Von Prince of Persia zu Low Code

Eine Spitzenkarriere in der IT

Jens Dose ist Editor in Chief von CIO. Seine Kernthemen drehen sich rund um CIOs, ihre IT-Strategien und Digitalisierungsprojekte.
Kerstin Stier hat das Low-Code-Unternehmen Engomo mitgegründet. Die Managerin verrät, was sie auf dem Weg dorthin gelernt hat.
Kerstin Stier gründete das Low-Code-Unternehmen mit und ist dessen Geschäftsführerin.
Kerstin Stier gründete das Low-Code-Unternehmen mit und ist dessen Geschäftsführerin.
Foto: engomo GmbH

"Ich sehe heute noch bildlich die erste Version von Prince of Persia ebenso vor meinem inneren Auge wie die Benutzeroberfläche vom Internet-Vorläufer BTX. Das unterschied mich von den meisten anderen Mädchen," berichtet Kerstin Stier rückblickend über ihre ersten Berührungspunkte mit IT. Ihr Vater, ein Ingenieur im Telekommunikationsbereich, führte sie bereits in der Grundschule auch spielerisch an das Arbeiten am PC heran. Das legte den Grundstein für einen Karriereweg, auf dem Stier schließlich Mitgründerin und Geschäftsführerin der Low-Code-Plattform Engomo wurde.

IT war immer ein Thema

Die jugendliche Begeisterung zog sich weiter durch die Vita der Managerin: "Im sehr generalistischen Studium der Betriebswirtslehre besuchte ich die Informatik- und Datenbankvorlesungen gern und fand es spannend, was mit IT alles möglich ist." Nach ihrem Abschluss stieg sie bei Daimler als IT-Consultant im Projektmanagement ein. "Je mehr ich sah, was man mit Coding zu schaffen vermochte, umso stärker entstand bei mir der Wunsch, in der Tech-Welt mehr zu bewegen," erinnert sie sich.

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Sie wechselte zu einem Softwareunternehmen für Marketing und Automation in die Kommunikationsabteilung. Später übernahm sie dort weitere Aufgaben, darunter auch entwicklungsnah im operativen und strategischen Produktmanagement. Stier: "Als ich 2012 meinem Mitgründer und heutigen Ehemann wieder begegnete und er mir seine erste Idee eines App-Baukastens für Unternehmen zeigte, war für mich klar: Das hat Potenzial - und war ziemlich schnell von der Idee eines eigenen Unternehmens überzeugt."

"Oft bin ich die einzige Frau am Tisch"

Ohne Schwierigkeiten verlief der Karriereweg jedoch nicht. Stier: "Gerade als junge Frau im Tech-Unternehmen begegneten mir häufiger Menschen, die mich fachlich komplett unterschätzten. Im Tech-Bereich waren das naturgemäß eher männliche Gegenüber, was aber letztlich auch einfach am hohen Männeranteil in der Branche liegt - oft war und bin ich auch heute noch die einzige Frau am Tisch."

Ihr Quereinstieg aus der Kommunikationsbranche habe oft dazu geführt, dass Stier in der Tech-Welt nicht auf Augenhöhe wahrgenommen wurde: "Das machte mir zu schaffen, aber wer sich auf einen Dialog einließ, merkte schnell, dass ich zu Recht mit am Tisch sitze."

Dabei habe sie keine "Ellenbogen" oder einen besonders durchsetzungsstarken Habitus gebraucht. "Meine fachliche Neugier und das Verständnis, das ich mitbrachte, half und hilft mir hier zuverlässig weiter," berichtet sie.

Zudem sei sie in jeder Station wichtigen männlichen Kollegen oder Vorgesetzten begegnet, die erkannten, welchen Vorteil sie mit einbringen konnte. "Die haben mich gezielt gefördert und mir durch ihren offen gezeigten Respekt auch das entsprechende Standing im Unternehmen verschafft."

Drei hilfreiche Grundsätze

Neugier ist auch ein Roter Faden, der sich durch drei Grundsätze zieht, die Stier über ihren gesamten Karriereweg beherzigt hat.

Ersten will sie die Dinge "dahinter" verstehen. Stier: "Schon als Projektmanagerin war es für mich wichtig, nicht nur mit Zeitplänen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu jonglieren, sondern das, was wir dort gerade bauten, auch zu verstehen." Sie setzte sich neben die Entwickler und ließ sich erklären, was sie dort in Java schrieben, wie es funktionierte und wo die Herausforderungen für Projekte lagen.

Zweitens nutzt sie das Produktverständnis, um die Nutzersicht einzunehmen. "Da ich beide Perspektiven mitbringe - das Verständnis für technische Lösungen sowie Markt- und Kundenperspektive -, gelingt es mir immer wieder, beide Seiten in der Entwicklung von Softwareprodukten und bei der Umsetzung von Projekten einzubringen und damit ein optimales Endergebnis zu erzielen," sagt die Managerin.

"Das dritte wichtige Element ist die Offenheit für neue Technologien - wie für Napster damals in den 90ern, und heute entsprechend für Neues, wie Künstliche IntelligenzKünstliche Intelligenz," berichtet Stier. Die Neugier helfe ihr dabei, immer wieder ihre Komfortzone zu verlassen und sich auf Neues einzulassen. Dabei sehe sie Technologie nie als Selbstzweck, sondern immer als Mittel, um Probleme besser zu lösen. Alles zu Künstliche Intelligenz auf CIO.de

Ratschläge für Frauen in der Tech-Branche

Anderen Frauen, die in der Tech-Branche KarriereKarriere machen wollen, gibt Stier ein paar praktische Ratschläge mit auf den Weg: Neugierig bleiben, Berührungsängste ablegen und sich Vorbilder suchen. Alles zu Karriere auf CIO.de

"Suchen Sie sich vertraute Personen, Tech-Experten, denen Sie jede noch so 'dumme' Frage stellen können und lassen Sie sich die Hintergründe und Details erklären," rät die Managerin. Darüber hinaus gebe es viele Webseiten und Erklärvideos, die Technologien anschaulich und verständlich erklären.

"Zweitens ist es aus meiner Sicht zentral, nicht mit einer 'das kapiere ich eh nicht'-Mentalität an Technologie heranzugehen, sondern Vorbehalte abzulegen," so Stier. Man müsse nicht jede Zeile Code nachvollziehen oder selbst komplexe Statements programmieren können, um zu verstehen, wie etwas funktioniert.

Schließlich sei es wichtig, sich weibliche Role Models in der Tech-Branche zu suchen. "Schon ganz früh war das zum Beispiel Jade Raymond, die Produktverantwortliche für das Spiel Assassin's Creed, oder auch Sheryl Sandberg mit ihrer großartigen Karriere in der Tech-Welt," erinnert sich Stier.

Mehr Vorbilder auf Anwenderseite

Solche Role Models zu finden, wird laut Stier langsam einfacher: "Die Branche ist natürlich auch heute noch männerdominiert, aber ich beobachte, dass der Frauenanteil in Tech-Berufen über die Jahre zugenommen hat." Berührungsängste gegenüber IT nähmen ab, da IT durch Social Media, mobile Apps oder Dinge wie ChatGPT alltäglich geworden sei.

Besonders in Anwenderunternehmen trifft Stier häufiger Frauen in leitenden IT-Positionen. "Trotzdem: Ich freue mich immer noch, wenn ich bei Branchentreffen oder Networking-Events auf andere Frauen treffe. Denn speziell auf der Anbieterseite sind Frauen außerhalb der 'klassischen' Frauen-Domänen wie Personal, Finanzen und Marketing immer noch sehr selten."

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