Trends im IT-Services-Markt

Volle Fahrt voraus

26.02.2007 von Tanja Wolff
Der "Herkules-Deal" hat den Weg für Auslagerungen im öffentlichen Sektor bereitet. Seit die Bundeswehr das IT-Projekt an Siemens Business Services und IBM Deutschland vergeben hat, kommt der Bereich in Fahrt. Doch wohin führt der Weg im gesamten IT-Services-Markt? Temposchwellen wie die Angst der Firmen, sich von einem Dienstleister abhängig zu machen, können unter Anleitung von Spezialisten wie Forrester Research, Experton Group, IDC und vielen anderen Beratungsunternehmen locker genommen werden.

Andreas Burau, Research Director bei der Experton Group, geht davon aus, dass der IT-Services-Markt 2007 zwischen sechs und sieben Prozent wachsen wird. Dabei rechnet der Experte für das Outsourcing und Outtasking sogar mit einem Anstieg im zweistelligen Bereich. Eine hohe Dynamik entwickelt sich auch für das Consulting-Geschäft in den Feldern SOA, Sicherheit und Mobilität.

"Der IT-Services-Markt hat 2006 in Deutschland wieder angezogen, und das wird sich 2007 fortsetzen", sagt auch Katharina Grimme, Leiterin der deutschen Niederlassung des Marktforschers Ovum. Getrieben werde das Ganze durch Kosteneinsparungen in den Unternehmen und die steigende Konzentration auf das Kerngeschäft. Außerdem müssten die deutschen Firmen bei den bisher nicht getätigten IT-Investitionen aufholen. Aus diesem Grund könnten besonders Berater für SAP Releases benötigt werden.

Der Marktforscher Tech Consult hat errechnet, dass die deutschen Firmen 2006 rund 91 Milliarden Euro in ITK-Produkte und -Services investiert haben. Mehr als ein Drittel ist dabei auf ITK-Dienstleistungen entfallen. Die Gesamtausgaben für externe Services werden bis 2008 allerdings noch weiter steigen. Mit einer Wachstumsrate von 7,7 Prozent legt Outsourcing am stärksten zu, gefolgt von geschäftsprozessbezogenen Beratungsleistungen (4,5 Prozent) sowie dem Betrieb und Support von ITK-Infrastrukturen (3,2 Prozent).

Routenplaner durch die IT-Services-Landschaft

Damit die Berater sicher durch den Verkehr kommen, haben die Analysten der großen Marktforscher individuelle Routenplaner zusammengestellt. Heiko Miertzsch, Manager Consulting bei Tech Consult, meint, dass der deutsche IT-Services-Markt in diesem Jahr seine Zweiteilung fortsetzen wird. "Zum einen geht der Trend in Richtung Standardisierung. Verschiedene Basisdienstleistungen werden Commodity und lassen sich nur noch über den Preis verkaufen." Auf der anderen Seite erwarten Anwender in komplexen Situationen, dass die IT Geschäftsprozesse besser unterstützt. Das fordert von den Services-Anbietern immer häufiger eine Spezialisierung nach Branchenkompetenz. "Hier müssen sich einige Anbieter noch genau überlegen, ob sie den Spagat wagen und beiden Anforderungen gerecht werden wollen."

Die Standardisierung wird auch von Thomas Reuner, Strategic Consulting Partner des Beratungsunternehmens IDC, als ein Trend gesehen. "Der Weg führt weg von den individuellen Lösungen, hin zu Standardisierung und Konsolidierung." Die Auftraggeber würden immer mehr Wert auf Dienstleistungen aus einer Hand legen. Für den Geschäftsführer von Pierre Audoin Consultants Christophe Châlons ist die Industrialisierung bereits seit 2004 ein großes Thema. Die Rationalisierung der Delivery (Offshore) würde 2007 weiter fortschreiten.

"Wir werden keinen Bruch zu 2006 haben, sondern eine kontinuierliche Weiterentwicklung." Dennoch ist man, laut Heiko Miertzsch, noch weit davon entfernt, den Firmen einen "Lego-Baukasten" mit Anwendungen und Lösungen anbieten zu können, die sich ähnlich leicht zum großen Ganzen zusammensetzen lassen. Allein die zögerliche Umsetzung unternehmensweiter XML-Lösungen und einheitlicher semantischer Beschreibung von Daten und Prozessen, zeigt, wie weit die IT in Bezug auf die Standardisierung hinterher ist.

