia Vogel (42) hatte den Mut zum Schnitt. 13 Jahre arbeitete die studierte Energie- und Verfahrenstechnikerin bei einem großen deutschen Automobilkonzern, zuletzt als interner Consultant für Veränderungsprozesse. Man bot ihr an, ihr letztes Projekt auszuweiten auf den gesamten Personalbereich. Mehr Verantwortung, Bericht direkt an den Vorstand - doch Vogel lehnte ab. Der grassierende Sparzwang und die mittelfristigen Aussichten einer Branche, die nur langsam in Richtung Klimaschutz umschwenkt, brachten sie ins Grübeln. "Mir war es zu wenig, immer nur mehr vom Selben zu erleben, statt in der Krise einen Katalysator zu sehen, um auf lange Sicht etwas zu verändern", sagt Vogel.

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