Ausblick von Forrester, Gartner, IDC, PAC, Ovum

Die IT-Trends 2011

11.01.2011 von Alexander Freimark
Alle Analysten rühren für 2011 wieder eigenwillige Zutaten unter ihre Prognosen. Beim Hauptgang sind sich Gartner, Ovum, Forrester, PAC und IDC jedoch einig: Es gibt Cloud-Kraut mit einem Schuss Mobility.
David Cearley Vice President und Fellow, Gartner: "Es wird sich ein breites Spektrum an Cloud-Services zwischen den beiden Extremen Public und Private etablieren."
Foto: Gartner

Fünf Analysten der wichtigsten IT-Marktforschungsunternehmen, sechs Meinungen. Das ist Tradition. Doch plötzlich ist alles anders, denn: "Fünf Analysten, eine Meinung." Und das ist Cloud. Das Thema hat sich bei allen auf der Agenda für 2011 festgesetzt, und selbst hartnäckige Skeptiker müssen sich allmählich eine Strategie zurechtlegen, wie sie ihre bisherige Verweigerungshaltung argumentativ untermauern. Um es kurz zu machen: IT-Leiter, CIOs, Berater und Lieferanten, die im neuen Jahr auf der sicheren Seite sein wollen, müssen sich das Thema Cloud Computing auf die Fahnen schreiben. Das ist zwar größtenteils bereits passiert, aber es kann bekanntlich nicht schaden, sein Engagement stets eine Spur nachdrücklicher zu vertreten.

Top-Ten 2011 - Gartner

1. Cloud Computing - Dynamisches Sourcing

2. Mobile Enterprise-Apps - Plattform der Zukunft

3. Soziale Zusammenarbeit - Social CRM folgt

4. Video - Bewegung im Content-Markt

5. Next-Gen Analytics - Echtzeitsimulationen

6. Social Analytics - Menschen und Stimmungen

7. Kontext-sensitives Computing - Bessere Interaktion

8. Flash-Memory - Schneller lesen und speichern

9. Ubiquitous Computing - Unsichtbar überall

10. Fabric-based Hardware - Modulare Matrix

Extreme von Public bis Private

Für die folgenden fünf führenden IT-Analysten ist klar: Cloud Computing ist einer der IT-Mega-Trends 2011. So sieht Gartner-Analyst David Cearley für 2011 ein "breites Spektrum der Cloud-Services zwischen den beiden Extremen Public und Private Cloud", und für den Ovum-Analysten Mark Blowers stellt sich die Frage gar nicht mehr, "ob Unternehmen Cloud Computing einsetzen" - auch wenn er einräumt, dass Lieferanten und Anwender noch auf der Suche nach den Vorteilen sind, die die verschiedenen Cloud-Spielarten mit sich bringen. "Kein IT-Hersteller wird es sich leisten können, 2011 auf eine Cloud-Offerte oder -Strategie verzichten zu können", ist sich Rüdiger Spies von IDC sicher.

Mega-Trend 2: Mobility

Tobias Ortwein Senior Vice President, PAC: "Produktions-IT wird mit klassischer, kaufmännischer IT verschmelzen."
Foto: PAC

Tobias Ortwein von PAC pflichtet dem bei, geht aber nicht davon aus, dass 2011 viel Geld in die Cloud fließen wird. Er plädiert dafür, den Ball flach zu halten: "Vorrangig werden Consulting-Vorhaben aufgesetzt, um zu lernen, wie sich das Thema sinnvoll nutzen lässt." Private Clouds seien ohnehin überwiegend Virtualisierungsprojekte, wobei er die derzeit im Markt herrschende Meinung aufgreift. "Die meisten IT-Abteilungen müssen sich allerdings erst einmal damit anfreunden, dass die größte Chance im Cloud Computing in der Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells liegt", sagt Stefan Ried, Analyst bei Forrester. Cloud sei kein technologisches Thema, sondern bedeute schließlich einen Paradigmenwechsel bei Angebot und Verbrauch von IT-Ressourcen.

