Großer Hebel durch KI

Technikrevolution in der Personalarbeit

Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Personalabteilungen sind vom Digitalisierungstrend besonders stark betroffen – auch wenn das nicht allen HR-Verantwortlichen vollständig bewusst ist. Welche Veränderungen anstehen, beschreiben die Managementberater von Bain & Co.
  • Drei von vier Personalern haben IT-Systeme, die den kommenden Herausforderungen nicht gewachsen sind
  • Technologien der künstlichen Intelligenz werden Recruiting, Performance Management und Training auf ein höheres Niveau heben
  • Bevor sich die IT-Unterstützung im HR-Bereich verbessert, sind einige Probleme zu beheben

Der vielzitierte War for Talents ist in vollem Gang, demografische Verschiebungen führen zu Engpässen beim Nachwuchs, und die Digitalisierung sorgt dafür, dass sich die beruflichen Aufgaben in hoher Geschwindigkeit verändern. Viele HR-AbteilungenHR-Abteilungen haben die Zeichen der Zeit erkannt und stellen sich, unterstützt durch neue Tools und Dienste, neu auf, um den Herausforderungen gerecht zu werden. Sie richten Lernplattformen ein, setzen sich mit fortgeschrittenen Formen der Team-Collaboration auseinander, verbessern ihre Feedback- und Vergütungssysteme und sorgen dafür, dass sich die Mitarbeiter in ihrem moderneren, oft weniger hierarchischen Arbeitsumfeld wohlfühlen. Alles zu Personalführung auf CIO.de

Noch lässt sich der Rückstand aufholen

87 Prozent der Personalverantwortlichen glauben, dass digitale Technologien ihr Geschäft fundamental verändern werden. Dafür sind die IT-Systeme nicht vorbereitet - weshalb hier viel investiert werden dürfte.
87 Prozent der Personalverantwortlichen glauben, dass digitale Technologien ihr Geschäft fundamental verändern werden. Dafür sind die IT-Systeme nicht vorbereitet - weshalb hier viel investiert werden dürfte.
Foto: Bain & Co.

Im Mittelpunkt dieser Transformation stehen digitale Systeme, die letztendlich alle das Ziel verfolgen, Unternehmen beim Finden und Halten von Talenten bestmöglich zu unterstützen. Bain & Co. hat 500 HR-Verantwortliche in den USA, Großbritannien und Deutschland befragt, ob und in welchem Ausmaß sie die digitalen Potenziale im HR-Bereich ausschöpfen. Viele Personalbereiche sind demnach bei weitem nicht auf dem neuesten Stand, doch die Berater halten das für keinen Beinbruch. Der Rückstand sei noch gut aufzuholen.

In der Umfrage sagen 87 Prozent, die Digitalisierung werde ihren Personalbereich fundamental verändern. Drei von vier Befragten stellen jedoch fest, dass die eigenen IT-Systeme und -Technologien den neuen Herausforderungen noch nicht gewachsen sind. Immerhin 57 Prozent der Personaler wollen deshalb ihre IT-Budgets in den kommenden zwei Jahren um bis zu zehn Prozent aufstocken, 25 Prozent planen sogar noch mehr zu investieren.

Mehr Geld für HR-Systeme

Große Begehrlichkeiten wecken dabei Plattformen für das Einstellungsmanagement, die Analyse von Personaldaten sowie "Micro-Learning-Systeme", um die Mitarbeiterfortbildung in kleinen, leichtverdaulichen Einheiten zu unterstützen. Cloud Computing hat sich schon recht ordentlich etabliert, 84 Prozent der großen Unternehmen wenden wenigstens eine SaaS-Lösung im Personalbereich an.

Laut Umfrage haben auch Technologien der Künstlichen Intelligenz - von Robotic Process Automation (RPA) über Machine Learning (ML) bis hin zu Natural Language Processing (NLP) - Einzug in erste HR-Abteilungen gehalten. Beispielsweise finden Personaler mit ML-Algorithmen heraus, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass wichtige Mitarbeiter kündigen werden. Die Vorhersagen sollen bis zu 17 Mal so präzise sein, wie alle zuvor genutzten Methoden.

Die Hotelkette Marriott nutzt den Chatbot "MC" für die Kontaktaufnahme mit potenziellen Bewerbern, die sich über den Facebook Messenger melden. Der Bot beantwortet typische Fragen und gleicht die Interessen und Vorstellungen des Kandidaten mit den offenen Positionen, aber auch mit der Unternehmenskultur und den Werten von Marriott ab. Den Hoteliers zufolge meldet sich gut die Hälfte der Kontakte später noch einmal, um weiterführende Gespräche zu führen. Auch Johnson & Johnson, Atlassian und Twitter verwenden laut Bain intelligente Sprachassistenten, um den Einstellungsprozess für die Bewerber attraktiver zu gestalten.

Screening der Kandidaten mit KI

Personaleinsatzplanung, Performance-Management, Training - überall wird KI zum Einsatz kommen.
Personaleinsatzplanung, Performance-Management, Training - überall wird KI zum Einsatz kommen.
Foto: Bain & Co.

Bei der Rekrutierung von Talenten hilft manchen Nutzern auch ein KI-gestütztes Screening der Kandidaten. Es soll den Prozess erheblich verkürzen - bei Unilever angeblich sogar um 75 Prozent. Etwa die Hälfte der Befragten beschäftigt sich in mindestens einem HR-Prozess mit RPA (siehe FAQ), in zwei Jahren soll das schon bei 74 Prozent der Fall sein.

Bain hält viel von RPA und maschinellem Lernen, empfiehlt den Unternehmen aber, zuerst ihre grundlegenden Geschäftsprozesse, Daten und Systeme in Ordnung zu bringen und zu standardisieren, bevor sie den Einsatz solcher Tools planen. Die Automatisierung berge sonst hohe Risiken, und es könne nicht im Interesse der Unternehmen liegen, automatisch erstellte Jobangebote zu lancieren, die in erster Linie Fragen aufwerfen, anstatt High Potentials anzusprechen.

Das gleiche gilt für Machine Learning: Lebensläufe aus einem großen Bewerberpool automatisiert zu prüfen, sei zwar in hoher Geschwindigkeit und Exaktheit möglich, doch der Algorithmus sei nur so gut wie die Qualität der zugrundliegenden Daten. Um Bewerbungen genauso gut zu sortieren wie ein menschlicher Personalvermittler, brauche maschinelles Lernen ein großes Datenvolumen. Hinzu komme die Gefahr der Fehlsteuerung: Falsch trainiert, übernehmen ML-Systeme auch die Muster schlechten menschlichen Verhaltens. Data Governance und Qualität sind also entscheidend, wenn der Algorithmus einen Nutzen haben soll.

Bain geht davon aus, dass die KI-Initiativen der Personalbereiche noch ganz am Anfang stehen. Im Recruiting-Prozess könne etwa anhand der Auswertung von Social-Media-Daten oder Webseiten-Besuchen effektiver nach Kandidaten mit den richtigen Fähigkeiten gesucht werden. Selektions-Tools trügen außerdem dazu bei, Lebensläufe und Anschreiben zu analysieren. Bewerbervideos ließen sich auf Mimik, Intonation und Wortwahl analysieren.

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