Bodengebundene Luftverteidigung

Grünes Licht für moderne Luftverteidigungssysteme

15.06.2023
Die Abrüstung nach dem Kalten Krieg hat Deutschland wehrlos gemacht. Eine "Fähigkeitslücke" bei Flugabwehrsystemen soll mit fünf Milliarden Euro geschlossen werden.
Das Konzept der bodengebundenen Luftverteidigung.
Das Konzept der bodengebundenen Luftverteidigung.
Foto: Bundeswehr

Die Fachpolitiker im Bundestag haben den Weg für das Milliardenprojekt einer modernisierten Luftverteidigung Deutschlands freigemacht. Der Haushaltsauschuss und der Verteidigungsausschuss votierten am Mittwoch für den Kauf des weitreichenden israelischen Systems Arrow 3 sowie des deutschen Flugabwehrsystems Iris-T, das im Nahbereich wirkt. Beide Vorhaben sollen aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen finanziert werden. Geschätzt wird, dass für Arrow 3 Kosten von knapp vier Milliarden Euro, für Iris-T knapp eine Milliarde Euro eingeplant werden müssen. Formal stellte der Haushaltsausschuss am Mittwoch erste Finanzierungsschritte bereit.

Bei der Flugabwehr trete Deutschland in "ein neues Zeitalter ein", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Iris-T SLM zeige in der Ukraine, was es bedeute, Tausende von Leben retten zu können. "In Kombination mit dem Kauf des israelischen Systems Arrow 3 wird Deutschland in Zukunft seiner militärischen Verantwortung gerecht und nimmt Abschied von dem naiven Glauben, es würde schon nichts passieren", sagte sie.

Europäisches Luftverteidigungssystem

Das israelische System Arrow 3 soll auf Initiative Deutschlands hin Teil eines europäischen Luftverteidigungssystems werden. Es bildet derzeit die höchste Stufe von Israels mehrstufiger Raketenabwehr und kann angreifende Waffensysteme in bis zu über 100 Kilometer Höhe außerhalb der Atmosphäre im beginnenden Weltraum zerstören. Es soll Teil eines Neuaufbaus der nach dem Ende des Kalten Krieges zurückgefahrenen Luftverteidigung werden.

"Mit dem Lenkflugkörper Arrow 3 sollen weitreichende feindliche Flugkörper außerhalb der Erdatmosphäre durch einen direkten Treffer zerstört werden", heißt es in der Beschlussvorlage. Das System besteht aus Führungsgefechtsstand, Radargeräten, Startgeräten und den Lenkflugkörpern und soll einen Beitrag "zum Schutz Deutschlands, der Bevölkerung und kritischer Infrastruktur vor ballistischen Flugkörpern in der oberen Abfangschicht leisten" und wird als "ein wesentlicher Beitrag zur Flugkörperabwehr im Bündnis" bezeichnet. Eine Regierungsvereinbarung über den Kauf soll bis Ende 2023 getroffen werden. Das Verteidigungsministerium will Tempo machen und ist bereit, Fertigungsschritte vorvertraglich zu regeln, um eine "Anfangsbefähigung" bis zum vierten Quartal 2025 zu ermöglichen.

Fähigkeitslücke schließen

Zu Wiederaufbau einer leistungsfähigen Flugabwehr gehört auch der geplante Kauf von Iris-T, das bereits erfolgreich in der Ukraine gegen russische Angriffe eingesetzt wird. Mit dem System solle "eine bestehende Fähigkeitslücke im Bereich der boden-gebundenen Luftverteidigung geschlossen werden, indem der Nahbereichsschutz gestärkt wird", heißt es in der Vorlage. Vorgesehen ist der Kauf von sechs Feuereinheiten des Luftverteidigungssystems Iris-T SLM ("Surface Launched Medium Range").

Deutsche Politiker fordern, die Lücken bei der Luftverteidigung schnell zu schließen.
Deutsche Politiker fordern, die Lücken bei der Luftverteidigung schnell zu schließen.
Foto: Bundeswehr/Marc Tessensohn

Der "Tagesspiegel" berichtete, der Bundesrechnungshof werfe dem Verteidigungsministerium vor, bei der Arrow-Beschaffung für einen "sehr ambitionierten Zeitplan vermeidbare Risiken in Kauf" zu nehmen. Er bemängele, dass Deutschland mit 560 Millionen Euro die frühzeitige Produktion aufwendig herzustellender Komponenten finanziert, damit das System für eine Inbetriebnahme im vierten Quartal 2025 geliefert werden kann. "Es besteht ein hohes Risiko, dass der Zeitplan trotzdem verfehlt wird, wenn die benötigte Infrastruktur nicht zeitgerecht fertig wird." Der Rechnungshof erwartet demnach langwierige Baumaßnahmen.

2025 sollen die Systeme auf deutschem Boden stehen

Der stellvertretende haushaltspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Andreas Schwarz, sagte: "Bei Arrow gehen wir in eine gewisse Vorleistung bis zum fertig verhandelten Vertrag. Das sorgt dafür, dass wir bereits 2025 die Systeme auf deutschem Boden stehen haben werden." Das sei das neue Tempo, das Verteidigungsminister Boris Pistorius im Rüstungsbereich versprochen habe. Schwarz begrüßte die Entscheidungen.

Der Grünen-Haushälter Sebastian Schäfer erklärte, die großen Lücken bei der Luftverteidigung müssten möglichst schnell geschlossen werden. "Deshalb gehen wir jetzt in der Beschaffung auch neue Wege. Die Wehrverwaltung ist gefordert, durch eine zügige Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen die Voraussetzungen für die Einsatzfähigkeit der Systeme herzustellen", forderte er. Der FDP-Haushaltspolitiker Karsten Klein sagte, beide Projekte seien ein Beitrag zum Aufbau eines Schutzschirms in Deutschland: "Die zuverlässige Abwehr von Drohnen und Raketen ist für eine leistungsfähige Luftverteidigung essenziell." (dpa/rs)

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