Die Marktanteile der großen Player

Wer den ECM-Markt beherrscht

23.09.2008 von Elisabeth Grenzebach
Vier Unternehmen dominieren den deutschen Markt für Dokumenten-Management - noch. Wie SAP und Microsoft ihre Marktanteile jetzt ausbauen wollen und warum Oracle so weit abgeschlagen ist.

In der Marktübersicht des Analystenhauses Gartner ist nur noch ein einziger reiner ECM-Hersteller im Leader-Quadranten zu finden: Open Text. Ansonsten freuen sich die Infrastrukturanbieter IBM, EMC und Oracle über die begehrte Platzierung. Man hat schließlich tief in die Tasche gegriffen und sich führende ECM-Suiten einverleibt: IBM hat Filenet gekauft, EMC Documentum und Oracle Stellent. Funktional unterscheiden sich die Produkte kaum noch. Profilierungspotenzial bietet lediglich das Thema Kollaboration, da Content immer häufiger in Gruppen erstellt und bearbeitet wird. Je mehr Instant Messaging, Blogs und Wikis zum Alltag des Anwenders gehören, desto wichtiger werden auch Web 2.0, Ajax und XML.

Noch fallen die ECM-Marktanteile von IBM, EMC und Oracle in Deutschland sehr unterschiedlich aus. IBM hat Gartner zufolge in Deutschland einen Marktanteil von über 25 Prozent. Stark vertreten ist IBM in Versicherungen, Banken und in der öffentlichen Verwaltung. Zu kritisierten hat Gartner lediglich, dass die einzelnen Komponenten oft nur locker verbunden sind, insbesondere wenn sie von unterschiedlichen Organisationseinheiten betreut werden. So gehören beispielsweise Web-Content-Management organisatorisch zu WebSphere und content-bezogene Kollaboration zur Lotus-Software-Welt. Weit hinter IBM liegt EMC: Zehn Prozent Marktanteil verzeichnen die Gartner-Analysten. Dies mag daran liegen, dass EMC vor allem auf die Storage-Hardware setzt und mit Information-Lifecycle-Management die Marketing-Kanäle füllt.

Dabei deckt das Unternehmen mit Documentum den kompletten Content-Lebenszyklus ab. Mit der neuen Version Documentum 6.5 setzt EMC auf Kollaboration: Eine Alternative zu Sharepoint will man bieten. Weit abgeschlagen, was die Marktanteile in Deutschland betrifft, ist nach den Zahlen von Gartner Oracle. Ein möglicher Grund: Das ECM-Angebot von Oracle richtet sich an Unternehmen, die auf eine Oracle-Infrastruktur setzen. "Universal Content Management" wird die ehemalige Stellent-Suite heute genannt. Immerhin stellt Oracle dieses Jahr zum ersten Mal auf der Branchenmesse DMS Expo aus - als Goldsponsor. Bleibt die Frage, inwieweit auch andere Plattformen unterstützt werden. Was wird Oracle für SAP und die IBM-Datenbank DB 2 bieten?

Microsoft und SAP auf ECM-Kurs

Noch nicht im Leader-Quadranten, aber auf Aufholjagd sind SAP und Microsoft: Ein ERP-System aus dem Hause SAP ist bei den meisten deutschen Großunternehmen gesetzt. Genauso wie die Bürokommunikation über Office läuft. Kein Wunder, dass die beiden Software-Giganten das Thema ECM für sich entdecken.

Still und leise ist SAP auf dem Weg in die ECM-Welt. Erste Erfolge dokumentiert eine Befragung aus Deutschland, die das Forschungsunternehmen RAAD durchgeführt hat: Von den 368 befragten deutschen IT-Leitern verwalten und archivieren 16 Prozent ihre Dokumente mit SAP. Auf SAP folgen Open Text/Ixos mit 14 Prozent sowie Easy Software mit 13 Prozent. Dies ist umso erstaunlicher, als SAP nicht als klassischer ECM-Anbieter gilt. Gartner sieht in den Walldorfern lediglich einen Nischenanbieter. Nur mit seinem Partner Open Text bietet SAP eine eigenständige ECM-Lösung an. Ansonsten liefert SAP grundsätzliche ECM-Funktionen als Teil der NetWeaver-Plattform aus. Nach Reiner Kappus von DMS-Consulting sieht die Bilanz so aus: "Viele Komponenten sind bereits im Basissystem enthalten. Meist ist nur ein Customizing notwendig. Einige der Zusatzkomponenten muss man kostenpflichtig lizenzieren, so zum Beispiel SAP Records-Management/Case-Management oder in bestimmten Fällen das SAP Enterprise Portal oder SAP-KM."

"Für SAP fängt ECM jetzt erst richtig an"

Um ein ernsthafter Anbieter auf dem ECM-Markt zu werden, hat SAP Gartner zufolge zwar noch einiges zu tun. Doch scheint das Interesse in Walldorf geweckt. Andreas Engel, Solution Management Public Sector bei SAP, bestätigt dies: "Inzwischen forciert SAP das Thema ECM. Gleich drei Fraktionen stehen firmenintern hinter ECM: die Records-Management-Fraktion, die E-Government-Gruppe und die NetWeaver-Mannschaft. Kurz: Für SAP fängt ECM jetzt erst richtig an." Dabei arbeiten nach Aussage von Christoph Rzehorz, Strategic Business Developer bei SAP, schon heute rund 4.000 Kunden mit einem SAP-Archiv.

