Konzernchef Klein unter Druck

Die Cloud-Strategie von SAP muss greifen

19.07.2022
Die Strategie von SAP-Chef Christian Klein rund um die Cloud-Programme muss sitzen, damit das Dax-Schwergewicht bald wieder steigende Ergebnisse vorweisen kann.
SAP-Chef Christian Klein steckt derzeit viel Geld in die Beschleunigung des Wachstums beim Cloud Computing.
SAP-Chef Christian Klein steckt derzeit viel Geld in die Beschleunigung des Wachstums beim Cloud Computing.
Foto: SAP

Dieses Jahr geht SAP noch von sinkenden operativen Ergebnissen aus - nur im Idealfall dürfte vor Zinsen, Steuern und Sondereffekten das Niveau des Vorjahres erreicht werden, so lautet zumindest bis dato die offizielle Planung. Dafür soll es ab dem kommenden Jahr umso deutlicher bergauf gehen, nämlich mit prozentual zweistelligen Wachstumsraten. Spannend könnte mit den frischen Zahlen werden, wie sehr der schwache Euro Einfluss auf die Werte nimmt. SAPSAP formuliert den eigenen Ausblick ohne Währungseinflüsse. Alles zu SAP auf CIO.de

In der Vergangenheit betonte SAP immer, gerade in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten bei den Kunden gut ins Gespräch zu kommen, weil diese dann gezwungen seien, über bessere IT und schlankere Prozesse nachzudenken. In der Corona-Pandemie erlitt aber auch SAP teils deutliche Rückschläge. Dass mit dem Wegfall des russischen Geschäfts infolge der Invasion von Kreml-Herrscher Wladimir Putin ins Nachbarland Ukraine rund 400 Millionen Euro Umsatz wegfallen, ist schon klar - wie stark die anstehenden weltweite Konjunkturschwäche den Konzern belastet, dagegen noch nicht.

Margenerholung verschoben

Klein hat den Takt in der Cloud merklich verschärft und dafür die von vielen Anlegern ersehnte Margenerholung hinten angestellt. Neben Investitionen in die Technik der Cloudplattform dürften auch die finanziellen Anreize für den Vertrieb ins Gewicht fallen, der die Cloudversion der Kernsoftware S4 Hana bei den Kunden pushen soll.

Viel Zeit bleibt Klein beim Balance-Akt zwischen Wachstum und Rendite nicht: Der US-Erzrivale Oracle macht schließlich Fortschritte beim Verkauf der cloudbasierten Programme zur Unternehmenssteuerung - eine Domäne von SAP. Und der Vertriebs- und Kundenmanagementspezialist Salesforce droht die Walldorfer beim Umsatz schon bald zu überholen.

Immerhin hat Klein nach eigener Darstellung mit den technischen Problemen des Angebots inzwischen aufgeräumt. Die Datenbasis wurde großteils vereinheitlicht, die verschiedenen Softwarepakete besser verzahnt. Weil die Kunden aber noch immer mit dem extra ersonnenen Cloud Software "Rise with SAP" hadern, ist noch viel Überzeugungsarbeit nötig.

Warum geht der SAP-CFO?

Zudem kommen SAP auch atmosphärische Störungen in die Quere. Wie aus heiterem Himmel kündigte Finanzchef Luka Mucic im Frühjahr seinen Abschied für den kommenden März an. Warum der am Kapitalmarkt für seine scharfen Analysen geschätzte Top-Manager eigentlich geht, wurde nicht so recht klar, in verschiedenen Medien war von internem Streit die Rede. Er werde schon einen neuen Job finden, ließ sich Aufsichtsratschef und Mitgründer Hasso Plattner zitieren, schließlich werde man ihm "ein erstklassiges Zeugnis" ausstellen. Er wünschte sich im "Handelsblatt"-Interview vor allem eine bessere Kapitalmarktkommunikation - die SAP-Zahlen seien schließlich besser als die von Oracle, aber die Amerikaner hätten die besseren Bilanzpressekonferenzen.

Der Abgang Mucics reiht sich ein in häufige Personalwechsel in der oberen Führungsriege. Klein versammelt dabei vor allem Getreue um sich. Plattner, der in Walldorf an vielen Ecken und Enden nach wie vor die Strippen in der Hand hält, gilt als große Stütze des 42 Jahre jungen Vorstandschefs. Auch aus dem Streit mit der damaligen Co-Chefin Jennifer Morgan nach nur rund einem halben gemeinsamen Jahr an der Konzernspitze ging das SAP-Eigengewächs vor rund zwei Jahren als Sieger hervor.