Branchenspezialisten verzweifelt gesucht

Hier bietet sich für Dienstleister die Chance, entsprechende IT-Lösungen zu präsentieren. Der Grund dafür ist, dass nicht nur die Standardisierung gefragt ist, sondern auch die Spezialisierung. "Unternehmen vergeben ihre Outsourcing-Aufträge lieber an unterschiedliche Spezialisten, denn wenige Dienstleister können alles", sagt Katharina Grimme. Zudem wollen sich Firmen nicht nur von einem einzigen Service-Provider abhängig machen. Daher könnten kleinere Spezialisten auch in diesem Jahr gut überleben. Das liege vor allem auch daran, dass sie sich häufig mit großen Anbietern zusammentun. "Die kleinen Spezialisten müssen vor allem darauf achten, dass sie sich auf die richtige Branche und aktuelle Themen fokussieren", sagt Andreas Burau von der Experton Group.

Zu den Sorgenkindern zählen die mittelständischen Dienstleister, die sich in den kommenden Monaten einiges einfallen lassen sollten. "Sie müssen entweder versuchen, den Anschluss an die Großen zu bekommen, oder sich spezialisieren", erklärt Lünendonk-Geschäftsführer Hartmut Lüerßen.

Auch die großen Dienstleister stehen 2007 weiter unter Druck. Obwohl sie weiter wachsen, sollten sie darauf achten, dass sie ihre Delivery-Units darauf ausrichten, Kosten zu sparen und flexibel zu sein. Die Großen müssten in diesem Jahr versuchen, den Mittelstand mit attraktiven Angeboten zu locken, meint Lüerßen. Das spiele besonders in Deutschland eine große Rolle, weil hier, im Vergleich zum Rest der Welt, die Firmen stark mittelständisch geprägt sind. Als Folge hätten sie andere Ansprüche an die Dienstleister, dazu würden unter anderem die lokale Präsenz und eine hohe Kundenbindung gehören.

Die Situation haben die Konzerne bereits erkannt. "Die großen Dienstleister wie HP und IBM passen zunehmend ihr Portfolio an den Mittelstand an", bestätigt Burau von der Experton Group. Der Grund dafür sei, dass der Mittelstand (mehr als 250 Arbeitsplätze) einen enormen Nachholbedarf habe. Die Firmen würden nämlich erst dann IT-Lösungen einsetzen beziehungsweise erneuern, wenn es gar keinen anderen Ausweg mehr gebe. An diesen Punkt seien sie jetzt angekommen. Regulatorische und rechtliche Anforderungen wie das Bundesdatenschutzgesetz, Basel II, GDPdU und Solvency II zwingen die mittelständischen Firmen dazu, in die Technologie zu investieren und sich erfahrene Partner zu suchen.

Vorsicht beim Outsourcing

Wie bereits in den vergangenen zwei Jahren bevorzugen die Auftraggeber weiterhin ein selektives Outsourcing. Das bedeutet, sie lagern mit Vorliebe kleine, überschaubare Projekte aus. Die Verträge haben ein kleines Volumen und eine maximale Laufzeit von drei Jahren. "Die Deals 2006 haben bereits diesen Trend gezeigt. Der Grund dafür ist, dass langfristige Projekte zu viele Risiken bergen", sagt Pascal Matzke, Analyst bei Forrester Research. Als Folge verschwinden immer mehr Mega-Deals, weil die Firmen mit kleineren Verträgen stärker den Wettbewerb ausnutzen können. "Es ermöglicht ihnen auch, schneller neue Technologien einzusetzen", erklärt Thomas Reuner von IDC.

