Business Performance Management

Prozesse steuern in Echtzeit

07.06.2005 von Holger Eriksdotter
Business Performance Management (BPM) gilt als Schlüssel-Strategie, um Geschäftsabläufe effizienter und produktiver zu gestalten. Der Markt für BPMSoftware ist allerdings ebenso unübersichtlich wie die Begriffsvielfalt.

WER IM KREISE VON EXPERTEN das Buzz-Word „Business Performance Management“ (BPM) in den Mund nimmt, sollte sich besser gleich auf eine Debatte einstellen. Es herrscht eine babylonische Sprachverwirrung: Neben BPM werfen Anbieter in jüngster Zeit häufig auch Begriffe wie Corporate Performance Management (CPM), Enterprise Performance Management und Process Performance Management sowie Strategic Enterprise Management, Business Activity Monitoring und Performance Management Suites in den Markt. Die schönen Phrasen entstammen meist den Federn der Marketingabteilung, die ihre Produkte unter wohlklingenden Namen an den Mann bringen wollen.

Immerhin drehen sich alle Begriffe im Kern um das gleiche Ziel: Business-Prozesse zeitnah steuern und überwachen. Mit dem vermehrten Einsatz von Key Performance Indicators (KPI), getrieben von gesetzlichen Regelungen und zunehmender Unzufriedenheit mit traditioneller Budgetplanung, soll BPM die Rolle zufallen, die rückwärtsgewandte Perspektive von Business-Intelligence-Lösungen (BI) in einem „Closed-Loop“ – einem Regelkreis für die künftige Planung – zu nutzen.

BPM - planen, überwachen und steuern

In der Praxis fallen am häufigsten die Kürzel BPM und CPM, die weitgehend synonym verwendet werden. „Die grundlegende Idee von CPM ist besteht darin, Unternehmensziele und Geschäftsprozesse kontinuierlich aufeinander abzustimmen und konsistent zu halten“, sagt Analyst und Experte für IT-Strategie Wolfgang Martin. „Dabei arbeitet CPM als ein Closed-Loop-Modell, um die Leistung von Geschäftsprozessen aktiv zu managen. Das heißt zu planen, zu überwachen und zu steuern“.

Experte Martin hält allerdings das Kürzel CPM für eindeutiger. „CPM und BPM sind in der Tat zwei Begriffe für ein und dieselbe Sache. Ich bevorzuge den Begriff CPM, da die Abkürzung BPM mehrfach belegt ist – als Business Process Management oder auch Business Process Modeling.“ Die Marktforscher der Aberdeen-Group sprechen in ihrer Studie „Closed Loop – Corporate Performance Management Benchmark Report“ salomonisch von „xPM“.

Denn es geht nicht nur um eine begriffliche Unschärfe: Wenn verschiedene Anbieter von BPM reden, meinen sie keineswegs immer dasselbe. Mit dem Schlagwort xPM schmückt sich unterdessen alles, was irgendwie mit BI oder dem Messen und Steuern von Prozessen im Zusammenhang steht: vom Nischenanbieter für ETL (Extract – Transform – Load), Legal Consolidation oder Business Activity Monitoring über Spezialisten für Datenbanken, Datenintegration und OLAP-Tools (Online Analytical Processing) bis zu kompletten BI-Suiten und ERP-Systemen. „Das ist auch gar nicht so unrichtig“, sagt Carsten Bange, Geschäftsführer vom Business Application Research Center (Barc), „denn CPM-Lösungen bestehen, wie auch BI-Systeme, aus einer Vielzahl einzelner Funktionen und Komponenten. Die können sowohl in eine BI-Suite oder ein ERP-System integriert, aber auch als Best-of-Breed aus Lösungen verschiedener Spezialisten zusammengestellt sein.“

Ohne Business Intelligence geht nichts

Eine leistungsstarke BI-Komponente darf allerdings auf keinen Fall fehlen. „Der Einsatz von Teillösungen spezialisierter Anbieter macht nur im Zusammenhang mit einer BI-Infrastruktur Sinn, die konsistente Daten und Metadaten zur Verfügung stellt und so den Integrationsaufwand in Grenzen hält“, schreiben die Experten der Gartner-Group im „Market Focus: Corporate Performance Management“.

