Whistleblowing

Selbstmord auf Raten

01.09.2008
Von Eva Buchhorn

Doch es kam anders. Der Revisor erschien und präsentierte mit großer Geste einen "Beratervertrag", demzufolge die Dame bereits seit zwei Jahren konsultierend für die Firma tätig sei. Zeese erkannte sofort, dass der Vertrag frisch aufgesetzt und rückdatiert war. Dann bekam er den Satz zu hören, "der mich zum Abschuss freigab", erzählt er, und zum ersten Mal verrutscht sein Lächeln: "You have to change your attitude - Arbeiten Sie an Ihrer Einstellung."

Das war der Anfang vom Ende. Kollegen rückten von ihm ab, immer häufiger musste Zeese jetzt Dinge geraderücken, die er so nicht gesagt oder so nicht getan hatte. Als er aus dem Sommerurlaub zurückkehrte, wurde er zu seinem Schreibtisch nicht mehr vorgelassen. Vom Hausjuristen erhielt er das Kündigungsschreiben, dann ließ man ihn unter Aufsicht sein Büro ausräumen.

Heute ist Zeese Partner in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und steht wieder mitten im bürgerlichen Leben. An die schwärzesten Augenblicke seiner Karriere denkt er nur noch selten. Doch die Frage, wie Menschen zu helfen ist, die in bester Absicht Missstände anprangern und sich daraufhin von Feinden umstellt sehen, diese Frage treibt ihn weiter um. Whistleblowing ist ein riskantes Spiel. Was treibt die Tippgeber? Wer schützt sie?

Mitwisser können mit ihren Infos Schlimmeres verhindern

Lathen im Emsland, 22. September 2006. Ein harmloser Betriebsausflug endete für elf Mitarbeiter der RWE mit dem Tod: Die Männer saßen in der Magnetschwebebahn auf der Transrapid-Teststrecke, als ihr Zug mit einem Wartungsfahrzeug kollidierte. 23 Menschen starben; vor Gericht stellte sich heraus, dass die Betriebsleiter wissentlich Vorschriften missachtet hatten.

Björn Rohde-Liebenau hätte sich vor dem Transrapid-Unglück einen Whistleblower gewünscht: "Vermutlich kannten viele im Transrapid-Team die Zufälligkeiten im Umgang mit den Sicherheitsregeln", sagt der Hamburger Anwalt, der früher als ehrenamtlicher Geschäftsführer der globalen Anti-Korruptionsorganisation Transparency International gearbeitet und dort gelernt hat, die Ordensregeln der Wirtschaft auch einmal mit kritischer Distanz zu betrachten.

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