IT-Investitionen

Der Abstieg hat begonnen

Prof. Dr. Dries Faems ist Inhaber des Lehrstuhls für Entrepreneurship, Innovation und Technologische Transformation an der WHU - Otto Beisheim School of Management. Er ist Mitglied des Expertenbeirats von IDG Research Services.



Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.
Die Investitionsbereitschaft in IT-Projekte und die Fähigkeit zur Umsetzung von Digitalisierungszielen erfahren in der DACH-Region einen Abwärtstrend. Das ist ein Alarmsignal.
Die Befragungsergebnisse der CIO-Agenda 2023 deuten darauf hin, dass es in vielen Bereichen eher den Berg hinunter als hinauf geht - das sollte als Alarmsignal begriffen werden.
Die Befragungsergebnisse der CIO-Agenda 2023 deuten darauf hin, dass es in vielen Bereichen eher den Berg hinunter als hinauf geht - das sollte als Alarmsignal begriffen werden.
Foto: Volker Rauch - shutterstock.com

Seit nunmehr 2019 messen CIO-Magazin und WHU - Otto Beisheim School of Management - in diesem Jahr erstmals zusammen mit Google Cloud und Lufthansa Industry Solutions - kontinuierlich die Digitalisierungsinvestitionen und -fähigkeiten von Unternehmen in der DACH-Region. Die jüngste Befragung, die Daten von 303 Unternehmen im November und Dezember 2022 repräsentiert, deutet auf eine Trendwende hin - sowohl bei der Bereitschaft der Unternehmen, in Informationstechnologie zu investieren, als auch bei der Fähigkeit der Unternehmen, Digitalisierungsstrategien umzusetzen.

Digitalbudgets geben etwas nach

Jedes Jahr werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie gebeten, eine Einschätzung darüber abzugeben, wie sich das IT-BudgetIT-Budget ihres Unternehmens in den kommenden Jahren voraussichtlich entwickeln wird. Ende 2019 - kurz vor der Corona-Pandemie - gaben zwei Drittel (66 Prozent) der Befragten an, dass ihr Budget (wahrscheinlich) steigen werde. Diese Zahl wuchs in den beiden Folgejahren 2020 und 2021 - trotz Pandemie - noch an. Nun aber ist erstmals ein negativer Trend zu verzeichnen. Während Ende 2021 noch 80 Prozent der Befragten mit einer (starken) Erhöhung ihres IT-Gesamtbudgets rechneten, sind es Ende 2022 nur noch 72 Prozent. Alles zu IT-Budget auf CIO.de

Insgesamt 72 Prozent der Unternehmen rechnen für das Jahr 2023 mit einer Erhöhung ihres IT-Gesamtbudgets. Der Trend ist rückläufig.
Insgesamt 72 Prozent der Unternehmen rechnen für das Jahr 2023 mit einer Erhöhung ihres IT-Gesamtbudgets. Der Trend ist rückläufig.
Foto: Daniela Petrini / Custom Research CIO, CSO, COMPUTERWOCHE

Ein ähnliches Muster ist bei der erwarteten Entwicklung der IT-Beschäftigtenzahl zu beobachten. Zwischen 2019 und 2021 stieg die Erwartung stetig an - gingen 2019 noch 55 Prozent der Unternehmen von einem (erheblichen) Zuwachs bei der IT-Belegschaft aus, waren es Ende 2021 sogar 71 Prozent. Diese Entwicklung hat sich mittlerweile etwas abgekühlt und ist auf nunmehr 66 Prozent heruntergegangen.

Energiepreise spielen eine Rolle

Wie ist dieser (einsetzende) Abwärtstrend zu erklären? Dafür liefern die Studiendaten einen möglichen Ansatz. In der aktuellen Umfrage wurden die CIOs und weitere Entscheiderinnen und Entscheider aus den Unternehmen um eine Einschätzung gebeten, ob und wie sich die Energiepreise auf die geplanten IT-Budgets auswirken (werden). Insgesamt 77 Prozent der Befragten geben an, dass dies tatsächlich der Fall sei.

Ein genauerer Blick in die Daten zeigt, dass 78 Prozent der Unternehmen, die ihre IT-Budgets erhöhen, und sogar 88 Prozent derer, die sie stark erhöhen, dies in erster Linie wegen der hohen Energiepreise tun - Stichwort "Sicherstellung des IT-Betriebs". Diese Daten deuten darauf hin, dass die derzeitigen makroökonomischen Bedingungen eine wichtige Rolle bei der Erklärung der veränderten Motivation für weitere IT-Investitionen spielen.

