Quiet Quitting

So vermeiden Sie die Mitarbeiterresignation

Dr. Arne Sjöström ist Lead People Scientist EMEA bei Culture Amp mit dem Schwerpunkt Organisationspsychologie und angewandte Forschung. Er nutzt Erkenntnisse aus dem Bereich der Psychologie und Verhaltensforschung bei der Anwendung von HR-Technologien, um Firmen zu Personalauswahl und - entwicklung sowie Mitarbeiterfeedback zu beraten.
Quiet Quitting (zu deutsch: stilles Kündigen) ist für viele Angestellte ein wachsender Trend in ihrem Job. Die Gründe dafür und Vorschläge, wie Unternehmen gegensteuern können, lesen Sie hier.
Mitarbeitende, die innerlich gekündigt haben, machen oft nur noch Dienst nach Vorschrift.
Mitarbeitende, die innerlich gekündigt haben, machen oft nur noch Dienst nach Vorschrift.
Foto: Just Life - shutterstock.com

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzen neue Prioritäten und distanzieren sich zunehmend von einer Arbeitshaltung, die von Hektik geprägt ist. Sie passen sich an die neue Arbeitswelt an und ziehen dabei klare Grenzen. Untersuchungen zeigen, dass die Zahl derer steigt, die "innerlich kündigen" und nur noch Dienst nach Vorschrift machen.

Damit sinkt die Leistungsbereitschaft. Die Performance der Mitarbeitenden leidet und in der Folge die Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Was können Betriebe tun, um dem entgegenzuwirken? Warum gibt es dieses Phänomen in Unternehmen und wie lassen sich Mitarbeitende besser ins Unternehmen einbinden?

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Quiet Quitting erkennen

Der innerliche Abschied von der Arbeit kann für Außenstehende schwer zu erkennen sein, da die Veränderungen im Verhalten eines Mitarbeitenden oft sehr subtil sind. Ausgehend von der psychologischen Theorie, lässt sich Quiet Quitting als ein Rückzugsverhalten beschreiben – eine Art stille Resignation.

Mitarbeitende kündigen nicht im eigentlichen Sinn, sie ziehen sich aber als Reaktion auf ihr Arbeitsumfeld zurück. Sie streben nicht mehr danach, über sich hinauszuwachsen und überdurchschnittliche Leistungen zu erbringen.
Quiet Quitting kann viele Gesichter haben:

  • Die Mitarbeitenden lehnen Besprechungen außerhalb der festgelegten Arbeitszeiten ab,

  • sie entscheiden für sich selbst, welche Projekte sie annehmen oder leisten oder

  • sie erfüllen nur das vertraglich festgelegte Mindestmaß an Arbeit.

Die Gründe für Quiet Quitting

Das Phänomen ist nicht neu, wurde aber durch die Sozialen Medien in den Vordergrund gerückt. Vom BurnoutBurnout betroffene Menschen sind auf Apps wie TikTok und Instagram von Influencerinnen und Influencern, die Inhalte über die heutige Arbeitswelt veröffentlichen, zum Perspektivwechsel ermuntert worden. Alles zu Burnout auf CIO.de

Da Angestellte – bedingt durch die Homeoffice-Situation – oft alleine arbeiten und entsprechend mehr Zeit zum Nachdenken haben, hat die Selbstreflexion dann zu einer Neuausrichtung ihrer Prioritäten geführt.

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Infolge der Pandemie sahen sich auch viele Unternehmen gezwungen, ihren Schwerpunkt zu verlagern: Sie mussten sicher durch Zeiten großer Veränderungen führen. Gleichzeitig galt es, den Interessen des Unternehmens gerecht zu werden. Dabei blieb in vielen Fällen die Wertschätzung der Beschäftigten auf der Strecke.

Das kann dazu führen, dass Teammitglieder, die das Gefühl haben, zu wenig Möglichkeiten für ihre Weiterentwicklung zu bekommen, mit einer doppelt so hohen Wahrscheinlichkeit ihren Arbeitsplatz im nächsten Jahr verlassen. Bei denjenigen, die bleiben, könnte mangelnde Anerkennung zu Quiet Quitting führen.

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Die langen Arbeitszeiten und der hohe Anspruch, den Unternehmen an ihre Beschäftigten während der Pandemie hatten, wurde oft kaum oder gar nicht belohnt. Dieses Ungleichgewicht hat einen Teil der Belegschaft dazu veranlasst, sich zurückzuziehen. Kurzum: Mitarbeitende wollen wieder das Gefühl haben, dass ihre Leistung dem entspricht, was sie dafür bekommen.