Dem klassischen BI-System fällt dabei die Rolle des Überwachens zu – Planen und Steuern geraten erst unter dem CPM-Blickwinkel in den Fokus. Denn während BI-Systeme zwar differenzierte Analysen, Modellrechnungen und Simulationen erlauben, sind sie grundsätzlich auf die Auswertung vergangener Ereignisse gerichtet. Ob und wie die Resultate in die künftige strategische Planung einfließen bleibt nicht selten dem Zufall überlassen – denn es fehlte bisher sowohl an einem strukturiertem Regelwerk als auch an Softwarelösungen, um die Ergebnisse für die zeitnahe Planung zu nutzen.

Schnell und besser auf Probleme reagieren

Natürlich muss der CPM-Zyklus der Dynamik des jeweiligen Marktes und der Kunden angepasst sein – wöchentlich oder täglich statt quartalsweise oder monatlich. Dabei geht es nicht nur um Geschwindigkeit, die CPM auch den irreführenden Namen „Realtime-BI“ einbracht hat. Denn CPM fügt dem retrospektiven BI-Blickwinkel zwei wesentliche Elemente hinzu: Auf der einen Seite bilden CPM-Systeme die Brücke zwischen der Formulierung und der Umsetzung strategischer Unternehmensziele, auf der anderen Seite sorgt der geschlossene Regelkreis (Closed-Loop) dafür, dass die Ergebnisse der Analyse zu definierten, nachvollziehbaren und schnellen Reaktionen führt. Es passiert also mehr als das Ausdrucken von Statistiken, wenn strategische KPIs aus dem Ruder laufen. Diese Reaktionen können sowohl durch manuellen Eingriff als auch automatisiert durch „Entscheidungsmaschinen“ erfolgen.

So basiert beispielsweise ein simples CRM-System für die Planung und Verwaltung von Kundenkontakten auf verschiedenen Kontaktstufen:
– Habe die Kontaktdaten
– Hatte schon Kontakt mit Kunden
– Kenne die Anforderung des Kunden
– Kenne das Budget des Kunden
– Habe ein Angebot geschrieben

Aus der Erfahrung – als Auswertung des BI-Systems – lassen sich relativ genaue Prognosen darüber treffen, auf welcher Stufe des Kundenkontakts mit welcher Prozentzahl an Abschlüssen zu rechnen ist.

Ein herkömmliches BI-System würde nun im besten Fall die Anzahl der Kontakte pro Stufe monatlich oder quartalsweise auflisten, möglicherweise aber auch nur retrospektiv die Umsätze vergangener Zeiträume ermitteln. Ein CPM-System könnte hingegen sofort Alarm schlagen, wenn die Anzahl der Kontakte einen Wert unterschreitet, der für den angestrebten Umsatz notwendig ist. Dazu rechnet das CPM-Tool die Umsatzerwartungen auf die Kontakte pro Stufe zurück und legt entsprechende KPIs für die einzelnen Kontaktstufen fest. Bei einer durchschnittlichen Durchlaufzeit von mehreren Monaten – vom Erstkontakt bis zum Vertragsabschluss – bliebe dem Marketing hinreichend Zeit, um der Entwicklung gegenzusteuern und neue Kontakte zu generieren.

Hier läge die strategische Aufgabe in der Formulierung von KPIs, die die Umsatzerwartung in Abhängigkeit von Kundenkontakten, möglicherweise für verschiedene Produkte oder Produktgruppen, ausdrücken. In diesem Beispiel könnte eine weitere Einsatzmöglichkeit des CPM-Systems darin bestehen, KPIs zu formulieren, die das Verhältnis von Erstkontakten zu Vertragsabschlüssen verfolgen und auf diese Weise die Effizienz des Vertriebs messen, um bei negativen Abweichungen Maßnahmen zur Verbesserung in die Wege zu leiten. In allen Fällen wichtig: die zeitnahe Messung und Auswertung der KPIs.

