Strategien


Handeln im Ausnahmezustand

Die Digitalisierungsstrategie des Hamburger Hafens

Heinz Züllighoven ist Geschäftsführer bei der Workplace Solutions GmbH.


Senior Softwarearchitekt bei der Workplace Solutions GmbH

Herausforderung Katastrophenschutz

Der Katastrophenschutz stellt besondere Herausforderungen an eine sinnvolle IT-Unterstützung. In den Herbst- und Wintermonaten kommt es regelmäßig zu Sturmfluten. Dann tritt der Hafenstab (HASTA) zusammen und trifft alle erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen. Für die HASTA-Mitglieder ist das keine tägliche Routinearbeit, sondern ein Ausnahmezustand. Es gilt, sich immer wieder auf neue Situationen und Abläufe einzustellen.

Daher darf die IT-Unterstützung nicht kompliziert und schwer verständlich sein. Sie muss intuitiv zu verstehen und zu bedienen sein. Hard- und Software müssen in kürzester Zeit einsetzbar sein und auch unter schwierigen Bedingungen funktionieren.

Der HASTA arbeitet beim Katastrophenschutz mit zahlreichen Organisationen und Behörden zusammen, wie dem Sturmflut-Warndienst, der Polizei und der Feuerwehr. Sie alle müssen im Gefahrenfall informiert werden und den Stand der Dinge rückmelden können.

Ein Hochwasser-Szenario

Ein Einsatzszenario für den Hafenstab könnte so aussehen:

  • Der dienstbereite Einsatzleiter hat gerade erfahren, dass der voraussichtliche Wasserstand zwischen 6,00m und 6,50m über Normal Null (NN) liegt. Das bedeutet: Eine sehr schwere Sturmflut steht bevor. Daraufhin ruft er den Hafenstab in großer Besetzung ins Einsatzzentrum zusammen.

  • Bei der ersten Lagebesprechung liegt der aktuelle Pegelstand 2,50m über Normal Null; das Hochwasser wird in 6,5 Stunden erwartet. Hafenbevölkerung und die Großveranstalter werden über die bevorstehende Sturmflut informiert. Über die nächsten zwei Stunden steigt das Wasser erwartungsgemäß. Da wird ein klemmendes Sperrwerk von Polder 31 gemeldet.

  • Der Verantwortliche für die Polder überlegt mit den Stabsleitern "Einsatz" und "Bevölkerung und Hafen" anhand einer handgezeichneten Flutkurve, wann der Polder mit dem klemmenden Sperrwerk überflutet sein wird. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass dies in zwei Stunden eintreten wird.

  • Der Polderverantwortliche schickt einen Reparaturtrupp auf den Weg. Ein Techniker vor Ort meldet nach einer Stunde, dass das Sperrwerk manuell geschlossen werden konnte. Die Lage scheint unter Kontrolle.

  • Doch dann erfährt der Fachberater Oberhafenamt von seinem Einsatzstab aus der Nautischen Zentrale, dass sich ein Schiff losgerissen hat und auf eine Brücke zutreibt. Ein Nautiker hat bereits Schlepper losgeschickt, aber es besteht die Gefahr, dass sie zu spät kommen und das treibende Schiff die Brücke rammt.

  • Eine sofort einberufene Lagebesprechung macht sich anhand von Karten ein Bild der Situation und entscheidet, dass zur Sicherheit die Brückenzufahrt gesperrt sowie Fahrzeuge und Personen die Brücke räumen sollen.

Projekt PORTprotect - vom Einsatzszenario zur Vision

Um den Katastrophenschutz durch Digitalisierung sinnvoll zu unterstützen, hat die HPA seit Anfang 2015 zusammen mit der Firma WPS das Pilotprojekt "PORTprotect" initiiert. Im Mittelpunkt steht zunächst die Arbeit im HASTA. Konkrete Einsatzszenarien, wie das zuvor skizzierte, sind dafür ein guter fachlicher Ausgangspunkt.

Bei der Analyse der Arbeit im HASTA fällt zunächst auf, dass verschiedene Personen im Einsatzzentrum je nach ihrer Rolle spezifische Aufgaben wahrnehmen. Dabei ist es immer wieder erforderlich, dass sie sich abstimmen und Entscheidungen treffen, die an sogenannte "nachgeordnete Stellen" weitergeben werden. Wichtig für alle Personen im Einsatzzentrum ist, jederzeit über ein aktuelles Lagebild zu verfügen.

Ein dazu passender Entwurf für die IT-Unterstützung ist in Abbildung 1 dargestellt:

Abbildung 1: Arbeitsplätze im Katastrophenschutz
Abbildung 1: Arbeitsplätze im Katastrophenschutz
Foto: Workplace Solutions GmbH
  • Das aktuelle Lagebild wird, für alle sichtbar, auf der Großbildanzeige dargestellt.

  • Einsatzbesprechungen finden rund um einen interaktiven, berührungsempfindlichen Planungstisch (Touch-Tisch) statt.

  • Stabsleiter, Verantwortliche und Fachberater analysieren an Arbeitsplatzsystemen die Lage in ihrem Zuständigkeitsbereich und geben Entscheidungen an die nachgeordneten Stellen weiter.

  • Mobile Systeme dienen als Arbeitsmappe für ausgewählte Dokumente, Notizen und Fotos.

Die Idee hinter diesem Entwurf ist, unterschiedliche Aufgaben und Rollen in den Arbeitsabläufen durch zugeschnittene Frontend-Systeme zu unterstützen, die aber im Hintergrund auf eine gemeinsame Plattform aufsetzen. Diese wiederum integriert vorhandene Informations- und Entscheidungssysteme.

Zwei Beispiele

Dies soll an zwei Beispielen verdeutlicht werden:

Auf der Großbildanzeige ist das für alle Beteiligten relevante Lagebild zu sehen (Abbildung 2):

Abbildung 2: Das Lagebild
Abbildung 2: Das Lagebild
Foto: Workplace Solutions GmbH

Im Mittelpunkt des an der zentralen Wand sichtbaren Lagebilds von PORTprotect steht eine Karte des Hafengebiets, auf der aktuelle Gefahrenpunkte markiert sind. Diese sind in der priorisierten Liste auf der rechten Seite erläutert. Im unteren Bereich der Lagebilds sind die berechnete Pegelkurve, der Status der laufenden Maßnahmen und ein Video von einem wichtigen Gefahrenpunkt zu sehen.

Lagebesprechungen am Planungstisch sind für den Katastrophenschutz von zentraler Bedeutung. Hier treffen sich die jeweiligen Entscheider meist sehr kurz, tragen vorbereitete Informationen zusammen und beschließen die nächsten Maßnahmen (Abbildung 3).

Abbildung 3: Der Planungstisch
Abbildung 3: Der Planungstisch
Foto: Workplace Solutions GmbH
Zur Startseite