Diesel-Fahrverbote drohen

Angela Merkel kümmert sich um das Diesel-Thema

06.09.2017
Drei Wochen vor der Bundestagswahl macht die Kanzlerin das Thema Diesel zur Chefsache. Kein Wunder, Sorgen vor Fahrverboten treiben viele um. Ganz solo überlassen will ihr die SPD die Bühne aber nicht.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist sowohl gegen ein Verbot von Verbrennungsmotoren als auch gegen Fahrverbote.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist sowohl gegen ein Verbot von Verbrennungsmotoren als auch gegen Fahrverbote.
Foto: 360b - shutterstock.com

Millionen Autobesitzer sind Millionen Wähler. Das weiß auch die Politik und schaltet im Bundestagswahlkampf gerade hoch in den Kümmermodus. Drohende Fahrverbote in Städten wegen schmutziger Diesel haben akute Verunsicherung ausgelöst - und mobilisieren nicht zuletzt Angela Merkel (CDU).

Dabei hat sich die Autokanzlerin lange nur gedämpft zum Abgasskandal geäußert, der die Schlüsselbranche mit ihren fast 800000 Jobs so heftig durchschüttelt. Überhaupt kommt der Autowahlkampf auf Touren. Es geht um ein Ende des Verbrennungsmotors, privates Geld für den Autobahnbau und den Dauerbrenner Pkw-Maut.

Nachdem sie während des heiklen ersten Dieselgipfels ihrer Regierung vor vier Wochen im Urlaub blieb, schaltet sich die Kanzlerin jetzt auch direkt ein. Am Montag holte sie die Oberbürgermeister aus der halben Republik an einen Tisch. Plakatives Signal: Es wird Chefsache, die Luft in Städten mit hoher Belastung durch Stickoxide (NOx) aus Diesel-Auspuffen zu verbessern. Das ruft prompt die SPD auf den Plan, die kurz vor der Wahl keiner reinen Merkel-Show zuschauen will. Und so stößt auch Außenminister Sigmar Gabriel als sozialdemokratisches Schwergewicht zur Runde - in Vizekanzler-Funktion, wie es heißt.

Autohersteller bieten lediglich Software Updates

Über die Wege, wie gerichtlich erzwungene Fahrverbote zu verhindern sind, tobt ohnehin schon der Wahlkampf. Die deutschen Hersteller sagten Anfang August neue Abgas-Software für zusätzliche 2,8 Millionen Autos zu und machen Extraprämien locker, damit Besitzer älterer Diesel sich einen saubereren Neuwagen zulegen. Doch reicht das aus? Forderungen nach Umbauten auch direkt an den Motoren ließen die Konzerne abprallen. "Ich möchte meine Ingenieure eigentlich gern zukunftsorientiert arbeiten lassen", sagte VW-Boss Matthias Müller.

Merkel will zumindest vorerst nicht ihre Autorität in die Waagschale werfen, um weitere Zugeständnisse der Konzerne herbeizuführen. Sie zielt stattdessen auf Maßnahmen direkt in stark belasteten Städten: Verkehrsleitsysteme gegen Staus, Umrüstungen von Bussen und Taxen, mehr Ladestationen für Elektromobile. Beim ersten Dieselgipfel sagte der Bund bereits 250 Millionen Euro für einen Förderfonds zu, den die HerstellerHersteller tunlichst um die gleiche Summe aufstocken sollen. Top-Firmen der Branche Automobil

Grüne wollen Diesel- und Benzin-Motoren verbieten

Neben Krisenmanagement geht es im Wahlkampf längst auch generell um die Zukunft des Autostandorts Deutschland. Vor der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) Mitte September in Frankfurt mahnt die Politik mehr Tempo von der stolzen Branche an, was neue Antriebe wie Elektro, Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe anbelangt. Zum Reizthema ist geworden, ob der Staat noch extra Druck aufbauen soll.

Am weitesten gehen die Grünen, die ab 2030 keine Diesel und Benziner mehr neu zulassen wollen. Parteichef Cem Özdemir hat einen "Einstieg in den Ausstieg" aus dem Verbrennungsmotor zur Koalitionsbedingung erklärt - aber das Jahr 2030 ist keine rote Linie. Denn die Ökopartei will sich ein Bündnis mit der Union nicht verbauen, das nach aktuellem Umfragestand die einzig realistische Machtoption wäre.

CDU/CSU stehen zum Verbrenner

Merkel blinkte kurz grün, indem sie in diesem Kontext von einem "richtigen Ansatz" sprach. Inzwischen betont sie aber bei jeder Gelegenheit, dass die Verbrenner noch "auf Jahrzehnte" wichtig seien. CSU-Chef Horst Seehofer schließt ein Verbot rundweg aus.

Dabei kommt das Umweltthema Abgas den Grünen gelegen. Allerdings will die Partei aufpassen, nicht als Befürworter von Fahrverboten dazustehen - über die am Ende Gerichte entscheiden könnten. Özdemir wird nicht müde zu betonen, dass seine Partei die Autoindustrie ja nur zukunftsfit machen wolle. Auch der bedächtige Winfried Kretschmann, grüner Regierungschef im Daimler-Porsche-Land Baden-Württemberg, bremst den Umwelt-Idealismus sanft ab.

SPD ohne klare Linie

Ähnlich geht es der SPD, die traditionell ein Ohr für die mächtigen Auto-Betriebsräte hat. Kaum macht Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) Druck für Hardware-Nachrüstungen, gibt Gabriel zu Protokoll, da werde ein zentraler Wirtschaftszweig gefährdet, "nur weil es gerade in Mode ist". SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz präsentierte einen Fünf-Punkte-Plan, vom dem vor allem das Ziel einer europäischen Zulassungsquote für Elektroautos hängenblieb - dies wäre aber EU-Sache und dürfte damit in weiter Ferne liegen.

Ins Wahlkampfvisier nimmt der Merkel-Herausforderer inzwischen auch den CSU-Verkehrsminister. Der "ganz große Politiker" Alexander Dobrindt habe umstrittene Autobahnprivatisierungen ja "schön in den Teich gesetzt", höhnte Schulz. Das zielt auf die Finanzprobleme des privaten Betreibers eines Abschnittes der A1. Dobrindt schoss prompt gegen den "Weltpolitiker aus Würselen" zurück, unter Unionsführung seien "sozialdemokratische Anfängerfehler" bei solchen privat finanzierten Autobahnbauprojekten beseitigt worden.

Und dann ist da noch die Pkw-Maut. Dobrindt bekam sie in der großen Koalition knapp über die politischen Hürden. Ob Autofahrer wirklich wie vorgesehen 2019 zur Kasse gebeten werden, dürfte sich aber erst in Koalitionsverhandlungen entscheiden. Zur Klärung der Fronten hat der Wahlkampf beigetragen: Nachdem nun auch Schulz die Maut für den Fall eines Siegs zum Abschuss freigibt, steht die Union mit ihrem Ja zum ewigen Herzensprojekt der CSU inzwischen allein da. (dpa/rs)

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