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Time-to-Market bei O2

Schneller in den Markt

Dr. Klaus Manhart hat an der LMU München Logik/Wissenschaftstheorie studiert. Seit 1999 ist er freier Fachautor für IT und Wissenschaft und seit 2005 Lehrbeauftragter an der Uni München für Computersimulation. Schwerpunkte im Bereich IT-Journalismus sind Internet, Business-Computing, Linux und Mobilanwendungen.
Wie bringt man ein neues Produkt in sechs Wochen auf den Markt? Auf Standards setzen, Komplexität rausnehmen und die IT-Entwicklung verschlanken, meint Alexander Röder, CIO beim Mobilfunkkonzern O2.

„SHORTENING TIME-TO-MARKET“ – die Verkürzung der Zeitspanne von der Idee bis zur Markteinführung eines Produktes – entwickelt sich zum Standard-Vokabular in allen Branchen. Selbst die Bekleidungsindustrie ändert ihre traditionell langen Innovationszyklen von zwei Kollektionen pro Jahr. Warenhauskonzerne wie H&M und Zara entwerfen und produzieren in einem Rhythmus von sechs bis zehn Wochen. Aktuell ist im Mobilfunk die Flatrate das typische Beispiel, bei dem eine kurze Time-to-Market entscheidend für den Erfolg ist. „Bis vor zwei Jahren hätten wir eine Flatrate nicht unter einem halben Jahr einführen können“, sagt CIO Alexander Röder, der gleichzeitig Geschäftsführer Information Systeme (IS) bei O2 ist. „Jetzt haben wir es geschafft, den Pauschaltarif in sechs Wochen auf den Markt zu bekommen.“

Zweiter Platz trotz heterogener IT

O2 war damit immerhin Zweiter bei den Telefon-Flatrates, hinter dem Konkurrenten E-Plus, der seine Base- Flatrate zwei Wochen früher startete. Mehrere tausend Pauschaltarife hat O2 bereits in den ersten zwei Wochen nach Freischaltung verkauft. Als größter Hemmschuh erwies sich dabei allerdings die heterogene, zersplitterte IT-Umgebung – eine Auswirkung der Geschichte des Unternehmens. „Man muss verstehen, wo wir herkommen“, sagt Röder. „Damals bei Viag Interkom wurde versucht, alles möglichst schnell zu machen. Man kaufte hier ein Softwarepaket und dort eines und baute alles zusammen. Das Ergebnis war eine heterogene IT-Infrastruktur. Deren Komplexität verlangsamte die Implementierung neuer Produktideen erheblich.“ Für den CIO war die Folgerung deshalb klar: beim Entwickeln möglichst wenig Applikationen anfassen, auf Standardsoftware setzen und wiederverwendbare Module generieren. Mit dieser Vorgabe wurde im Jahr 2004 das Ziel formuliert, bis 2008 die Time-to-Market auf 50 Prozent des Wertes von 2004 herunterzufahren.

Das Schlagwort „Configure, not customize” bringt diese neue Philosophie zum Ausdruck. Customization mit aufwändigem Codieren und Umcodieren von Software soll möglichst vermieden werden. Angestrebt wird ein reines Konfigurieren, bei dem der Standard-Code unverändert bleibt und nur das Layout modifiziert wird oder neue Tarifdaten eingegeben werden. „Der prozentuale Anteil von Customize ist für die Entwickler bonusrelevant“, erklärt Röder. „Er sollte nicht mehr als fünf Prozent etwa einer Billing- oder nicht mehr als 25 Prozent einer CRM-Software ändern. Das ist direkt verbunden mit seinem jährlichen Bonus.“

Die Time-to-Market bei den O2-Produkten liegt derzeit zwischen einem und 300 Tagen – Tendenz nach unten. Wie lange die Zeitspanne von der Idee bis zum Markteintritt dauert, hängt von der Komplexität des Design- und Änderungsprozesses für das jeweilige Produkt ab:

Der einfachste Fall sind so genannte „Fast Tracks“, wie etwa eine Tarifänderung. Hier muss der IS-Bereich nur bedingt eingeschaltet werden, denn die Modifikationen sind sehr gering. Die IT-Entwickler haben hierfür einen „Tarif Wizzard“ als Web-GUI geschrieben, mit dem die Produktmanager neue Tarife selbst auf ihren Windows-Rechnern generieren können. Lediglich kleinere Änderungen an der korrespondierenden Billing-Software müssen vereinzelt durch die IT-Entwickler programmiert werden. Der Aufwand reduziert sich somit auf wenige Tage.

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