Können sie das, was sie bekommen, nicht steigern – sehen also keine Möglichkeiten zur Weiterentwicklung – dann werden sie ihren Einsatz für das Unternehmen verringern. In Zeiten des Fachkräftemangels in vielen Berufsfeldern kann das Angebot von Mitarbeiterentwicklung ein entscheidender Faktor sein.

Unternehmen sollten sich deshalb fragen, wie gut ihre Angestellten darauf vertrauen können, dass ihre Führungskräfte die individuelle Entwicklung fördern. Werden Personen wertgeschätzt, die wirklich etwas bewirken? Erst wenn die speziellen Herausforderungen in den Unternehmen konsequent angegangen werden, gelingt Mitarbeiterbindung.

So verbessern Sie die Mitarbeitermotivation

Leider neigen Führungskräfte allzu oft zu Überkompensation und Mikromanagement. Dies bewirkt jedoch das Gegenteil von dem, was beabsichtigt ist und begünstigt ein Umfeld der Kontrolle und Hierarchie. Stattdessen ist es wichtig, Mitarbeitenden Entscheidungsfreiheit zu geben. Wenn sie selbstbestimmt arbeiten können, dann fühlen sie sich eher für ihre Arbeit verantwortlich und zeigen mehr Engagement. Wenn Teammitglieder diese Anerkennung erfahren, dann wächst auch das Vertrauen.

Ein weiterer Bereich, in dem Unternehmen Vertrauen fördern können, sind regelmäßige Mitarbeiterbefragungen. Sie signalisieren den Beschäftigten nicht nur ein offenes Ohr für ihr Feedback. Vielmehr werden HR-Teams auch dabei unterstützt, die wichtigsten Motivationsfaktoren innerhalb der Belegschaft zu ermitteln. Umfragen tragen zu einem Gefühl der persönlichen Verbundenheit, Gemeinschaft und Zugehörigkeit bei, da die Mitarbeitenden alle Ergebnisse ihrer Beiträge und die ihrer Kollegen sehen. Dadurch wird auch der transaktionale Führungsstil weiter entschärft.

Um besser zu verstehen, wie Mitarbeitende die Arbeit im Unternehmen empfinden, empfiehlt es sich, die Belegschaft zu befragen, wie stark sie folgenden Aussagen zustimmt:

  • Dieses Unternehmen ist eine großartige Organisation, die mir die Möglichkeit zur Weiterentwicklung bietet.

  • Meine Arbeit trägt zu einer größeren Vision und/oder Mission des Unternehmens bei.

  • Die Führungskräfte meines Arbeitgebers zeigen, dass Mitarbeitende wichtig für das Unternehmen sind.

Anhand dieser Informationen können HR-Teams erkennen, worauf sie sich konzentrieren müssen, um die sinnvollsten Verbesserungen voranzubringen. Haben die Mitarbeitenden das Gefühl, dass die Arbeit, die sie verrichten, zu einem längerfristigen Karriereziel beiträgt? Werden sie von den Werten und der Mission des Unternehmens angetrieben? Haben sie Vertrauen in die Führungskräfte und ihre eigenen Vorgesetzten? Sollten die Antworten darauf negativ ausfallen, wird es schwerfallen, Talente ans Unternehmen zu binden.

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Untersuchungen zeigen, dass Weiterbildung und Mitarbeiterentwicklung ein wichtiger Indikator für die Zufriedenheit der Beschäftigten sind. Mit Development bietet sich Unternehmen ein wichtiger Hebel, den sie nutzen können, um der Quiet-Quitting-Mentalität entgegenzuwirken.

Blick in die Zukunft

Um Quiet Quitting entgegenzusteuern, müssen Unternehmen verstehen, was Mitarbeitende motiviert und demotiviert. Manche Teammitglieder werden sich trotz allem für eine neue berufliche Herausforderung entscheiden, und das liegt nicht immer in der Hand der Unternehmen. Aber Organisationen können bestimmen, wie sie mit Quiet Quitting umgehen.

Haben Mitarbeitende das Gefühl, dass sie für ihre Arbeit wertgeschätzt werden, sie einen Beitrag zu einer Mission leisten und die Unternehmensführung sich um ihre Weiterentwicklung kümmert, dann werden sie sich mehr engagieren. Verstehen Unternehmen die Bedürfnisse ihrer Beschäftigten, dann können die besten Talente gehalten und jene Reibungspunkte vermieden werden, die zu Quiet Quitting führen.

Unabhängig davon, ob es sich um eine kleine Veränderung oder eine komplette Überarbeitung der Strategie handelt: Entscheidend ist die richtige Grundlage, um die besten Talente zu gewinnen und an das Unternehmen zu binden. (bw)

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