Whistleblowing

Selbstmord auf Raten

01.09.2008
Von Eva Buchhorn

Für die Dissidenten der Arbeitswelt gibt es in Deutschland keinen Namen. Im Englischen nennt man sie "Whistleblower". "Whistleblowing" lässt sich mit "pfeifen" oder mit "Alarm schlagen" übersetzen. Es bedeutet aber auch verpfeifen, anschwärzen. Das Image von Whistleblowern ist rabenschwarz.

Kein Wunder also, dass hierzulande kaum jemand als Whistleblower in Erscheinung treten will. Couragierte Informanten wie Kurt Zeese begegneten ihr höchstens "ein- bis zweimal pro Jahr", berichtet die Anwältin Heike Kroll, die beim Verband "Die Führungskräfte" Rechtsrat in beruflichen Krisen erteilt. Selbst das Whistleblower-Netzwerk in Köln, eine Lobby- und Selbsthilfeorganisation, hat in den zwei Jahren seines Bestehens nur rund 30 Hilfesuchende beraten.

Whistleblower sind eine rare Spezies. In krassem Gegensatz dazu steht das Aufheben, das in der Unternehmenswelt um sie gemacht wird. In fast hysterischer Tonlage wettern die Arbeitgeberverbände seit Wochen gegen eine Gesetzesinitiative, das Recht zur Anzeige von Missständen im Bürgerlichen Gesetzbuch zu verankern.

Aber auch Betriebsräte wittern Unheil, berichtet der Hamburger Arbeitsrechtler Boris Dzida. Als Partner der Anwaltskanzlei Freshfields berät er Unternehmen im Umgang mit den internen Informanten. Arbeitnehmervertreter wehren bei dem Thema stets ab, hat er gelernt: "Da heißt es: Wir wollen hier keine Denunzianten."

Der Hinweisgeber als Verräter, der Whistleblower als Denunziant? An der Wirklichkeit, wie Kurt Zeese sie erlebte, geht diese Debatte vorbei. Er hat seinen Job verloren, als er das tat, was er für seine Pflicht hielt. Nachdem ihm zwei Anwaltskanzleien zu diesem Schritt geraten hatten, informierte Zeese die Konzernspitze über die pikanten Rechnungen. Dort hörte man sich seine Geschichte an und versprach, ihn im Kollegenkreis nicht zu enttarnen. Die fraglichen Posten sollten im Rahmen eines "zufälligen" Kontrollbesuchs der internen Revision entdeckt werden.

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