Ein weiterer negativer Trend, der in der aktuellen CIO-Agenda sichtbar wird, betrifft die Einschätzung der Befragten hinsichtlich der Fähigkeiten ihrer Unternehmen, die Digitalisierungsstrategien zu unterstützen und umzusetzen. Dort ist der Abwärtstrend noch deutlicher ausgeprägt als im Bereich der IT-Budgets und IT-Beschäftigtenzahl. So stimmten in den vergangenen drei Jahren jeweils noch etwa 50 Prozent der Unternehmen folgender These (voll und ganz) zu: "Unser Topmanagement leistet die notwendige Unterstützung, um die gesteckten Digitalisierungsziele erreichen zu können."

In diesem Jahr ist die Zahl der Zustimmenden jedoch auf nur noch 33 Prozent gesunken. Gleichzeitig stieg die Zahl der Befragten, die dieser Aussage (ganz und gar) nicht zustimmen, auf 24 Prozent - während sie in der Vergangenheit stets unterhalb von zehn Prozent lag. Mit anderen Worten: Das Vertrauen in die Fähigkeiten des Topmanagements, die digitale Transformation voranzutreiben, hat in vielen Unternehmen in letzter Zeit einen deutlichen Dämpfer bekommen.

Probleme mit der IT-Infrastruktur

Ähnliche leicht nach unten gehende Tendenzen lassen sich bei den Zustimmungswerten zu folgenden Aussagen beobachten: "Unser Unternehmen verfügt über die notwendigen Fachkompetenzen sowie Expertinnen und Experten, um die gesteckten Digitalisierungsziele erreichen zu können", "Unsere bestehende Unternehmenskultur steht im völligen Einklang mit den gesteckten Digitalisierungszielen" und "Unser Unternehmen arbeitet in ausreichendem Maße mit externen Partnern zusammen, um die gesteckten Digitalisierungsziele erreichen zu können."

Substanziell in den kommenden drei Jahren in ihre IT-Infrastruktur investieren wollen 37 Prozent der Unternehmen. Damit liegt dieser Bereiche hinter IT-Security, Daten und Prozesse zurück - und das obwohl besonders die Qualität der aktuellen IT-Infrastrukturen von den IT-Verantwortlichen überdurchschnittlich häufig schlecht bewertet wird.
Substanziell in den kommenden drei Jahren in ihre IT-Infrastruktur investieren wollen 37 Prozent der Unternehmen. Damit liegt dieser Bereiche hinter IT-Security, Daten und Prozesse zurück - und das obwohl besonders die Qualität der aktuellen IT-Infrastrukturen von den IT-Verantwortlichen überdurchschnittlich häufig schlecht bewertet wird.
Foto: Daniela Petrini / Custom Research CIO, CSO, COMPUTERWOCHE

Der dramatischste Trend ist aber bei der Bewertung der Qualität der IT-Infrastruktur zu beobachten: Stimmten 2019 noch 39 Prozent und 2021 sogar 52 Prozent der Studienteilnehmenden (voll und ganz) der Aussage zu, dass die derzeitige IT-Infrastruktur dem Unternehmen "problemlos ermöglicht, die gesteckten Digitalisierungsziele zu erreichen", sind es aktuell nur noch klägliche 30 Prozent.

Fazit

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der aktuellen CIO-Agenda, dass 2022 ein Jahr war, in dem positive Trends in Bezug auf IT-Investitionen und Digitalisierungsfähigkeiten unterbrochen wurden. Während die aktuellen makroökonomischen Umstände einige Erklärungsansätze für sich verändernde IT-Budgets bieten, ist es alarmierend zu sehen, dass die Unternehmen mittlerweile viel skeptischer in Bezug auf die eigenen Digitalisierungsfähigkeiten geworden sind. Dieses einsetzende Misstrauen sollte als wichtiges Warnsignal für CEOs sowie politische Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen betrachtet werden.

Hintergrund zur Studie

Die Studie "CIO-Agenda 2023" wurde vom 29. November bis zum 6. Dezember 2022 vom Custom Research Team von CIO, CSO & COMPUTERWOCHE in Zusammenarbeit mit der WHU, Google Cloud und Lufthansa Industry Solutions durchgeführt. Es nahmen 303 CIOs, Geschäftsführende, Vorstände, C-Führungskräfte und Abteilungsleitende aus verschiedenen Unternehmensbereichen aller Branchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz an der Online-Befragung teil.

Ausführliche Studienergebnisse finden sich unter anderem in den Berichtsbänden aller Marktstudien des Custom Research Teams von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE, die im Jahr 2023 erscheinen werden.

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