AUSBILDUNG

Experten on demand

05.11.2001
Institute wie die von der Bertelsmann-Stiftung initiierte Akademie Ostwestfalen bieten maßgeschneiderte IT-Ausbildungen. Doch zahlungswillige Arbeitgeber für die Absolventen sind nur schwer zu finden.

MICHAEL BÖHLE versteht die Welt nicht mehr. Der Ausbildungs-Manager an der Akademie Ostwestfalen in Gütersloh spielt Bass; außerdem singt er – am liebsten Blues: für seine und mit seinen Studenten. Und trotzdem bekommt er seinen Laden nicht voll. Dabei war alles so gut durchdacht, die Idee brillant, eine sichere Nummer – so schien es. Böhle und seine Leute versprechen nichts weniger, als hoch qualifiziertes IT-Personal nach dem individuellen Bedarf von Firmen auszubilden. Doch statt auf volle Wunschlisten stößt das Angebot auf Sprachlosigkeit. Ein wesentlicher Grund: „Viele Firmen können ihren Bedarf nicht formulieren“, vermutet Böhle. Personalverantwortliche wüssten oft gar nicht, was in ihren IT-Abteilungen eigentlich genau gebraucht werde. Die ersten 10 Studenten, die im November letzten Jahres an der Akademie gestartet sind, arbeiten bereits seit zwei Monaten als Web-Developer in verschiedenen Unternehmen. Auch die 18 Internet-Systemspezialisten (Unix) und Spieledesigner stehen kurz vor ihrem Abschluss. Neue Kurse mit beliebigen Ausbildungszielen können bei ausreichender Nachfrage eingerichtet werden. So begannen im Frühjahr 26 Studenten in Kursen zum Anwendungsentwickler Internet und zum Datenbank- oder Internet-Systemspezialisten. Im August waren damit insgesamt 44 Schüler an der Akademie eingeschrieben. Die IT-Schmiede war damit aber immer noch halb leer. Die Lehrenden kommen aus der Praxis und arbeiten in der Regel selbst seit vielen Jahren in IT-Unternehmen. Bei der Ausbildung setzt Böhle stark auf Schlüsselqualifikationen, vor allem auf Kommunikations- und Teamfähigkeit. Die Absolventen, verspricht er, werden sozial kompatibel, wenn nicht gar vorbildlich sein. „Wer hier rausgeht, soll schließlich mal eine Abteilung leiten, mit Menschen umgehen und wichtige Entscheidungen treffen können.“ Das setzt Persönlichkeit voraus, die sich nicht in Programmierkursen entwickelt. Deshalb ermuntert der Musiker seine Studenten auch, ein Instrument zu spielen oder eben mit ihm zu singen. Vor allem jedoch fordert der Akademie-Manager die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen. Böhle: „Wer kann heute schon sagen, was morgen gebraucht wird?“ Ein Patentrezept hat er nicht, auch wenn die Seminarinhalte in Absprache mit den Unternehmen kontinuierlich überarbeitet und an neue Anforderungen angepasst werden. Konkurrenz durch Konzerndenkfabriken Böhle kennt die Lebensläufe, die Stärken und die Schwächen aller Kursteilnehmer. Zum Beispiel die von Panagiolis Margetis. Seinen ehemaligen Arbeitgeber, einen Opel-Händler in Bielefeld, beeindruckte der Internet-Autodidakt damit, dass er als kaufmännischer Angestellter ein Netzwerk für Qualitätssicherung installierte. Angst davor, dass er an der Akademie vom motivationsstarken Generalisten zum Spezialisten mit reduzierter Perspektive mutieren könnte, hat der 26-Jährige nicht. „Echte Spezialisten werden wir erst in der Praxis“, ist er überzeugt. Zurzeit stehen laut Böhle 700 Anwärter auf der Liste der Akademie. Bewerben kann sich im Prinzip jeder; den interessierten Unternehmen werden dann einige Kandidaten vorgeschlagen. Die Firmen