Business Intelligence

Ausverkauf im BI-Markt

02.05.2008 von Thomas Pelkmann
Der Markt für Business-Intelligence-Lösungen ist durch die Übernahmen des Jahres 2007 in Bewegung geraten. Ob dies auch zu einer Konsolidierung der Produkte und zu Synergien bisher konkurrierender Dienstleistungen führt, untersuchen eine neue Studie von BARC und der BI Survey von Nigel Pendse.

Im Januar des vergangenen Jahres übernahm das kanadische Unternehmen Cognos den Dashboard-Spezialisten Celequest und eröffnete damit eine ganze Reihe spektakulärer Firmenkäufe im Markt der Business-Intelligence-Anbieter. Die Übernahmeschlacht endete vorerst im November desselben Jahres kurioserweise damit, dass Cognos von IBM geschluckt wurde. Ein ähnliches Schicksal erlitt das französische Unternehmen Business Objects, das im Laufe des Jahres zunächst Cartesis, Fuzzy und Inxight übernahm, um seinerseits im Oktober für geschätzte 6,8 Milliarden US-Dollar in den Besitz von SAP überzugehen. Nimmt man noch den Kauf von Hyperion durch Oracle hinzu, haben die drei Großen des BI-Marktes insgesamt rund 15 Milliarden US-Dollar auf den Kopf gehauen, um über die eigenen Anteile hinaus weitere Stücke des Marktes zu erobern. Nur der Vierte in der Riege der Big Player, Microsoft, investierte statt in Zukäufe vor allem in den Ausbau eigener BI-Werkzeuge.

"Jetzt Produktportfolios neu ordnen!"

Nach Einschätzungen des Business Application Research Center (BARC) in Würzburg, das gerade eine Umfrage unter allen BI-Anbietern in Deutschland abgeschlossen hat, lassen sich diese Übernahmen - so auch die von OutlookSoft, das sich SAP auf seiner Einkaufstour schon im Mai einverleibte - "weder durch die Dominanz des Unternehmens in einem bestimmten Marktsegment erklären noch durch ein besonders schnelles Wachstum rechtfertigen". Es scheine vielmehr so zu sein, so die BARC-Analysten Carsten Bange und Patrick Keller, "dass die Übernahme von OutlookSoft als Antwort auf die Übernahme von Hyperion durch Oracle zu interpretieren ist, da sich Oracle hierdurch als direkter Konkurrent zu SAP aufstellt". Allerdings habe Oracle für Hyperion, gemessen am Umsatz, nur rund die Hälfte bezahlt.

"Jetzt", so die Forderung von Bange und Keller zu den vielen Übernahmen, "müssen die Produktportfolios der großen Anbieter neu geordnet und auch die den Finanzanalysten versprochenen Synergien durch die Zusammenführung von Produktlinien erzielt werden."

Die BI-Anbieter selber gehen davon aus, dass sich das Thema "Operational BI" zum Megatrend der kommenden Jahre entwickeln wird. Dabei liefert BI nicht nur Entscheidungshilfen für die strategische Unternehmensplanung des Top-Managements, sondern bewegt sich in Richtung operativer Prozesse und verbreitet sich damit mehr und mehr über das gesamte Unternehmen.

Das ist eine der Kernaussagen einer BARC-Umfrage unter Anbietern von BI-Lösungen in Deutschland, aus der das CIO-Magazin exklusiv die ersten Tendenzen präsentiert. Mit diesem Megatrend einher geht die Entwicklung hin zur "BI for the masses", dessen Ziel es ist, auch weniger versierten Anwendern die Nutzung strukturierter Geschäftsinformationen zu erleichtern. Das Würzburger Unternehmen hat erst kürzlich sämtliche rund 120 Anbieter von BI-Lösungen in Deutschland nach ihren Software-Umsätzen sowie zu ihren Ansichten über die Entwicklung des Marktes interviewt. Die vollständige Studie wird erst im Mai auf der BARC-Website zu sehen sein.