Wie SAP das Thema ECM in Zukunft weiterentwickeln will, ist nach Engel klar: "SAP baut gerade an einem ECM-Services-Layer, der den Business-Anwendungen inklusive ihrer immanenten ECM-Funktionen weitere ECM-Basis-Funktionen ermöglicht. Dabei wird SAP selbst die Basis-ECM-Funktionen liefern. Für die Partner bleiben sogenannte erweiterte ECM-Services." Die ersten Ergebnisse sollen nach Engel Anfang 2009 auf den Markt kommen. Konkrete Möglichkeiten für die Partner sieht er in der Erfassung und Konvertierung. Außerdem ist er sich sicher, dass die künftige SAP-ECM-Schnittstelle auch für die Partner die "Total Cost of Ownership" reduzieren wird.

Die ECM-Berater sind sich einig: Die tiefe Integration in die Office-Produktlinie machen den Microsoft Sharepoint Portal Server, kurz MOSS 2007, für Unternehmen attraktiv. Microsoft bietet mit MOSS 2007 eine Enterprise-Kollaboration-Suite mit leistungsfähigen Suchfunktionen, rudimentärem DMS und Web-Content-Management sowie Portalfunktionen. Trotzdem wird MOSS 2007 ein typisches ECM-Produkt nicht ersetzen: Mit den Bordmitteln des MOSS 2007 lassen sich weder Anwendungen für die elektronische Aktenverwaltung stricken, noch reichen die Dokumenten-Management-Funktionen für große Dokumentenmengen. Auch fehlen Erfassungslösungen, Langzeitarchivierung und COLD-Anwendungen.

Genau diese Lücken versuchen immer mehr ECM-Hersteller zu schließen. Doch unterscheiden sich die Angebote enorm. Letztlich stellt sich immer die Frage, wie tief die jeweilige Lösung tatsächlich integriert ist. Eine Marktstudie von Project Consult aus dem Sommer 2007 unterteilt die Angebote in drei Kategorien:

Archiv-Add-Ons

Hierunter fallen die Angebote von Ceyoniq, Docuware, Easy und Saperion, die die fehlende Archivierungs-komponente des MOSS ausgleichen und Inhalt aus dem Sharepoint im ECM-Repository archivieren.

Nutzung der Sharepoint-Oberfläche für ECM-Produkte

Anbieter wie ELO Office und Meridio sehen den MOSS als attraktive Oberfläche für ihr eigenes Produkt und bilden dementsprechend auch ECM-Funktionen wie den Postkorb im MOSS ab.

ECM-Integration

Open Text, d.velop, EMC Documentum, IBM/FileNet sowie SER Solutions bieten Integrationslösungen, die versuchen, alle ECM-Komponenten in der Sharepoint-Umgebung abzubilden.

Reiner Kappus, unabhängiger DMS-Berater: "Einige der Zusatzkomponenten muss man kostenpflichtig lizenzieren, so zum Beispiel SAP Records- Management."

SAP und Microsoft haben eine hohe Marktdurchdringung, aber nur ein lückenhaftes ECM-Portfolio, weshalb viele traditionelle ECM-Hersteller hier ihre Chance wittern: Warum nicht die Lücken füllen? Warum nicht diese Content-Welten verbinden? Mit als Erster ist Open Text diesen Weg gegangen. Natürlich macht diese Strategie auch abhängig. 2006 stand im Schatten der Ankündigungen von Microsoft - viele warteten auf Sharepoint. Das bekam auch Open Text zu spüren. Doch inzwischen gibt der Markt Open Text recht: 2007 hat sich Open Text in Deutschland laut Gartner einen Marktanteil von über 30 Prozent gesichert. Besonders eng ist die Beziehung zu SAP. Christoph Rzehorz, SAP, bestätigt dies: "SAP hat sogar ein Reselling-Abkommen mit Open Text. Das Ixos-Team hat jahrelang Vorarbeit geleistet. Deshalb ist in der ABAP-Welt das Know-how von Open Text sehr groß."

Lücken im Portfolio von Microsoft und SAP

Hans-Gerd Schaal, General Manager EMEA SAP Applications bei Open Text, erklärt die Zusammenarbeit wie folgt: "Geht eine E-Mail-Bestellung in Outlook ein, liefern SAP die nötigen Transaktionen und Open Text die erforderlichen Dokumente aus den verschiedenen Content-Silos. Zwar kann man kritisieren, dass Open Text noch nicht allzu tief in Duet integriert ist, doch das wird sich ändern, sobald mit dem nächsten Release eine Schnittstelle für Partner mitgeliefert wird." Die großen Infrastrukturanbieter haben ihr ECM-Portfolio so massiv aufgestockt, dass sie einige ECM-Funktionen inzwischen doppelt oder gar dreifach im Portfolio haben. Hier ist einerseits Konsolidierung gefragt. Andererseits zeigen die Gartner-Zahlen für Deutschland auch, dass es trotz aller Zukäufe und Fusionen immer noch viele ECM-Anbieter gibt.

Auf der diesjährigen DMS Expo haben rund 370 Hersteller ausgestellt. Wie jedes Jahr waren darunter auch viele Nischenanbieter und Integrationspartner. Viele der Pressemitteilungen zur DMS Expo warten mit Angeboten zu Microsoft und SAP auf. Zurzeit scheint es sich zu lohnen, die Lücken im Portfolio von Microsoft und SAP zu bedienen und die Content-Welten zu einem Front-End mit 360-Grad-Sicht zu verbinden.