In Presseberichten wie jüngst im "Manager Magazin" heißt es, dass Klein auch im Tagesgeschäft nicht zimperlich agiert und wenig Kritik duldet - das könnte ihm bei der besonderen Belegschaftsstruktur mit diskussionsfreudigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch intern das Leben schwerer machen. Klein betont hingegen, dass die Stimmung im Unternehmen gut sei.

Das sagen Analysten

Experte Mohammed Moawalla von Goldman Sachs schätzte jüngst in einer Studie, dass die Geschäfte von SAP in Nordamerika und Europa widerstandsfähig seien und zuletzt weiter rund liefen. Allerdings dürfte der Lizenzverkauf in einigen Schwellenländern unter Druck gekommen sein. Entscheidend für Anleger dürften die weiteren Aussichten im wirtschaftlichen Umfeld sein, aber auch das Wachstum bei den Aufträgen für die Cloud-Produkte. Wegen der Abkühlung der Wirtschaft kürzte Moawalla seine Schätzungen bei Umsatz und Ergebnissen für die kommenden Jahre teils deutlich zusammen. Allerdings könne SAP bei den Kosten auch flexibel gegensteuern, meinte er.

Die Barclays-Experten um James Goodman verwiesen auf Aussagen des Managements, dass rund 200 Millionen Euro der Ergebnisbelastung in Höhe von rund 350 Millionen Euro aus dem Russland-Ausstieg das zweite Quartal treffen dürften. Das allein koste bei der Veränderung des währungsbereinigten operativen Ergebnisses voraussichtlich zehn Prozentpunkte und sei im Konsens der Markterwartungen noch nicht vollständig eingegangen. Außerdem hänge die Ganzjahresprognose auch davon ab, dass das Geschäft tatsächlich im vierten Quartal wie angedeutet für einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag verkauft werden könne.

Getrieben von der Cloud-Sparte dürfte der Gesamterlös nach dem von SAP beauftragten Stimmungsbild im zweiten Quartal um rund 11 Prozent auf 7,4 Milliarden Euro geklettert sein. Das Wachstum der Cloud Software schätzen die 20 Analysten dabei auf fast 32 Prozent. Das bereinigte operative Ergebnis wird aber wohl um acht Prozent auf 1,77 Milliarden Euro fallen, die entsprechende Marge um fast fünf Prozentpunkte auf 24 Prozent absacken.

Unter dem Strich rechnen die Experten im Schnitt mit nur 542 Millionen Euro Gewinn nach 1,45 Milliarden vor einem Jahr. Vielfach hatte in jüngerer Vergangenheit das Bewertungsergebnis der Risikokapitalbeteiligung Sapphire Ventures gestützt - mit den schwachen Aktienmärkten und fallenden Bewertungen von Start-ups kann sich SAP wohl diesmal aber nicht darauf verlassen.

Bei ihren Empfehlungen sind die Finanzexperten - auch wegen des Kurssturzes an den Börsen - mehrheitlich der Meinung, die Aktie biete Chancen. 15 von 22 Stimmen raten zum Kauf, die restlichen sieben zum Halten des Papiers. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 117 Euro - rund ein Drittel mehr als der aktuelle Kurs.

So läuft die SAP-Aktie

Nachdem sich die Aktie bis Anfang des Jahres aus ihrem Tief herausgearbeitet hatte und wieder auf dem Niveau lag, das der Kurs vorm Kassieren der Mittelfristziele im Herbst 2020 hatte, ging es danach wieder scharf mit dem Markt bergab. Von um die 120 Euro fiel das Papier bis deutlich unter die 90 Euro. Im Tief war die Aktie für unter 84 Euro zu haben. Mit einem Minus von rund 30 Prozent liegt SAP in diesem Jahr im unteren Mittelfeld im Dax.

Den Platz des Dax-Primus als wertvollster deutscher börsennotierter Konzern hat SAP schon vor geraumer Zeit abgeben müssen. Mit einem Börsenwert von derzeit rund 107 Milliarden Euro ist der Abstand zum Spitzenreiter Linde mittlerweile beachtlich, der Gasekonzern bringt rund 137 Milliarden auf die Waage.

Zum Vergleich: US-Software-Konkurrent Oracle kommt bei der Marktkapitalisierung auf 187 Milliarden Dollar (184 Mrd Euro), Salesforce auf 167 Milliarden Dollar (165 Mrd Euro).

Langfristig ist SAP an der Börse immer noch eine Erfolgsgeschichte. Gegen Ende des vorigen Jahrzehnts 2010 war das Papier um die 35 Euro wert. Im September 2020 erreichte die Aktie ihr Rekordhoch bei über 143 Euro. (dpa/rs)

Zur Startseite