Führungskompetenz und Führungsstil

Als Chef sollte man der Dümmste im Raum sein



Seit 2008 fokussiert sich der ehemalige IT-Unternehmer und Bitkom-Hauptvorstand darauf, Führungskräfte und Mitarbeiter der IT-Branche als Coach und Trainer zu unterstützen. Er ist Autor des Fachbuchs "Führungspraxis für Ingenieure und IT-Experten"
Wer als Experte zur Führungskraft wird oder ein Unternehmen aufbaut, hat häufig enorme Ansprüche an sich selbst. Aber muss der Chef immer besser sein als das Team? Nein. Lesen Sie hier, warum.
Der Chef muss sich einfach den Druck nehmen, fachlich der Beste zu sein, seine Kunst besteht darin, das Team zu Höchstleistungen zu führen.
Der Chef muss sich einfach den Druck nehmen, fachlich der Beste zu sein, seine Kunst besteht darin, das Team zu Höchstleistungen zu führen.
Foto: marvent - shutterstock.com

Mit einem charismatischen und in allen technischen und geschäftsrelevanten Themen versierten Überflieger als Chef entstehen manchmal Unternehmen wie Apple. Doch es kann auch zum Bumerang werden und den langfristigen Erfolg des Unternehmens unmöglich machen. Dieser Artikel betrachtet, warum man als ChefChef der Dümmste im Raum sein sollte, wenn man mit seinen Mitarbeitern zusammensitzt. Ja, das meine ich ernst.
Wobei sich "dumm" auf die fachliche Expertise bezieht, nicht unbedingt auf die Geschäfts- und Führungsfähigkeiten. Alles zu Personalführung auf CIO.de

Aber warum soll der Chef der Dümmste im Raum sein?

Ganz einfach.

Machen wir den Gegenbeweis: Stellen wir uns vor, der Chef sitzt mit seinen wichtigsten Mitarbeitern zusammen. Jeder Mitarbeiter ist für bestimmte Themen zuständig. Aber der Chef ist in all diesen Themen der Beste - oder er glaubt es zumindest. Dies kann zwei Gründe haben und die folgenden Konsequenzen mit sich bringen:

Der Chef stellt nur inkompetente Ja-Sager ein

Dann ist er in Wirklichkeit kein Chef, und erst recht kein Leader, sondern nur jemand, der Lakaien um sich versammelt, die seine Befehle ausüben und nicht mitdenken sollen. Das kann sogar für einige Zeit funktionieren. Aber früher oder später wird es zu einem Desaster führen. Wenn das Unternehmen wächst oder die Fähigkeiten des Chefs nicht mehr ausreichend sind, um mit geänderten Anforderungen der Kunden, des Marktes oder technologischen Entwicklungen Schritt zu halten, dann gibt es auch im Unternehmen niemanden, der einspringen und aushelfen kann.

Denn Mitdenken oder anders als der Chef zu denken war nie gewünscht. Also haben es die Mitarbeiter entweder verlernt oder es wurden ohnehin keine Mitdenker eingestellt.

Der Chef hat jeglichen Bezug zur Realität verloren

Es könnte sein, dass dieser Chef - vor allem in Anfangszeiten - die größte Expertise besitzt. Gerade in Startups oder bei der Gründung neuer Bereiche ist dies oft der Fall. Doch wenn die eingestellten Mitarbeiter keine Idioten sind, dann werden sie schnell vom Chef und voneinander lernen. Irgendwann sind sie dann, zumindest in einzelnen Themen, besser als der Chef.

In dem Moment würde die Selbstüberschätzung des Chefs dazu führen, dass die Mitarbeiter bemerken, dass ihre Weiterentwicklung gar nicht gewünscht ist. Ein solcher Chef wird in aller Regel die Mitarbeiter unterdrücken, die seine Expertenstellung gefährden könnten - falls er nicht so selbstverliebt ist, dass er gar nichts von deren Entwicklung mitbekommt.

Wie dem auch sei, wirklich gute Mitarbeiter werden eine solche Arbeitssituation nur für kurze Zeit mitmachen - und sich dann eine Firma suchen, in der ihre Expertise gefragt ist und sie sich weiterentwickeln können. Oder sie machen sich selbständig und dem ehemaligen Chef ordentlich Konkurrenz.

Das eigentliche Dilemma: Wenn Experten zu Chefs werden

In meinen Führungskräfte-Seminaren sitzen oft hervorragende Experten aus den Bereichen Entwicklung, Software, Recht oder Finanzen. Diese Personen wurden in ihre Führungsrolle befördert, weil sie ihren fachlichen Job wirklich gut machen und die einzige Möglichkeit der Förderung darin besteht, ihnen Personalverantwortung zu geben.