Befragt, warum Unternehmen in BI investierten, antworteten die Anbieter unter anderem mit dem Verweis auf die bessere Unterstützung und Optimierung unternehmenseigener Prozesse, dem Wunsch nach Kostenersparnis und Effizienzsteigerung sowie nach mehr Planungs- und Entscheidungssicherheit. Auch gesetzliche Bestimmungen wie der Sarbanes-Oxley Act (SOX) sowie eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit seien Motivation für die Einführung solcher Systeme.

Kleine Anbieter zeigen sich gelassen

Interessant ist die Einschätzung der Anbieter aber auch für die Entwicklung des eigenen Marktes. Dies sehen der BARC-Umfrage zufolge vor allem die zahlreichen kleinen Produzenten von BI-Lösungen erstaunlich gelassen - trotz der massiven Zukäufe der jüngsten Vergangenheit. So gehen viele Hersteller davon aus, dass ihre Marktchancen in der Zukunft mindestens gleich bleiben, wenn nicht sogar besser sein werden als bisher, was unter anderem mit der größeren Aufmerksamkeit für Business Intelligence in den Unternehmen zu tun haben mag, die sich in den verstärkten Aktivitäten der Global Player niederschlägt. Die Konsolidierung, so glauben viele, erhöhe durch den Platzgewinn am Markt eher noch die Chancen aller.

Business-Intelligence-Anwendungen zählen nach wie vor zu den Wachstumssegmenten im IT-Markt - getrieben insbesondere durch die zahlreichen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die den Großunternehmen nun bei der Einführung von BI-Lösungen folgen. "Wir rechnen für dieses Jahr mit einem Wachstum von circa fünf Prozent auf rund 310 Millionen US-Dollar für Software-Lizenzen und Maintenance in Deutschland", fasst Frank Naujoks, Projektleiter einer IDC-Studie zum Thema BI, die Aussichten für dieses Jahr zusammen. Dabei gehen die Analysten von IDC ebenso wie die von BARC davon aus, dass sich einige der Marktführer erneut auf die Suche nach Akquisitionsobjekten begeben werden, um ihr BI-Portfolio abzurunden.

Aus der Sicht von BARC sind die drei großen verbleibenden Anbieter SAS, Information Builders und MicroStrategy allesamt potenzielle Übernahmekandidaten nicht nur für die Big Four, sondern auch für weitere Unternehmen, die in den lukrativen BI-Markt drängten. Insofern sei nicht zu erwarten, dass es bald nur noch vier Anbieter geben werde, so BARC-Geschäftsführer Carsten Bange. Sogar SAP als Marktführer erreiche gerade mal einen Anteil von 17 Prozent.

Auf die Größe kommt es nicht an

Neben der Marktentwicklung spielen aber auch qualitative Faktoren im BI-Markt eine wichtige Rolle. Das ist das Ergebnis der BI Survey 7, einer herstellerunabhängigen Umfrage unter mehr als 2.000 Teilnehmern aus 60 Ländern - in der überwiegenden Anzahl Anwender -, die der britische IT-Berater und Analyst Nigel Pendse zusammen mit BARC durchgeführt hat und deren Ergebnisse nun vorliegen. Hier schneiden die großen Anbieter nicht automatisch auch am besten ab - im Gegenteil: Gerade Marktführer SAP kommt im Urteil der Anwender denkbar schlecht weg. So müssen Firmen, die mit BI-Lösungen des Walldorfer Unternehmens arbeiten, der Studie zufolge mit der geringsten Wahrscheinlichkeit leben, für ihr Business irgendeinen Benefit zu erzielen. Zudem seien hier die Kosten für die Lizenzen und für die Einführung der Systeme am höchsten, und es dauere mit SAP am längsten, diese Systeme im Unternehmen einzuführen.

Je länger aber die Einführung dauere, so eine weitere Erkenntnis der Studie, desto weniger erfolgversprechend sei ein BI-Projekt. Ergebnisse, die SAP mit Verweis auf anderen Studien kaum nachvollziehen kann: "Im aktuellen Gartner-MQ-Report heißt es beispielsweise über unsere aktuelle Plattform: "Vor allem der von SAP entwickelte BI Accelerator hat die Messlatte für die Konkurrenz sehr hoch gelegt, was die Skalierbarkeit von Daten und die reine Performance angeht", zitiert Hilmar Schepp, Pressesprecher der SAP für Applikationen und Technologie in EMEA. "Mit der Akquisition des Marktführers Business Objects bedienen wir noch stärker das Business-User-Segment in diesem Markt. Und mit noch umfassenderen Abfrage- und Reporting-Tools gestalten wir die BI-Anwendungen noch nutzerfreundlicher."