Top-Ten 2011 - PAC

1. Effizienz der IT-Infrastruktur - Konsolidierung

2. Effizienz der IT-Anwendungen - Modernisierung

3. Informations-Management - BI und Analytics

4. Applikations-Management - Auf BPO-Basis

5. Produktions-IT & Business-IT - Integration

6. Cloud Computing - Private vor Public

7. Enterprise Mobility - ERP & BI

8. Fachbereichs-Machtzuwachs - Rolle der IT

9. Standardisierung - Best Practices

10. Lieferantenkonsolidierung - Weniger ist mehr

Ebenfalls ein Dauerbrenner auf der CIO-Agenda ist das Thema Mobility, die Mobilisierung der Mitarbeiter beziehungsweise die Ausdehnung der Enterprise-Applikationen aus dem Büro auf die Straße. Auch die Mobilität hat es als Mega-Trend auf die Top-Ten-Listen der fünf Marktforscher geschafft, und angesichts des aktuellen Hypes um Smartphones kann einem schon etwas bange um die Zukunft des PCs werden."Was wir bislang mit dem Desktop oder dem Notebook gemacht haben, wird zunehmend über das mobile Gerät erledigt", sagt IDC-Analyst Spies. Das Smartphone werde der persönliche Datenspeicher, stets mit herumgetragen und bei Bedarf auf eine Tastatur gesteckt - "ein Ersatz für Notebooks und stationäre PCs“. Gartner-Analyst Cearley schätzt, dass Ende 2010 schon 1,2 Milliarden Menschen weltweit Endgeräte nutzen, "die eine ideale Umgebung für die Konvergenz von Mobility und Web bieten".

Darüber hinaus wird die andere Seite der Verbindung hochgerüstet, die ERP-Systeme, Datenquellen und Analyse-Tools. "Es geht ja nicht nur darum, Spread-sheets auf dem iPad zu öffnen", sagt PAC-Analyst Ortwein. Die schwere Aufgabe liege darin, belastbare Business Cases zu entwickeln und zu implementieren. "Hier muss 2011 der Boden für den Markt bereitet werden." Mehr Informationen schneller überall verfügbar, um Entscheidungen zu unterstützen - die Nachfrage aus den Fachabteilungen habe den Trend zu Mobility angetrieben, sagt Forrester-Analyst Ried: "In den meisten Unternehmen wird Mobility inzwischen eine strategische Bedeutung eingeräumt." Ovum-Analyst Blowers nennt personalisierbare Lösungen und die Wahlmöglichkeit der Nutzer als Erfolgskriterien: "IT-Manager müssen bei ihrer Mobility-Strategie den Nutzerbedarf und die Produktivität sowie die Belange der Enterprise-Security und Compliance miteinander in Einklang bringen."

Mega-Trend 3: BI

Mark Blowers Lead Analyst, Ovum: "Technologien für Mobility, soziale Medien und Cloud Computing bieten Angreifern neue Einfallstore."
Foto: Ovum

Mega-Trend 3 für 2011 ist ebenfalls ein alter Bekannter: "Erfolgreiche Unternehmen verdanken ihre Stellung auch einer besseren Nutzung der vorhandenen Daten. "Deshalb behalten Business Intelligence und Business Analytics weiterhin hohe Priorität“, prognostiziert IDC-Analyst Spies.

Forrester-Experte Holger Kisker verweist mit der Analyse von unstrukturierten Informationen im Firmennetz und aus externen Quellen wie dem Web sowie sozialen Netzen auf eine neue Facette. Hinzu kommen Analysen in Echtzeit sowie vorausschauend auf die möglichen Auswirkungen von Entscheidungen - "moderne BI-Werkzeuge sind gefragter als je zuvor", lautet sein Resümee. "Dafür werden unter Umständen umfangreiche Veränderungen an der bestehenden Infrastruktur nötig", so Gartner-Analyst Cearley. Das Potenzial zur Verbesserung geschäftlicher Ergebnisse sei jedoch gegeben. Auch PAC-Analyst Ortwein sieht in BI und Analytics keinen kurzfristigen Hype: "Da stehen Umsätze dahinter."

