KI-Forschung

Intelligente Pflanzen sammeln Umweltdaten

Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Die Universität Konstanz arbeitet im Rahmen eines EU-Projekts an biohybriden Netzwerken aus "intelligenten" Pflanzen, die automatisiert Umweltinformationen erfassen.
Im Forschungsprojekt WatchPlant geht es um ein Netzwerk aus "intelligenten" Pflanzen und Sensorknoten, mit dem sich die Luftqualität in Städten überwachen lässt. Per App könnten Nutzer im Stadtgebiet beispielsweise Warnungen zu lokal erhöhten Schadstoffwerten empfangen.
Im Forschungsprojekt WatchPlant geht es um ein Netzwerk aus "intelligenten" Pflanzen und Sensorknoten, mit dem sich die Luftqualität in Städten überwachen lässt. Per App könnten Nutzer im Stadtgebiet beispielsweise Warnungen zu lokal erhöhten Schadstoffwerten empfangen.
Foto: AG Hamann

WatchPlant heißt ein durch die EU gefördertes interdisziplinäres Projekt der Universität Konstanz. "Intelligente", mit Sensoren ausgestatte Pflanzen sollen dabei Informationen aufnehmen, die dann per Funktechnologie zwischen den Pflanzen und einer Datensammelstelle ausgetauscht werden können. Auf diese Weise ließe sich beispielsweise die Luftqualität einer Region überwachen.

"Wir entwickeln zu diesem Zweck Messmethoden, die es uns erlauben, jederzeit Aussagen über den physiologischen Zustand der vernetzten Pflanzen zu treffen", berichtet Heiko HamannHeiko Hamann, Professor im Fachbereich Informatik und Informationswissenschaft der Universität Konstanz. Künstliche IntelligenzKünstliche Intelligenz helfe dabei, diese Information automatisch und schnell mit bestehenden Daten abzugleichen und daraus Rückschlüsse auf die Umwelt der Pflanzen zu ziehen. Profil von Heiko Hamann im CIO-Netzwerk Alles zu Künstliche Intelligenz auf CIO.de

Neben der Langzeiterfassung von Umweltdaten könne ein solches Netzwerk auch als Frühwarnsystem funktionieren, das bei maßgeblichen Veränderungen wie etwa einer erhöhten Schadstoffbelastung selbständig Alarm schlägt. Auf lange Sicht, so Hamann, könnten auch Bürgerinnen und Bürger dem Netzwerk im Sinne von Citizen Science eigene Gartenpflanzen als zusätzliche "Messstationen" zur Verfügung stellen.

Einfühlsame Roboter

Hamann ist Robotiker und besetzt an der Universität Konstanz seit kurzem die Professur für Cyber-Physical Systems. Dabei handelt es sich um komplexe Netzwerke aus physikalischen Maschinen und der virtuellen Welt, die mit der belebten Umwelt in Wechselwirkung treten. Eines seiner Forschungsziele lautet: Die Interaktion zwischen Menschen und Robotern so gestalten, dass die Maschinen sich in ihrer Arbeitsweise und Geschwindigkeit an den Menschen anpassen, nicht umgekehrt.

Darum dreht sich ein weiteres von der EU gefördertes Projekt der Universität: Bei "ChronoPilot" geht es um die die Entwicklung von Robotern, die bei ihrem menschlichen Gegenüber Zustände wie Langeweile und Stress anhand von physiologischen Messwerten erkennen und selbständig darauf reagieren. Solche Roboter könnten etwa ihre Bewegungsabläufe bei erkanntem Stress verlangsamen oder bei Langeweile beschleunigen.

Durch das Verhalten der Roboter und weitere Stimuli wollen die Forscher auch die Zeitwahrnehmung des menschlichen Gegenübers positiv verändern. "Aus der psychologischen Forschung ist bekannt, dass unsere Zeitwahrnehmung durch geeignete Reize wie bewegte Objekte oder unerwartete Geräusche gestreckt oder gestaucht werden kann", erläutert Hamann.

Dieses Wissen wollen sich die Forschenden im Rahmen von ChronoPilot zunutze machen. "Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten mit mehreren Robotern an einer gemeinsamen Aufgabe und merken gar nicht, wie Ihr Arbeitstag verfliegt, weil die Zeit für Sie aufgrund des Verhaltens der Roboter und der Stimuli in Ihrer Umgebung gefühlt schneller abläuft", nennt Hamann ein Anwendungsbeispiel.

Dass sich die subjektive Zeitwahrnehmung bei der Zusammenarbeit mit Robotern tatsächlich in dieser Form verändern lässt, konnten die Forschenden laut Hamann bereits in ersten Laborversuchen zeigen. Einsatzgebiete für diese Art der Mensch-Maschine-Kooperation sieht er etwa im Ingenieurwesen.

Kollege statt Konkurrent

Schnelle Fortschritte in der Robotik und Sensortechnik sowie deren Kombination mit anderen Technologien wie künstlicher Intelligenz führen nach Einschätzung der Forscher zu einer zunehmenden Automatisierung in fast allen Lebensbereichen. Das schüre bei vielen Menschen Ängste, sei es davor, dass die eigene Arbeitsleistung ersetzt wird, oder davor, dass Maschinen immer mehr das Tempo im Alltag vorgeben.

"Die Automatisierung wird zweifelsohne weiter voranschreiten", prognostiziert Hamann. Das bedeute aber nicht, dass in Zukunft niemand mehr Arbeit finde. "Es wird allerdings mehr Menschen geben, die beispielsweise mit Robotern zusammenarbeiten."

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