Die Umfrage unter BI-Anwendern und IT-Beratern, die in den vergangenen sechs Jahren unter dem Namen "OLAP-Survey" auf dem Markt war, bringt dennoch interessante Zusammenhänge hervor, die mit rein qualitativen Erhebungen nicht möglich wären. So ist es etwa bei der Einführung von BI-Systemen durchaus erfolgskritisch, wer sich im Unternehmen um das Projekt kümmert: Ist das Management für das Rollout verantwortlich, bringt das mehr, als wenn die interne IT dafür zuständig ist. Das Projekt ist zudem für denjenigen erfolgreicher, der sich bei der Einführung von unabhängigen Beratern helfen lässt. Und der Erfolg nimmt folgerichtig aus Anwendersicht ab, wenn herstellernahe Consultants zu Rate gezogen werden. Ein weiterer Erfolgsgarant scheint die Breite zu sein, mit der sich interessierte Firmen über den Markt informieren: Unternehmen, die ihr Produkt über eine Multiplattform-Evaluation gefunden haben, zeigten sich deutlich zufriedener mit dem Ergebnis des Rollouts als jene, die das nicht getan haben. Als Grund vermutet Nigel Pendse zum einen die größere Passgenauigkeit der Lösungen, zum anderen hält er solche Projekte schlicht für gründlicher und sorgfältiger durchgeführt als andere.

Anwender kämpfen mit Performance

Die Notwendigkeit einer gründlichen Findungsphase wird auch durch die Aussage gestützt, derzufolge kein Hersteller ein Produkt anbietet, das alles kann. Zwar setzen Unternehmen im Durchschnitt BI-Lösungen für 4,2 Anwendungen ein - meist Ad-hoc-Abfragen und Analysen, Data-Warehouse-Reports sowie Verkaufs- und Marketing-Analysen. Jedoch streuen sich die Anwendungsszenarien so breit über die Anzahl der 38 in der BI Survey 7 berücksichtigten Produkte, dass Nigel Pendse feststellt: "Das bestätigt, dass es ebenso wenig ein Allzweck-BI-Tool gibt wie einen BI-Anbieter, der alles kann." Umgekehrt kämpfen aber die Anwender jeglicher BI-Suiten einhellig vor allem mit Performance-Problemen ihrer Lösungen; immerhin jeder fünfte Teilnehmer der Studie gab als größte Einschränkung die langsame Abfragegeschwindigkeit an.

Das wiegt umso schwerer, als dass die Studie die Performance als erfolgskritischen Faktor benennt: "Unternehmen, die Abfrage-Performance zum Auswahlkriterium erhoben, waren erfolgreicher als diejenigen, die das nicht gemacht haben." Überraschenderweise nehmen die Beschwerden über mangelnde Performance mit jeder Umfrage zu - unabhängig davon, ob die Leistungsfähigkeit der Abfragesysteme tatsächlich schwächer wird. In Wirklichkeit schwankten die Abfragezeiten bei zunehmend leistungsfähiger Hardware und gleichzeitig stark wachsendem Datenvolumen aber nur geringfügig. "Es hat den Anschein", heißt es daher in der Studie, "dass die Bereitschaft der Anwender im Google-Zeitalter nachlässt, langsame Abfragen zu tolerieren." Das aber wirke sich negativ auf den Erfolg von BI-Projekten aus: Je länger die Abfragezeiten, desto geringer der Business-Nutzen der Anwendungen. Das scheinen die Anbieter von BI-Lösungen nicht sehen zu wollen: Gerade einmal 10,5 Prozent von ihnen erkennen diesen Zusammenhang - ein weites Feld für Verbesserungen in den kommenden Zeiträumen.