Analysten-Geflüster

Die IT-Trends 2006 im Überblick

05.01.2006 von Tanja Wolff
Die Analysten von Gartner, Forrester Research, IDC, Experton Group und Pierre Audoin Consultants (PAC) bestimmen in der IT-Branche die Mode. In den Kleiderschrank der IT-Entscheider gehören 2006 auf jeden Fall: Sicherheit, service-orientierte Architekturen (SOA) und Compliance.

Schön wird etwas immer dann, wenn sich zwei Dinge gut miteinander kombinieren lassen. So wie Vergnügen und Arbeit. Das wissen auch die Marktforscher von Gartner und setzen in diesem Jahr webbasierte Mini-Anwendungen, Spielekonsolen, Google Earth oder Podcasting ganz oben auf die Liste.

Die spielerische Auseinandersetzung soll als Einstieg dienen, um die so genannte zweite Internet-Revolution zu erfassen. Bisher hätten die Verantwortlichen die Bedeutung des Internets eher unterschätzt, sagt John Mahoney, Leiter des Beratungsbereichs IT-Management bei Gartner. Die Verantwortlichen müssten jedoch nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die sozialen Dimensionen des Netzes genau kennen und die Infos dann an die Geschäftsführung weitergeben. "Sonst läuft es umgekehrt. Dann hat der CIO schlechte Karten.“

Um trendmäßig auf Nummer sicher zu gehen, stellt Gartner den IT-Entscheidern auch in diesem Jahr eine Art Handlungsanleitung die "CIO-Resolutions 2006“ zur Verfügung. Wenig überraschend besagt sie, dass unter anderem die strategische Ausrichtung der IT eine wichtige Rolle spielen wird. In vielen Unternehmen sei die IT ein entscheidendes Kriterium für den wirtschaftlichen Erfolg, so John Mahoney. Gleichzeitig sieht der Berater in ihr aber auch die unbeweglichste Abteilung der Firma: "Dazu trägt nicht zuletzt die rein technologische Sichtweise vieler CIOs bei.“ Um das Blatt zu wenden, sollten die Verantwortlichen in diesem Jahr IT-basierte Möglichkeiten für eine Weiterentwicklung der Firma aktiv in den Planungsprozess einbringen. Wichtig ist, dass sie dabei die IT klar als Schlüssel-Infrastruktur positionieren.

Steigende Investitionen für Compliance

Immer mit der Mode gehen zu wollen, hat natürlich auch seinen Preis, daher hat der amerikanische Marktforscher eine Prognose zu den IT-Ausgaben erstellt. Demnach sollen die Ausgaben für Compliance bis 2010 doppelt so stark steigen wie die Investitionen in neue Technologien.

Compliance ist auch das Stichwort für Christophe Châlons, Geschäftsführer von PAC in Deutschland. Basel II, der Sarbanes-Oxley-Act und andere Reglementierungen werden die CIOs in den kommenden zwölf Monaten auf Trab halten. Wichtige Themen werden aber auch CRM- und SCM-Projekte sein, die 2006 endlich umgesetzt werden.

Im Bereich des Business Process Outsourcing (BPO) liegen bei einigen deutschen Firmen bereits Projekte in der Pipeline, der große Durchbruch sei 2006 allerdings noch nicht zu erwarten, so Châlons. "Wir haben beobachtet, dass der IT-Markt eine starke Industrialisierung erlebt“, sagt Châlons. Es gebe immer mehr Angebote sowie starke Rationalisierungen von Delivery-Strukturen durch Service-Center, Near- und Offshore. Außerdem steige die Zahl der multinationalen Projekte in Deutschland.

Ein Trend kann allerdings nicht immer bestimmen, was im Laden letztendlich gekauft wird. Das wissen auch die Analysten der Experton Group, die den Trend zwar in Konvergenz, Mobility und service-orientierte Architekturen (SOA) sehen, sich gleichzeitig aber auch darüber einig sind, dass sich die Unternehmen mit anderen Themen beschäftigen werden. "In den kommenden zwei bis drei Jahren bestimmen immer noch taktische Überlegungen und Reaktionen auf akute wettbewerbsspezifische und gesetzliche Anforderungen die Investitionspolitik bei deutschen Unternehmen“, sagt Andreas Zilch, Vorstandsvorsitzender bei Experton.

IT wird auf das Geschäft ausgerichtet

Zu den wichtigsten Themen zähle in diesem Jahr die Ausrichtung der IT an die Erfordernisse des Geschäfts. IT-Alignment werde auch in den nächsten drei Jahren Priorität bei den CIOs haben. Der Grund: Viele Unternehmen müssen nach wie vor ihre Investitionen in die Technologie verdauen. Bis 2007 werden hauptsächlich Konsolidierungs- und Standardisierungsprojekte sowie Integrations- und Prozessoptimierungsthemen auf der Agenda stehen.

