S/4HANA-Migration im Mittelstand

Umstieg auf S/4HANA - Tipps aus der Praxis

Tobias Lange ist CIO bei EagleBurgmann und verantwortet den globalen IT Bereich und das übergreifende Prozessmanagement. Sein Fokus liegt auf der Digitalisierung und Automatisierung der Geschäftsprozesse. Mit über 17 Jahren IT-Erfahrung in internen und Beratungsrollen verfügt er über einen breiten Erfahrungsschatz im Management von komplexen IT-Architekturen mit Schwerpunkt SAP.  
Auch bei den IT-Verantwortlichen mittelständischer Unternehmen sollte die Migration auf S/4HANA oben auf der Agenda stehen. Ein richtig geplanter pragmatischer Umstieg muss auch nicht zur Kostenfalle werden.
  • Grundlagen des Migrationsprojekts
  • Die passenden Teams aufbauen
  • Das richtige Projektmanagement
Das Upgrade auf S/4HANA klappt nicht auf Knopfdruck.
Das Upgrade auf S/4HANA klappt nicht auf Knopfdruck.
Foto: SAP SE

Der Druck auf SAP-Kunden ist weg. SAPSAP hat sich den Wünschen der Anwender gebeugt und die Wartung für die SAP Business Suite 7 bis 2027 verlängert. Also ist keine Eile mehr geboten für die Migration auf S/4HANA. Das kommt den rund zwei Dritteln aller Unternehmen zugute, die den Umstieg noch nicht vollzogen haben. Alles zu SAP auf CIO.de

Eine trügerische Atempause. Denn wer das Thema jetzt noch weiter aufschiebt, tut sich trotz der entzerrten Terminlage und auch in der aktuellen ökonomischen Lage keinen Gefallen. Es geht um mehr als eine lästige und teure technische Umstellung: S/4HANA kann mit der richtigen Strategie zu einem Nukleus für die konsequente Digitalisierung von Unternehmensstrukturen werden. Das hilft Unternehmen auf der Kostenseite, aber es kann auch unmittelbaren Kundennutzen schaffen – etwa, um global operierenden Kunden auch global durchgängige Services anbieten zu können.

Lesetipp: Der S/4HANA-Zug nimmt Fahrt auf - CEO Klein im Gespräch

Was aber gerade in Zeiten gekürzter Budgets und beschränkter personeller Ressourcen bleibt, ist die Sorge vor einem ausufernden Migrationsprojekt. Viele Verantwortliche haben Bedenken in Sachen Komplexität, Kosten, Business Continuity und langfristiger strategischer Ausrichtung in der IT.
Eine pragmatische Migration innerhalb eines Geschäftsjahres ist für einen mittelständischen Konzern dennoch ohne Weiteres möglich – das haben wir bei EagleBurgmann bewiesen und in zehn Monaten den Umstieg bewältigt. Allerdings müssen dafür die Voraussetzungen und die strategische Ausrichtung stimmen. Die folgenden vier Faktoren haben sich als entscheidend erwiesen.

Alles auf den Prüfstand mit Blick in die Zukunft

Mittelständische Industrieunternehmen können vor erheblichen Herausforderungen stehen, was die Digitalisierung und Automatisierung von Kernprozessen angeht. Diese Aufgaben sind mittelfristig mit den bestehenden Architekturen oft nicht zu bewältigen. Erst recht nicht, wenn Standorte global integriert und harmonisiert werden sollen.
Die Migration auf S/4HANA nur als Releasewechsel zu verstehen, greift dabei viel zu kurz. Sie eröffnet die Möglichkeit, Prozesse nachhaltig zu verbessern und sowohl aktuelle als auch zukünftige Business-Anforderungen abzubilden. Dafür braucht es die Unterstützung aus dem Management.

Eine weitere Chance ist, altes Customizing und Workarounds auf den Prüfstand zu stellen. Eine Entschlackung und ein Rückbau zum Standard – wo immer möglich – kann nur positiv sein. Wichtig ist, dass dieser Rückbau im direkten und ständigen Dialog mit den Fachabteilungen erfolgt. Diejenigen, die mit den Systemen arbeiten, müssen die Veränderungen kennen und sie aktiv unterstützen.

Die Anwender ins Boot holen

Ein externer Provider nimmt dem Unternehmen die Migration quasi als "Generalunternehmer" ab. Dieses Konzept hat gerade für den Mittelstand mit seinen begrenzten Ressourcen eine Menge Charme – und einige Nachteile. Denn für ein solches Projekt muss die Agenda des Unternehmens selbst maßgeblich sein, nicht die des Dienstleisters. Erfolg verspricht ein internes, starkes Team aus IT und Business, das den Prozess treibt und die Verantwortung teilt – also ein duales Modell.

Es stellt sicher, dass die einmal festgelegten Ziele nicht aus dem Blick geraten, und dass strategische Nachjustierungen frühzeitig vorgenommen werden können. Dieses Team muss gut zusammenarbeiten und schon im Vorfeld gut trainiert werden. Natürlich geht es nicht ohne externe Partner. Wo immer möglich, empfiehlt es sich, in erster Linie das interne Team coachen zu lassen und für die Aufgaben externe Hilfe einzubeziehen, wo intern noch kein Wissen und Erfahrungen vorhanden sind.

Pragmatisches, stringentes Projektmanagement

Oft bleiben S/4HANA-Projekte bereits bei der Entscheidung zwischen Brown- und Greenfield-Ansatz ein erstes Mal stecken. Hier bewährt sich – wie in der ganzen Projektplanung – eine gesunde Portion Pragmatismus. Ein hybrider Ansatz zwischen den beiden Ansätzen ist ein Kompromiss, der genügend Spielraum für die Zukunft offenhält und trotzdem eine solide Zeit- und Budgetplanung zulässt.

Unrealistische Maximalziele können zu einem "unendlichen" Projekt werden, das mehr Probleme schafft, als es löst. Bewährt hat sich eine "Timebox"-Methode: Innerhalb eines festgeschriebenen Zeitrahmens wird nur der Scope (Umfang) an Prozessverbesserung und Systemstandardisierung eingeplant, der auch realistisch umgesetzt werden kann. Wenn Engpässe auftreten, verlängert sich nicht die Projektdauer, sondern der Projekt-Scope muss angepasst werden.

Dem Unternehmen ist mit mehreren kürzeren, aber ausführbaren Projekten mehr geholfen als mit langfristigen Projekten, deren Benefit der Organisation erst viel später zugutekommt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine Reifegradprüfung vor Projektstart unerlässlich ist. Nur Projekte mit klarem Scope, klarem Ziel und einer fest definierten Planung werden gestartet. Das sichert den Projekterfolg und damit die Umsetzung von längerfristigen Roadmaps ab.

Migration in Angriff nehmen

Der Markt für die erforderlichen Dienstleistungen mag zwar kurzfristig wieder etwas entzerrt sein, aber die meisten Unternehmen – einschließlich großer Konzerne – haben die Umstellung auf S/4HANA noch vor sich. Die Provider und Berater können sich ihre Kunden aussuchen. Dabei kann ein mittelständisches Unternehmen Gefahr laufen, entweder auf die lange Bank geschoben oder von einem B-Team betreut zu werden. (bw)

Zur Startseite