Von der Stange sind allerdings CPM-Lösungen nicht zu haben. Analyst Martin hat in seiner Studie „CPM – Corporate (Business) Performance Management – Kompendium Status und Trend: Operatives, taktisches und strategisches CPM“ den aktuellen Markt für CPMLösungen unter die Lupe genommen. Martin macht unmissverständlich klar: „Eine komplette CPM-Lösung, die alle Unternehmensprozesse abdeckt, ist heute noch nicht auf dem Markt verfügbar.“

Nischenanbieter oft leistungsfähiger

Auch die Gartner-Group rät Anwendern, sich auf die Integration der Komponenten verschiedener Anwender einzustellen, weil es noch keine Gesamtlösung gibt. Allerdings können die Gartner-Analysten dem auch eine positive Seite abgewinnen: Die Software der Nischenanbieter sei in ihrem speziellen Einsatzbereich in der Regel leistungsfähiger als die der Generalisten, sodass sich auch unter diesem Aspekt die Integration von Spezialapplikationen durchaus lohnen könne.

Zurzeit sieht Analyst und Berater Martin grundsätzlich zwei Wege, um in einem Unternehmen CPM-Funktionalität aufzubauen: „Entweder man setzt auf eine BI-Suite oder ein ERP-System mit BI-Funktionen auf, oder man stellt eine Best-of-Breed-Lösung aus den Komponenten verschiedener Anbieter mit Hilfe einer Integrationsplattform zusammen.“ Aber auch dann dürfe selbstverständlich die BI-Lösung nicht fehlen. „BI ist unabdingbare Voraussetzung für CPM, weil es die Metriken erzeugt und analytische Services per SOA Service Oriented Architecture) in Prozesse eingebunden werden müssen“, stellt Martin klar.

„Aus technischer Sicht stoßen hier zwei unterschiedliche Technologien für CPM von aufeinander: Traditionelle Business Intelligence trifft auf Business Integration“, sagt Analyst Martin. Deswegen sieht er auch die CPM-Lösungen aus zwei Lagern kommen: Auf der einen Seite seien die Anbieter von klassischen BI-Suiten und ERP-Anbieter mit entsprechenden BI-Funktionen gut aufgestellt. Im Kontext von CPM-Funktionen sieht er die BI-Suiten von Board MIT, Information Builders, Hyperion, QlikTech, SAS und IBM vorn, gefolgt von Business Objects, Cognos, Applix, Actuate oder Microstrategy. Bei ERP-Anbietern hält der er SAP und Oracle, aber auch den CRM–Spezialisten Siebel (mit Siebel Analytics) für gut gerüstet im Kampf um CPM-Marktanteile.

Integrationsanbieter auf dem Vormarsch

Auf der anderen Seite drängen Anbieter von Integrationslösungen in den jungen CPM-Markt. Vor allem bei Tibco, Axway, SeeBeyond, Vitria, Webmethods oder IDS-Scheer sieht Experte Martin gute Ansätze zur Integration von CPM-Funktionen. „Besonders Informatica und Ascential, das gerade von IBM gekauft wurde, eignen sich als Basis für BI-Anbieter“, sagt Martin.

Barc-Geschäftsführer Bange sieht CPM als reine Erweiterung von BI: „Das Performance Management umfasst die operative, taktische und strategische Planung und Steuerung als geschlossenen Kreislauf zwischen dispositiven und operativen Prozessen.“ Im Grunde würden einer BI-Suite Funktionen zur Strategieabbildung, Maßnahmenplanung sowie zur Integration und Planung operativer Geschäftsprozesse hinzugefügt. Deshalb erwartet er auf der Anbieterseite einen zunehmenden Trend zur Konsolidierung: „Schon zur Komplettierung ihrer BI-Lösungen haben große Anbieter kleinere Firmen gekauft. Der Trend wird sich fortsetzen, weil die BI-Anbieter zunehmend ihre Suiten im Hinblick auf CPM ausbauen werden, um ihren Kunden eine umfassende Gesamtlösung zu bieten.“

