Analysten-Kolumne

Projektdienste: Phoenix aus der Asche

31.10.2006 von Katharina Grimme
Der Markt für Projektdienste hat sich in Europa wiederbelebt - zwar nicht mit einem "Big Bang", aber doch mit besseren Wachstumsraten als erwartet. Sowohl Consulting als auch Systemintegration (SI) wuchsen im Jahr 2005 um rund fünf Prozent - und dasselbe ist auch für 2006 zu erwarten.

Das sind zwar keine Traumraten, aber doch weitaus positiver als zweistellige Rückgänge in 2003 und moderates Wachstum um 3.5 Prozent in 2004. Interessant ist auch, dass Projektdienste heute nur ein wenig niedrigeres Wachstum aufweisen als Outsourcing-Dienste, die mit Raten um sieben Prozent den IT-Service-Markt anführen.

Wie kommt der Aufschwung zustande?

Verschiedene Ereignisse sind hier zu nennen. Wir sehen einen Mini-Boom in ERP und CRM Implementierung - zur Freude der großen SI Häuser, insbesondere solcher mit Management-Beratungshintergrund, wie beispielsweise IBM, Accenture, Deloitte und Capgemini. Es zeigt sich auch ein Aufschwung in der SAP Implementierung, begleitet von der wachsenden Nutzung von Business Intelligence (BI) und CRM Tools. Diese Technologien wurden natürlich auch früher schon eingesetzt, aber während der Fokus in der Vergangenheit auf Kostensenkung und Prozess-Standardisierung lag, konzentrieren sich Unternehmen jetzt auf ein besseres Verständnis ihrer Kunden und auf Kundenbeziehungen.

Regulatorischer Druck, insbesondere im Finanzsektor, ist ein weiterer Grund für die steigende Nachfrage nach Projektdiensten. Europäische Direktiven wie zum Beispiel MiFID (Markets in Financial Instruments Directive) oder lokale Initiativen wie die "Faster Payment"-Direktive des britischen Office for Fair Trading (OFT) zwingen Finanzinstitute dazu, ihre Geschäftsprozesse und sogar Geschäftsmodelle zu überdenken. Bis jetzt sind die Nutznießer hauptsächlich die Consulting-Anbieter, aber mit näherrückenden Erfüllungsterminen wird sich der Aktionsfokus zu den SI- Anbietern verschieben, die diese neuen IT-Systeme fristgerecht zur Verfügung stellen müssen.

Eine neue Agenda

Sichtbar ist auch ein Stimmungswandel der Unternehmen bezüglich IT-Ausgaben. Die Agenda der Kostensenkung der vergangenen vier Jahre ist immer noch präsent, wird aber nun ergänzt, nicht ersetzt, durch eine neue Agenda: Unternehmen zeigen heute eine größere Bereitschaft, in technologische Neuerungen zu investieren, um ihre Geschäftsergebnisse (über und unter dem Strich) zu verbessern. Die offensichtlichen Sparmaßnahmen zur Kostensenkung sind schon weitgehend realisiert. Das bedeutet, Gewinnsteigerungen können nun zunehmend nur durch Umsatzsteigerung erreicht werden.

IT-Projekte werden allmählich auch überschaubarer, handhabbarer und weniger risikoreich, da sie immer öfter in kleinere Teilprojekte aufgesplittet und separat angegangen werden. Das spiegelt sich, zumindest teilweise, in einer langfristigen Veränderung der IT-Architektur wider. Sie ist ebenfalls in Infrastruktur- beziehungsweise Applikationskomponenten, die einzeln leichter zu verwalten sind, aufgeteilt. Das bedeutet, dass großangelegte Infrastruktur-Erneuerungen immer seltener, stückweises Re-Development ist, dafür aber immer häufiger zum Einsatz kommt. So können IT-Entscheider ermutigt werden, neue Projekte in Angriff zu nehmen.

Just do it!

Der ultimative Ausdruck dieser Entwicklung ist SOA (Service-orientierte Architektur). Die oft als Megatrend bezeichnet wird. Man kann diesem Auspruch glauben oder nicht. Tatsache ist, dass mit SOA schon seit einiger Zeit Consultingumsätze gemacht und auch SI-Aufträge sichtbar werden. Man wird in den nächsten Jahren noch viel mehr über SOA hören - und zwar nicht nur von IT-Experten, sondern auch von der Management-Ebene. Mit der Erkenntnis, daß Projektkosten und Risiken sich verringern, fühlen sich CxOs inspiriert von der Nike-Philosophie: Just do it!

Die Aufteilung der Infrastruktur und Architektur in Komponenten wird abgeglichen mit der Dekomposition der IT-Service-Delivery, die heute nicht nur über Regionen und Länder, sondern über Kontinente aufgeteilt wird. Der Trend zur Offshore Delivery hat einen deflationären Effekt auf Umsätze: Unit-Kosten für Input sinken drastisch ab. Xansa’s Umsatzrückgang in 2005 ist ein illustratives Beispiel: der UK-Anbieter verfolgt eine aggressive Offshore-Strategie.

Aber es gibt auch einen positiven Effekt: Unternehmen generieren signifikante Einsparungen durch Offshore-Verlagerung und die meisten haben ausreichend Vertrauen in ihre IT-Dienstleister, um wenigstens einen Teil der Einsparungen in neue IT-Projekte zu investieren. So können steigende Volumina den "Offshore-Effekt" der fallenden Preise ausgleichen. Xansa hat das in der zweiten Jahreshälfte erlebt, aber es hat nicht ausgereicht, den Umsatzrückgang der ersten auszugleichen.

Wolken am Horizont?

Natürlich gibt es Wolken am Horizont. Projektdienste werden auch wieder den Abwärtstrend erleben. Vielleicht nicht in den nächsten drei bis vier Jahren, vielleicht aber auch schon früher. Offshore-Wettbewerber werden sichtbarer werden, indische Anbieter werden in gehobenere Dienste vordringen um neue Umsatzmöglichkeiten zu finden, und neue Marktzugänger, wie die Big Four, werden den Wettbewerb weiter verschärfen. Software-Pakete lassen sich in Zukunft leichter implementieren, so dass weniger SI-Aufwand in Projekten nötig wird (und auch SOA trägt dazu bei).

Auslastungraten sind schon jetzt hoch, was bedeutet, dass der Umsatzwachstum für IT-Service-Anbieter nur durch Erhöhungen in Volumina, Preisen oder Produktivität erreicht werden kann. Dabei wäre eine Produktivitätssteigerung, das so genannte El Dorado der Projektdienste, höchst beeindruckend.

Katharina Grimme ist die Leiterin der deutschen Ovum-Niederlassung und spezialisiert sich auf Analyse und strategische Beratung zum deutschen IT-Services/Outsourcing Markt.