Top-Ten 2011 - Ovum

1. IT-Sicherheit - Neue Bedrohungen

2. Daten-Management - Gegen die Flut

3. Business Analytics - Bessere Geschäfte

4. Mobility - Unternehmensstrategie gefragt

5. RZ-Transformation - Wertewandel

6. Cloud Computing - Beschaffen und bereitstellen

7. Collaboration - Neue Modelle und Strukturen

8. I T und Nachhaltigkeit - Vormachen und sparen

9. IT als Business betreiben - Finanz-Management

10. Kontext-sensitives Computing - Mehr Produktivität

So weit ist es trotz des Namens beim Thema "allgegenwärtiges Computing" noch nicht, das hier wegen des Trends zur Konsolidierung in eine Schublade mit dem "kontext-sensitiven" und dem "smarten" Computing sowie "smarten Devices" gesteckt wird. Immerhin vier von fünf Analysten sehen in dem Bereich einen Tagesordnungspunkt auf der CIO-Agenda 2011. Leider kann das Endgerät noch nicht von alleine erkennen, in welchem Kontext es sich gerade befindet: "Es ist daher entscheidend", warnt Ovum-Analyst Blowers, "dass Unternehmen die Auswirkungen des steigenden Volumens von Kontextdaten auf die IT-Umgebung, die Applikationen und die Back-End-Infrastruktur erfassen." Das kontext-sensitive System müsse auf Basis der Daten "proaktiv entscheiden, welche Anforderungen der Nutzer hat, und ihm die am besten geeigneten Inhalte, Produkte oder Services zur Verfügung stellen", erläutert Gartner-Analyst Cearley.

Das Smart Computing von Forrester zeichnet sich durch die Integration von bekannter IT mit Sensortechniken sowie die enge Verbindung mit Branchenlösungen aus. Als Beispiel nennt Forrester-Analyst Kisker die Energiebranche, in der "ganzheitliche Prozesse über die bisherigen Grenzen eines IT-Systems hinaus" eingerichtet werden. Gartner verweist in diesem Zusammenhang auf den Forscher Mark Weiser vom Xerox Parc, der eine Zukunft entworfen hat, in der Computer unsichtbar in der gesamten Welt eingebettet sind und drahtlos mit anderen Instanzen des Systems kommunizieren. "Dies führt dazu, dass klassisches, zentralisiertes Netzwerk-Management an seine Grenzen stößt", sagt Gartner-Analyst Cearley. Die Lösung dieses Problems würde helfen, den Effekt der Consumerisierung auf IT-Entscheidungen und die Inflation der persönlichen IT-Geräte in den Griff zu kriegen. "Der Wildwuchs an Gerätetypen, mit denen wir täglich umgehen, wird explodieren", prognostiziert nicht nur IDC-Analyst Spies.

Trend bei IDC: Open Source

Stefan Ried Senior Analyst, Forrester Research: "Software-Hersteller haben begonnen, soziale Netzwerke in die Geschäftsprozesse einzubauen."
Foto: Forrester Research

Neben den Mega-Trends Cloud Computing, Mobility und BI & Analytics sowie dem Computing-Paradigma "Allgegenwart" sind diejenigen Entwicklungen interessant, bei denen die Marktforscher keine oder kaum Übereinstimmung in den Prioritäten erzielen. So hat IDC-Experte Spies als einziger Analyst explizit "Open Source" auf die CIO-Agenda für 2011 gesetzt - das Thema spielt in den Medien nur noch eine untergeordnete Rolle. "Der Einsatz von Enterprise-Software auf Open-Source-Plattformen nimmt in Deutschland dramatisch zu, und alle großen Lieferanten kämpfen darum, in dem Bereich nicht ins Abseits zu geraten", sagt Spies. Das gelte für SAP, Oracle, natürlich für IBM und selbst für Microsoft. Das größte Potenzial für quelloffene Software sieht er in Commodity-Bereichen wie Collaboration oder soziale Netzen - "in Einsatzgebieten, die nicht traditionell transaktionsorientiert sind und in denen CIOs kostenbewusst und standardorientiert handeln können."

Top Ten 2011 - Forrester Research

1. Smart Computing - im Leben

2. Empowerment - Macht für Menschen

3. Cloud Computing - IT-as-a-Service

4. I T wird Business Technology - Umsatzbringer

5. Mobile Enterprise-Apps - Überall Geschäft

6. IT-Services im Umbruch - Disruption-as-a-Service

7. HW-SW-Appliances - Optimiert kombiniert

8. Next-Gen Analytics - Fundierte Entscheidungen

9. IT und Nachhaltigkeit - Green IT floriert

10. Social Media - Kundenkommunikation

Gartner hingegen hat das Thema "Video" auf den Schild gehoben, zumindest mittelfristig. "Der Einsatz von Bewegtbildern in Unternehmen außerhalb der Medienbranche wächst rasant an", erklärt Analyst Cearley. Technologietrends wie Digitalfotografie, das Web, soziale Software, Unified Communications, digitales Fernsehen sowie mobiles Computing seien inzwischen an kritischen Wegmarken angekommen und würden Video zum Durchbruch in den Mainstream verhelfen.