finanzieren die Ausbildung on demand mit 35000 bis 50000 Mark pro Absolvent. Diese verpflichten sich, mindestens drei Jahre lang bei ihrem neuen Arbeitgeber zu bleiben. Die Kosten schrecken offenbar viele Firmen ab. Kurzfristiges Spardenken schlägt oft mittelfristige Personalplanung. Erschwerend kommt hinzu, dass derzeit viele Firmen ihre IT-Budgets zurückfahren oder zumindest überdenken. Außerdem bilden Konzernriesen wie Siemens oder SAPSAP ihren Nachwuchs ohnehin in eigenen Denkfabriken aus. Böhle hofft deshalb, den Mittelstand als Klientel gewinnen zu können und akquiriert unverdrossen weiter. Davon, dass die Studenten von verschiedenen Firmen an die Akademie gebracht werden, hängt viel ab. Nur mit einer breit gestreuten Kundenliste lässt sich das Kriterium der Unabhängigkeit erfüllen, und nur dann behält die bislang zum Großteil von der Bertelsmann-Stiftung finanzierte Akademie ihren gemeinnützigen Status. Bisher jedoch stellt die Bertelsmann-Tochter Lycos nach Angaben Böhles noch immer das Gros der Studenten. Daneben lassen unter anderem Ascaron, Funatics, Lineas, Phenomedia, Mediaways und Syscoplan ihren Nachwuchs dort ausbilden. Um auswärtige Studenten in die nicht gerade für ihren hohen Erlebniswert berühmte Region Ostwestfalen zu locken, wurden in einem alten Gütersloher Postgebäude komfortable Appartements eingerichtet. Sollten die leer bleiben, wäre das für Musiker Böhle wohl der große Blues.
IT-Eliteschmieden in Deutschland Nothern Institute of Technology (NIT) in Hamburg – Die englischsprachige Ausbildung schließt nach zwei Jahren mit dem Master of Science ab. Die Gebühren in Höhe von 40000 Mark pro Student übernehmen Sponsoren. Das NIT kooperiert mit der TU Hamburg-Harburg.
www.nithh.de Media City Akademie (MCA) in Hamburg – Nach eigenen Angaben „Deutschlands erste Privatakademie für die Avantgarde der Digitalen Wirtschaft“. Am Ende des einjährigen Aufbaustudiums steht der Projektmanager „Digitale Wirtschaft“. Die MCA finanziert sich über Sponsorengelder.
www.mediacityacademy.de Fachhochschule Darmstadt in Dieburg – Siebensemestrige Ausbildung „Kooperative Bachelor Studiengang Informatik“ im Betrieb und in der Akademie. Die Studenten schließen mit dem Bachelor-Titel ab. Das Vordiplom ist Voraussetzung für viele andere Bildungseinrichtungen zum Beispiel des NIT. Die Studenten schließen mit einem Unternehmen einen Vertrag und erhalten von ihm 1500 Mark monatlich.
www.fh-dieburg.de Nordakademie in Elmshorn – Achtsemestrige duale Studiengänge Wirtschaftsinformatik, BWL und Wirtschaftsingenieurwesen. Ein Unternehmen schließt mit dem Student einen Vertrag und zahlt ihm eine tariflich orientierte Ausbildungsvergütung. Rund 300 Kooperationsunternehmen finanzieren die Akademie.
www.nordakademie.de Augsburger IT-Akademie – Zweijährige Ausbildung zwischen Lehre und Studium: ein Jahr an der Akademie, ein Jahr Training on the job im jeweiligen Partnerunternehmen. Die Firmen übernehmen die Finanzierung der angehenden Junior-IT-Professionals in Höhe von 1500 Mark pro Monat und Student.
www.it-akademie-bayern.de Stuttgart Institute of Management and Technology (SIMT) – Zweijähriges Studium zum Master of Science. Studiengebühren: 40000 Mark. Die Eliteschmiede kooperiert mit den Unis vor Ort und wird von der Wirtschaft gesponsert.
www.simt.de Alles zu SAP auf CIO.de

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