Analysten-Kolumne

Gesundheits­telematik vor Weichenstellung

02.06.2004
Von Florian Keller
Sie soll zu Einsparungen führen. Doch ohne tragfähige Geschäfts- und Finanzierungsmodelle wird Telematik im Gesundheitswesen zu einer Erhöhung der Kassenbeiträge führen. Ein Projektbüro will dies nun ändern.

Die geplante Telematikplattform in Deutschland hat die deutschen Beitragszahler bisher knapp sechs Millionen Euro gekostet. Soviel waren dem zuständigen Bundesministerium und der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens mehrere Studien zur technischen Ausgestaltung und Umsetzungsplanung wert. Doch trotz stattlicher Beraterteams und riesiger Papierberge liegt die Lösung der zentralen Frage nach erfolgversprechenden Geschäfts- und Finanzierungsmodellen für die Gesundheitstelematik noch in weiter Ferne. Diese Aufgabe soll nun bis Ende Juni ein von der Selbstverwaltung eingerichtetes Projektbüro erfüllen.

Wie eine neue Studie von Soreon Research zeigt, hängt die Wirtschaftlichkeit der gesamten Telematikplattform an den freiwilligen Anwendungen. Mehr als die Hälfte der Einsparungspotenziale werden demnach durch elektronische Arzneimitteldokumentation und Patientenakten erzielt.

Werden nur die gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtanwendungen eingesetzt, wird die Telematikplattform anders als erhofft nicht zu Beitragssenkungen führen, sondern im Gegenteil zu einer deutlichen Erhöhung der Beitragssätze im Wahljahr 2006.

Umso wichtiger ist ein erfolgversprechendes Konzept zu Anreizsystemen für Leistungserbringer und Patienten, dass ihre Akzeptanz für die freiwilligen Anwendungen sicherstellt. Gleichzeitig kann so die Realisierung der erhofften Einsparungspotenziale gewährleistet werden. Die Soreon Studie rechnet vor, dass die Kassenbeiträge bei optimalen Geschäfts- und Finanzierungsmodellen um durchschnittlich 0,2 Prozent in den nächsten fünf Jahren und um 0,4 Prozent in den nächsten zehn Jahren sinken werden.

Starke Lobby

Es geht also um sehr viel bei der Arbeit des neu eingerichteten Projektbüros. Doch Zweifel an der Realisierbarkeit des angestrebten Zeitplans scheinen angesichts der Projektträgerschaft angebracht. Mehr als dreißig Organisationen von Seiten der Leistungserbringer, Krankenversicherer und der Behörden sind im Fachausschuss dieses Projektbüros vertreten. Das voraussichtliche Tauziehen hinter verschlossenen Türen um Eigeninteressen und angestammte Pfründe lässt argwöhnen, dass das Ergebnis weniger die Maximierung des Gesamtnutzens als die Verhandlungsmacht der einzelnen Beteiligten reflektieren wird.

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