Diese Experten gehen meistens mit dem Glauben an ihre Führungsaufgabe heran, dass sie weiterhin über alles im Detail Bescheid wissen und die Besten sein müssen. Doch wer plötzlich zehn Software-Entwickler führt, die sich auf verschiedene Technologien konzentrieren und täglich damit arbeiten, der kann über kurz oder lang gar nicht mehr alles wissen. Er (oder sie) hat schlichtweg nicht die Zeit dazu.

Lesetipp: Die größten Anfägerfehler als Chef

Wenn wir also in den Seminaren über dieses Thema sprechen und den Führungskräften ihr Dilemma klar wird, fällt ihnen oft ein Stein vom Herzen. Denn viele leiden enorm unter dem selbst auferlegten Druck, immer besser als ihre Mitarbeiter sein zu wollen. Ja, es gibt Ausnahmen, die dazu in der Lage sind. Aber das sind die absoluten Ausnahmen und die haben es auch nicht leicht.

Sobald der Druck, als Chef der "Über-Experte" sein zu müssen, genommen ist, entsteht eine neue Frage. Eine Frage, die tiefer geht:

"Wozu braucht es mich als Führungskraft noch, wenn ich meinen Mitarbeitern nicht in jedem ihrer Themen direkt weiterhelfen und Lösungen liefern kann?"

Dass der Chef "fachlich" nicht immer der Beste sein muss, weiß auch Stromberg:

Was Führungskräfte von Sportcoaches lernen können

Diese Führungskräfte müssen dann ein neues Selbstverständnis und Rollenverständnis entwickeln.

Dazu greife ich immer auf das Beispiel des Sporttrainers zurück. Ob Fußball-, Hockey-, Tennis- oder Lauftrainer - keiner dieser Trainer wird besser sein als seine Athleten. Der Lauftrainer eines 100 m-Sprinters wird niemals so schnell sein wie der Sprinter und ein Fußballtrainer niemals so agil wie sein 100 Millionen Euro teuer Superstar. Dennoch werden für Fußball-Trainer Millionengehälter bezahlt.

Warum? Ganz sicher nicht, um den Jungs das Kicken beizubringen. Das können die im Schlaf. Sondern um das Beste aus ihnen herauszuholen. Um eine geeignete Taktik für das nächste Spiel zu bestimmen oder durch neue Teamzusammensetzungen neue Impulse zu setzen. Das ist die Aufgabe des Trainers.

Und wenn das Spiel richtig schlecht läuft, dann wechselt sich der Trainer auch nicht selbst ein. Er bleibt am Spielfeldrand.

Doch wie gerne wechselt sich eine Führungskraft selbst ein, wenn es um besonders herausfordernde Aufgaben geht oder das Team unter Druck steht! Wobei… Dies mag in Ausnahmefällen sogar richtig sein.

Doch viele Führungskräfte wechseln sich täglich ein und vernachlässigen dadurch ihre Führungsaufgabe, nämlich ihr Team und die Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter zu entwickeln. Würden sie das jedoch tun, könnten sie ihrer wahren Aufgabe vom Spielfeldrand aus nachgehen.

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Wenn die Mitarbeiter besser als der Chef sind

Sorgt eine Führungskraft dafür, dass die Mitarbeiter um sie herum fachlich besser sind als sie, dann stellt sich die Frage nach ihrer Existenzberechtigung. Aber würde jemals eine Fußballmannschaft die Daseinsberechtigung ihres Trainers in Frage stellen?
Nein - Oder doch. In einem Fall…

Nämlich dann, wenn es dem Trainer nicht gelingt die Mannschaft voranzubringen, gute Strategien für das nächste Spiel zu entwickeln oder Spieler in die Schranken zu weisen, die ihren eigenen Erfolg über den des Teams stellen.

Eine Führungskraft sollte in einer Funktion Exzellenz zeigen: In der Führung!

Sie muss beispielsweise

  1. Durch gute Fragen und Perspektivwechsel den Experten auf dem Weg zur Lösung neuer Herausforderungen helfen

  2. Stärken und Schwächen der Experten wahrnehmen - sowohl fachliche als auch "weiche" Fähigkeiten wie Kommunikation, Kooperation oder respektvoller Umgang - und entsprechend fördern

  3. Ein für die aktuelle Aufgabe optimales Team zusammenstellen

  4. Den Überblick behalten und die Balance schaffen zwischen Tagesgeschäft und langfristigen Strategien

  5. Eine optimale Kommunikationszentrale sein, die sowohl wichtige Informationen vom Top-Management an das Team weitergibt, als auch Erkenntnisse und Vorschläge aus dem Team an das Top-Management kommuniziert

  6. Geschäftssinn und Mut haben, schwierige Entscheidungen zu treffen

Eine Führungskraft wird von ihrem Team dann geschätzt, wenn sie dem Team hilft besser zu werden und sich auf die wichtigen Aufgaben konzentrieren zu können.

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