Zenit überschritten

Nächster Kurssturz für Netflix

21.04.2022
Nach einem historischen Kundenschwund haben die Anleger von Netflix am Mittwoch den zweiten großen Kurssturz in diesem Jahr erlebt.

Die Papiere des Streamingriesen verloren mehr als 35 Prozent auf 226,19 US-Dollar. Experten stellen bereits die Frage nach dem Ende des Streaming-Booms - und korrigierten ihre Kursziele drastisch.

Der Streaming-Pionier ist in der Krise.
Der Streaming-Pionier ist in der Krise.
Foto: Natee Meepian - shutterstock.com

Angesichts der enttäuschenden Entwicklung im abgelaufenen Quartal will Netflix nun härter bei Nutzern durchgreifen, die ihre Zugangsdaten teilen, und arbeitet an einer günstigeren Version mit Werbung. Laut Jefferies-Analyst Andrew Uerkwitz ließen aber die Aussagen des Managements nicht die sonst übliche Zuversicht erkennen und seien ausgesprochen düster. Sein Kursziel stutze er von 415 auf 280 Dollar.

Netflix hatte am Dienstagabend nach US-Handelsschluss einen Rückgang der Nutzerzahlen um 200 000 für das erste Quartal verkündet - den ersten Quartalsrückgang seit mehr als zehn Jahren. Eigentlich hatte Netflix mit 2,5 Millionen neuen Kunden gerechnet. Neben steigendem Konkurrenzdruck wirkte sich laut Mitteilung der Rückzug aus Russland negativ aus, wo Netflix 700 000 Nutzerkonten deaktivierte.

Höhepunkt des Erfolges überschritten?

Die Autoren des aktuellen Bernecker-Aktionärsbriefes glauben, dass der Konzern den Höhepunkt seines Erfolges hinter sich haben dürfte. Die Konkurrenz schließe auf und für Netflix werde es immer schwieriger, an vergangene Erfolge anzuknüpfen. Der Kapitalbedarf sei entsprechend hoch, hieß es.

"Ist die Streaming-Party vorbei?", fragen auch die Analysten der britischen Investmentbank Barclays. Zunehmend werde das "Durcheinander" an neuen Inhalten der vielen Streamingdienste zum Problem. "Beim Geschäftsmodell von Netflix verdichten sich die Anzeichen, dass dieses bereits voll gereift ist", sagte der Experte Ross Sandler. Dies werfe Fragen auf, wie groß der noch adressierbare Markt ist und ob die Margen stabil gehalten werden können.

Im New Yorker Handel ging es am Mittwoch für die Netflix-Papiere zeitweise bis auf 212,51 Dollar nach unten, und damit auf den tiefsten Stand seit Anfang 2018. Einen ähnlichen Ausverkauf hatte Netflix bereits Ende Januar verkraften müssen, nachdem das Unternehmen den Ausblick für das erste Quartal veröffentlicht und damit enttäuscht hatte.

Die Kursverluste im laufenden Jahr summieren sich inzwischen auf mehr als 62 Prozent. Damit ist Netflix an der Börse nur noch gut 100 Milliarden Dollar wert. Zum Vergleich: Beim Rekordhoch über 700 Dollar vom November 2022 waren es mehr als 300 Milliarden Dollar.

"Netflix-Enttäuschung, die nächste" urteilte denn auch Analyst Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege von Robomarkets. Der Streaming-Anbieter gehe nun sogar davon aus, dass sich der Kundenrückgang noch ausweite, schrieb er. Den Status der "unangefochtenen Nummer Eins der Streaming-Anbieter" scheine Netflix in den Augen der Anleger verloren zu haben.

Kursziele korrigiert

Entsprechend purzelten bei den Analysten die Kursziele. Auch über den Einmaleffekt aus Russland hinaus stehe Netflix vor schwierigen Zeiten, schrieb Mark Mahaney von Evercore. Netflix' älteste Märkte etwa in den USA und Europa seien gesättigt, während sich das Wachstum im Raum Asien-Pazifik als schwierig erweise. Mahaney kappte das Kursziel von 525 auf 300 Dollar.

Andere Analysten reagierten im Zuge deutlich gekürzter Kursziele am Mittwoch gleich mit Abstufungen: Experte John Hodulik von UBS gab seine bisherige Kaufempfehlung auf und sein Kollege Douglas Anmuth von JPMorgan stufte die Papiere von "Overweight" auf "Neutral" ab.

Die Nachrichten ließen auch die Anleger anderer Streaming-Anbieter aufhorchen: Kursverluste von 5,6 Prozent verbuchten zum Beispiel die Titel von Walt Disney . Laut dem Barclays-Experten Sandler bringen die ungewohnten Probleme des Marktführers auch für die Konkurrenten neue Herausforderungen mit sich. Dabei hob der Experte vor allem den Dienst Disney+ hervor. (dpa/ad)

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