Insgesamt hinkt Deutschland beim Outsourcing Ländern wie Großbritannien oder den Vereinigten Staaten hinterher, so Andreas Burau. Das zeige sich unter anderem beim Outsourcing in der Verwaltung. Es habe hierzulande erst durch den "Herkules"-Deal Formen angenommen, obwohl das eigentlich internationaler Standard sei. Dabei sei es dringend notwendig, dass die Auslagerung im öffentlichen Sektor auch in Deutschland langsam in Fahrt komme. "Hier stehen Themen wie Archivierung, Vernetzung sowie die Integration innerhalb und zwischen den Behörden auf der Agenda", sagt Christophe Châlons von PAC.

Auch beim Offshoring halten sich die Deutschen im Vergleich zu anderen Ländern noch sehr zurück. "Es ist zwar schon lange Zeit ein Thema, aber nicht so sichtbar wie anderswo", sagt Pascal Matzke. Das kommt daher, dass die indischen Dienstleister hier noch nicht so aufgestellt sind wie im Ausland. Die Entwicklung bewegt sich in Deutschland in eine andere Richtung. "Große Offshore-Anbieter werden sich eine Basis verschaffen, indem sie lokale Akquisitionen tätigen." Außerdem würden sich Onside-Provider Off- und Nearshore-Ressourcen verschaffen. Ein globaler Mix sei mittlerweile in allen Bereichen spürbar.

Osteuropa statt Indien

Laut Katharina Grimme wird das Global Sourcing in Deutschland noch stark vernachlässigt. Logisch sei das nicht, denn schließlich hätten die bisherigen Anwender überwiegend gute Erfahrungen gesammelt. Deutsche Unternehmen lagern bekanntlich weiterhin lieber nach Osteuropa aus als nach Indien. Das liegt vor allen Dingen daran, dass die Deutschen viel Wert auf die Sprach- und Kulturkompetenz ihrer Partner legen, und dabei konnten die Inder bisher nicht punkten. "Sie werden allerdings ihre Präsenz auf dem deutschen Markt weiter ausbauen. Das zeigt sich unter anderem in dem BPO-Deal der Linde AG, die ihre Finanzbuchhaltung an Genpact nach Indien ausgelagert hat", sagt die Ovum-Chefin. Zudem hätten Tata Consulting und HCL bereits kleinere Verträge mit der Deutschen Bank und Automobilherstellern abschließen können.

Trotzdem werden die deutschen Unternehmen auch 2007 lieber auf die Angebote klassischer Dienstleister wie IBM, SBS und T-Systems zurückgreifen. "Der Trend geht allerdings auch immer mehr zum Multi-Sourcing, wodurch mehr Anbieter zum Zug kommen", sagt Thomas Reuner von IDC.

Die wichtigsten Wachstumstreiber

Für die Analysten stehen 2007 unterschiedliche Themen auf der IT-Agenda. So meint Andreas Burau von der Experton Group, dass in diesem Jahr zum einen Commodity-Themen vor dem Hintergrund des Kostendiktates insbesondere im Infrastrukturbereich weiterhin eine große Rolle spielen werden. Zum anderen stehen IT-Vorhaben im Zusammenhang mit Innovations- und Wachstumsstrategien der Firmen wieder stärker im Fokus. Hierzu zählen beispielsweise Themen wie CRM, Mobility und SOA.

Forrester-Analyst Pascal Matzke sieht im Applikations- und Entwicklungsumfeld einen großen Wachstumsmarkt. So müssten vor allem Banken in diesem Jahr in die Konsolidierung ihrer Applikations-Landschaft investieren. "Ein deutlicher Trend zeichnet sich außerdem bei den konvergenten ITC-Services ab", sagt Matzke. In den Unternehmen steige die Nachfrage nach IT- und TK-Lösungen aus einer Hand. Was im Endkundenbereich schon lange geläufig sei, würden sich auch immer mehr Deutsche an ihren Arbeitsplätzen wünschen.

Dienstleister müssten sich immer mehr darauf einstellen, dass die Entscheidungsgewalt bezüglich der Services von den IT-Abteilungen in die unterschiedlichen Geschäftsbereiche wandert. Um ihre Fahrt durch den IT-Services-Markt erfolgreich fortzusetzen, sollten Provider dringend darauf achten, dass sie sich die richtigen Ansprechpartner für ihren Bereich suchen.