Zu den Trend-Klassikern gehört das Thema Outsourcing. "Dieser Bereich wird auch in den nächsten Jahren zur Wachstumslokomotive des IT-Marktes zählen“, sagt Zilch. Dabei werden Standard-Services zu Sparzwecken in Billiglohnländer ausgelagert. Außerdem betonen Outsourcing-Pläne, mit denen etwas verändert werden soll, den Wertbeitrag für die Positionierung am Markt.

Auch Experton prognostiziert, dass die CIOs nicht um Storage-, Dokumenten-Management und IT-Sicherheit herumkommen werden. Durch das steigende Interesse an mobilen Geräten stehen die Firmen in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Ein weiteres wichtiges IT-Vorhaben sei die Optimierung von ERP-Systemen. Zilch rechnet frühestens 2008 mit dem großen Durchbruch von SOA, Voice Integration, Voice Enabled Web Services und Applikationen. "Anwender sollten die Chance von neuen Technologien und Innovationen gezielt einsetzen, um den Business Value für das Unternehmen zu steigern“, rät Zilch.

Bei den IT-Ausgaben rechnet Experton ebenso wie IDC mit einem anhaltenden Wachstum. Beide gehen davon aus, dass die Investitionen 2006 um mehr als fünf Prozent zulegen werden. Laut IDC werden Firmen besonders in Software, Services und in die Ausstattung des Netzwerks investieren. Für die Marktführer wird es unerlässlich sein, über neue Produkte, Service-Angebote, Geschäftsmodelle und geschäftliche Beziehungen nachzudenken. "Die Annäherung, Konsolidierung und Umordnung in der IT- und Telekommunikationsindustrie wird, wie auch schon in den vergangenen zwei Jahren, 2006 weiter fortschreiten“, sagt Frank Gens, Senior Vice President bei IDC. Ein kritischer neuer Bestandteil sei, dass sich bestehende Geschäftsmodelle durch Open Source bei IT-Produkten und Service-Entwicklungen immer schneller auflösen. "Diese Verlagerung zwingt Anbieter dazu ihre Strategie zum Beginn des Jahres zu überdenken.“

In den kommenden zwölf Monaten wird sich die IT vor allem auf Effizienz und Flexibilität konzentrieren, vermutet Frank Gens. Eine flexible IT sei nötig, um rasch und effizient auf Marktveränderungen zu reagieren. So können mit diesem Konzept unter anderem Business-Strategien schneller entwickelt werden. Der Analyst vermutet außerdem, dass es zu mehr Fusionen im IT- und Telekommunikations-Bereich kommen wird.

Als weiteren Trend sieht IDC, dass sich IT-Leistungen vom Produkt zum Service wandeln. Das war zwar bereits seit einiger Zeit absehbar, aber der Wandel wird sich 2006 beschleunigen. Die Ursache dafür ist, dass große Unternehmen wie IBM, SAP und Oracle bereits gemeldet haben, dass sie eine neue Version von web-basierten Applikations-Lösungen auf den Markt bringen werden.

Veränderte Anbieter-Landschaft

Geschmäcker in Sachen Modetrends sind meist unterschiedlich, doch bei den Marktforschern scheint das nicht der Fall zu sein: Sie sind sich darüber einig, was "in“ ist. Der einzige Punkt indem sie sich unterscheiden ist, in welcher Reihenfolge die Trends gesetzt werden. So widerspricht auch Peter O’Neill, Principal Analyst bei Forrester Research, seinen Kollegen nicht. Für ihn steht allerdings die besser gestaltete Prozessunterstützung an erster Stelle für 2006. "Der Druck auf die CIOs wird stärker, sich als Service zu präsentieren. Das ist sehr wichtig, um auch im Unternehmen besser mitreden zu können.“ Dabei werde die Implementierung von ITIL (IT Infrastructure Library) eine sehr wichtige Rolle spielen.

Auswirkungen auf Deutschland wird 2006 auch die Globalisierungs-Welle haben. "Unternehmen wie HP und IBM investieren in Asien und reduzieren gleichzeitig ihre Aktivitäten in Deutschland, was natürlich enorme Auswirkungen auf die Anbieter-Landschaft mit sich bringt“, sagt O’Neill. Dagegen glaubt er nicht, dass VoIP in diesem Jahr einen großen Stein ins Rollen bringt. Bisher seien nur ein Prozent der Anbieter über VoIP verbunden. Auch SOA sieht der Analyst nicht als eines der Topthemen: "Die Projekte sind da und werden weiter laufen. Es ist fast schon zur Routine geworden.“

Bei den Investitionen sieht er neben Sicherheit und Konsolidierung auch Projektsysteme bei Laptops und PCs ganz oben auf der Liste. "Die Anforderungen an die Geräte sind gewachsen und die Firmen müssen wieder neue PCs einkaufen“, sagt O’Neill. Außerdem meint er, dass mehr Geld in Service-Management-Projekte fließen wird, weil die IT-Organisationen an ihren Personalkosten sparen wollen.

Glücklicherweise ist niemand gezwungen, einen Trend mitzumachen. Wer aber weiß, was sein Unternehmen am besten kleidet, kann sich von Experten inspirieren lassen.