Ähnlich sehen es die Gartner-Analysten: Bis 2007, so ihre Prognose, werden die Anbieter von Komplettlösungen mehr als 90 Prozent des Marktes unter sich aufteilen. Gut die Hälfte der CPM-Nischenlösungen werde bis dahin verschwunden sein – entweder von den Großen geschluckt oder von der übermächtigen Konkurrenz aus dem Markt gedrängt. Auch Berater Marcus Heinzelmann von Horváth & Partners sieht Komplettlösung vorne. „Anbieter kompletter BI-Suiten sind im Vorteil: Entscheidend ist, wie gut betriebswirtschaftliche Funktionen abgebildet und in ein BI-System integriert sind.“ Die Anbieter von EAILösungen seien eher technologiegetrieben. „Zwar ist CPM nach der Gartner-Definition genau die Integration von IT und Betriebswirtschaft, aber als Berater sehen wir CPM aus der Managementperspektive des CFO. Die technische Integration, bei der EAI-Anbieter ins Spiel kommen, entspricht eher dem Blickwinkel des CIO“, erläutert Heinzelmann.

BI-Lösungen sind gute Ausgangsbasis

Wie man ein CPM-Projekt angeht, hängt aber nicht nur davon ab, welche Prozesse man mit CPM steuern will, sondern auch von der vorhandenen IT-Infrastruktur. „Man fängt ja nicht auf der grünen Wiese an. Und wer schon eine BI-Lösung im Hause hat, wird natürlich versuchen, diese auch für CPM einzusetzen und nicht alles neu zu kaufen“, sagt der Horváth-Berater Heinzelmann.

Gartner-Analyst Nigel Rayner verweist auf einen Pluspunkt für BI-Lösungen. „Viele Unternehmen haben ja schon BI-Systeme installiert. Für sie ist CPM der nächste logische Schritt, um den RoI der BI-Investition zu verbessern.“ Die klassischen BI-Funktionen wie Reporting, OLAP und Analyse reichten für die Planung und Steuerung eines Unternehmen nicht aus. „CPM erweist sich hier als das fehlende Puzzle-Teil.“

Für die ERP-Anbieter könnte CPM ein Feld sein, um verlorenes Terrain zurückzuerobern. Rayner: „Die ERP Anbieter haben ihre Systeme in letzter Zeit um CPMApplikationen erweitert. Rückblickend erklärt sich der Erfolg der BI-Suiten ja vor allem aus der Schwäche der ERP-Lösungen im Bereich des Reporting.“ Zwar hätten sie immer versprochen, dass der Einsatz kompletter ERP-Systeme auch einen umfassenden Überblick über alle Unternehmenszahlen bringen würde, aber dieses Versprechen nicht erfüllt. „Das Reporting integrierter ERP-Systeme war nicht sehr aussagekräftig, schwer zu bedienen, nicht konsistent über unterschiedliche Applikationen – und lieferte vor allem keine aussagekräftigen Zahlen für das Management. Diese Lücken wollen die ERP-Anbieter jetzt mit CPM-Applikationen schließen.“

Wie unübersichtlich auch immer der Markt ist: Die Gartner-Group rechnet mit Wachstumsraten in zweistelliger Höhe für die kommenden Jahre. Von 520 Millionen Dollar in 2003 soll der weltweite Markt mit durchschnittlich zehn Prozent im Jahr auf 920 Millionen Dollar 2009 anwachsen. Dabei räumen auch die Gartner-Analysten eine gewisse Unschärfe ein: Sie sprechen von einem „Composite-Market“ und rechnen die Zahlen aus dem Umsatz von CPM-Spezialanbie-tern sowie einem Prozentsatz von BI- und ERP-Anbietern hoch.