Gartner: "Video wird alltäglich"

"In den kommenden drei Jahren entwickelt sich Video zum alltäglichen Content-Typ und Interaktionsmodell für die meisten Nutzer", sagt Gartner-Analyst Cearley. Im Jahr 2013 würde sich der Content, den Arbeitnehmer während des Arbeitstages konsumieren, zu mehr als 25 Prozent aus Bildern, Video oder Audio zusammensetzen.

PAC-Analyst Ortwein bezeichnet die Verschmelzung der Produktions-IT mit der klassischen, kaufmännischen IT als einen Trend, der 2011 einsetzt, sich aber über Jahre hinziehen wird. "Bei der Integration bietet sich dem CIO die Gelegenheit, in eine führende Rolle vorzustoßen und die Verschmelzung weiter zu forcieren", erläutert Ortwein. Schließlich sei der CIO in einer starken Position, denn während die klassische IT mit nur einem Chef an das Top-Management herantritt, weist die Produktions-IT mehrere Ansprechpartner aus den Fachbereichen auf. Große Projekte werde es hier 2011 kaum geben, so der Analyst, eher die ersten Schritte und Machbarkeitsstudien aus der Consulting-Ecke. "Das Thema werden wir aber noch öfter sehen."

Rüdiger Spies Independent Vice President Enterprise Applications, IDC: "Der Wildwuchs an Gerätetypen, mit denen wir täglich umgehen, wird explodieren."
Foto: IDC

Eine Lanze für einen Trend, der schon seit mindestens 20 Jahren aktuell sein sollte, bricht Ovum-Analyst Blowers: IT-Sicherheit. "Gerade die Technologien für Mobility, soziale Medien und Cloud Computing bieten Angreifern neue Einfallstore", warnt der Experte. Investitionen allein können den nötigen Schutz niemals gewährleisten - "stattdessen müssten Technologie, Richtlinien und Menschen an einen Tisch gebracht werden". Die Bedrohung werde mit zunehmender Zeit nicht weniger, im Gegenteil. Wirtschaftsspione und Kriminelle kann man nicht aussitzen.

Top-Ten 2011 - IDC

1. Cloud Computing im RZ - Private Wolke

2. Public Cloud Services - SI-Transformation

3. Platform-as-a-Service (PaaS) - Zur Entwicklerbindung

4. Enterprise Mobility - Kampf der Plattformen

5. Freie Software, Open Source - Günstige Standards

6. BPM-Plattformen - Auf SOA-Basis

7. BI und Analytics - Intelligenz zählt

8. Unternehmensdaten - Wachstum und Management

9. Social Media - Unternehmensstrategie gefragt

10. Smart Devices - Computing überall

Schlüsseltechnik für Digital Natives

Forrester-Analyst Ried schließlich hält, wie einige seiner Kollegen auch, die Fahne der sozialen Netze hoch, die von Unternehmen bislang lediglich benutzt wurden, um Kunden-Feedback aufzunehmen. "Softwarehersteller haben inzwischen damit begonnen, soziale Netzwerke in die Geschäftsprozesse einzubauen, um sie als Kommunikationskanal in beide Richtungen zu nutzen", sagt Ried. Analysewerkzeuge erschließen relevante Informationen, stellen den Bezug zu den eigenen Produkten und Dienstleistungen her oder visualisieren die Beziehung zwischen Per-sonen, Firmen und ihren Interaktionen. "Dies ist eine Schlüsseltechnologie, um den wachsenden Einfluss einer neuen, mächtigen Kundengeneration aufzunehmen."

Eine Handlungsempfehlung für 2011 könnte also lauten: Projektieren Sie eine BI-Lösung einschließlich Analytics aus der Cloud, die allgegenwärtig auf mobilen Endgeräten in Echtzeit zur Verfügung steht. Wenn Sie die Aufgabe schon 2010 erledigt haben sollten, können Sie auch ein Video Ihres leeren Rechenzentrums drehen, ins soziale Netz stellen und mit Ihren Kunden aus den Fachbereichen darüber diskutieren.