Mensch statt Maschine

News-Apps setzen auf kuratierte Nachrichten

21.04.2016
Die Informationsflut im Netz beflügelt den Trend kuratierter Nachrichten. Der Axel-Springer-Konzern setzt dabei auf seine neue Content-Plattform Upday - in Kooperation mit einem Weltmarktführer.

Große Sitzkissen auf Holzpaletten, bunte Zettelchen an den Glaswänden, halb ausgepackte Pappkartons in den Ecken - und dazwischen junge Mitarbeiter aus aller Welt. Was etwas improvisiert und wie ein typisches Berliner Start-up daherkommt, ist der jüngste Hoffnungsträger von Axel Springer. Mit dem News-Aggregator Upday will der Medienkonzern das digitale Nachrichtengeschäft aufmischen. Dabei setzen die Macher auf eine kuratierte Auswahl aus Hunderten Quellen - und auf den Smartphone-Weltmarktführer Samsung.

Upday ist seit einigen Wochen in Deutschland, Großbritannien, Polen und Frankreich exklusiv auf Geräten des koreanischen Herstellers verfügbar. Auf den neuen S7-Modellen ist die Anwendung schon vorinstalliert und ersetzt als zweiter Homescreen den US-Konkurrenten Flipboard. "Ende des Jahres wollen wir auf mindestens zehn Millionen Smartphones sein", sagt Chefredakteur Jan-Eric Peters.

Upday
Upday

Pro Land werden die Nachrichten von sechs bis acht Redakteuren aus mehr als 300 Quellen generiert. Medien wie der "Guardian", "Le Figaro", die "FAZ" oder die "Süddeutsche", aber auch Angebote wie Buzzfeed sowie Techblogs seien dabei. Springer-Medien würden nicht bevorzugt, "da wären wir ganz schön dämlich", betont Peters. Mit seinen 51 Jahren ist der frühere "Welt"/N24-Chefredakteur der älteste in dem internationalen Team. 80 Mitarbeiter aus 20 Nationen arbeiten bei Upday, die Programmierer sind alle in Berlin angesiedelt.

Im Bereich "My News" werden maschinell anhand der persönlichen Einstellungen und des Leseverhaltens Nachrichten empfohlen. Aber: "Upday soll keine charakterlose Maschine sein, die nur von Algorithmen gesteuert wird", sagt Peters. Deshalb gibt es noch die von Journalisten kuratierten "Top News" - eine Auswahl relevanter Nachrichten, "die jeder kennen sollte".

"Wir beobachten, dass der menschliche Redakteur wieder stärker in den Vordergrund rückt. Roboterjournalisten können nicht alles und sollen das auch gar nicht", sagt Stephan Weichert, Professor an der Macromedia-Hochschule in Hamburg. So sei etwa der handverlesene Newsletter, beispielsweise in Form des Morgenbriefings, der Trend der Stunde. Hinzu kommen andere kuratierte Angebote wie Klartext von Xing oder das Start-up Piqd, bei dem zahlreiche Experten die besten Artikel des Tages empfehlen. Im Informations-Overkill des Internets gebe es keine Grenzen, wie die Seitenzahl einer Zeitung oder die 15 Minuten der "Tagesschau", sagt Weichert. "Da können Angebote oder Tools, denen ich vertraue, Orientierung geben."

Auch Online-Kioske wie Pocketstory oder Blendle setzen neben computergesteuerten Angeboten auf kuratierte Empfehlungen. "Damit können wir unsere Inhalte personalisiert anbieten, ohne unsere Nutzer in einer Filterblase einzusperren", sagt Michaël Jarjour, Leiter der Blendle-Redaktion in Deutschland. Die Kunden blättern durch die Magazine und Zeitungen, lesen Überschriften und rufen gegen Bezahlung Artikel auf. Den Preis bestimmen die Verleger, die 70 Prozent der Erlöse bekommen.

Das niederländische Start-up spricht von mehr als 650 000 registrierten Nutzern, die "Millionen" Artikel pro Monat lesen. Derzeit läuft eine Beta-Phase im hart umkämpften US-Markt. "Die Medienbranche weltweit kämpft gegen die Probleme, die der Wandel ins Internet gebracht hat. Und wir helfen ihr dabei", sagt Jarjour. Thorsten Höge von Pocketstory sagt: "Wir haben die Mission, dass es für gute Angebot im Netz Erlösquellen geben muss." Die anfängliche Skepsis der Verlage gegenüber Online-Kiosken sei endgültig vorbei.

Welche Vorteile haben Verleger von einer Plattform wie Upday, die sich durch nutzerspezifische Werbung auf dem Portal finanzieren will? Die Verlage würden im Rahmen des Leistungsschutzrechts an den Erlösen beteiligt, erklärt Peters. Aber vor allem bringe Upday Traffic: "Wir schaffen eine Reichweite, die sie monetarisieren können." Denn im Upday verlinke direkt auf die Originalquelle im Web.

Auf Facebook können die Medien ihre Inhalte direkt auf der Plattform speichern, was die Ladezeit deutlich verkürzt. Zahlreiche Medienhäuser sind dabei und setzen auf das Netzwerk von mehr als 1,6 Milliarden Nutzern. Doch das Projekt war von Beginn an umstritten: "Werden Leser überhaupt noch wahrnehmen, woher eine Geschichte stammt?", fragte Jill Abramson, frühere Chefredakteurin der "New York Times". Und auch Weichert sagt: "Ich halte das für eine große Gefahr." "Schon heute sprechen wir von "homeless media". Medien machen sich von der Plattform abhängig und die eigene Marke wird zunehmend geschwächt."

Upday-Chef Peters will über die wirtschaftlichen Hintergründe des exklusiven Deals mit Samsung nichts verraten. Es bleibt unklar, ob und in welche Richtung zwischen Springer und Samsung Geld fließt. In der näheren Zukunft soll Upday auf mehr Geräte wie Tablets oder später einmal Fernseher kommen und in weitere europäische Länder expandieren. "Wir haben uns viel vorgenommen", sagt Peters. "Aber große Chancen bedeuten natürlich auch hohe Risiken - Scheitern inbegriffen." (dpa/ad)

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