Strategien


CIOS UNZUFRIEDEN MIT CONSULTANTS

Beraten und verkauft

Horst Ellermann ist Herausgeber des CIO-Magazins und Ambassador für CIOmove in Deutschland.
Zeit zum Nachverhandeln: Wer mit den externen Beratern in seinem Unternehmen unzufrieden ist, kann sie derzeit im Preis drücken - oder ganz neue Spielregeln einführen.

LOTHAR HIRSCHBIEGEL kannte den Consultant - und er kannte dessen Preis. Vor drei Jahren hatte der CIO des Kraftwerkbauers Power Generation schon einmal die Dienste dieses Beraters eingekauft, damals für seinen alten Arbeitgeber. Jetzt freute sich Hirschbiegel, einen Bekannten am Verhandlungstisch zu treffen und die gleiche Summe wie vor drei Jahren unter dem Vertragsentwurf zu sehen. Doch der Consultant musste auf eine unerfreuliche Tatsache hinweisen: „Die Summe ist zwar gleich geblieben, aber jetzt steht Euro dahinter.“

Dass Berater bei Großkunden sehr fantasievoll mit ihren Honorarforderungen umgehen, ärgert viele CIOs. In den ersten Wochen dieses Jahres antworteten 170 von ihnen auf unsere Umfrage zur Zufriedenheit mit Beratern, und sie gaben den Consultants die schlechtesten Noten für ihre Preise. Über Prozesskenntnisse, Implementierungsgeschick oder die Mitarbeiter vor Ort urteilten die CIOs milder. „Klar“, sagt Hirschbiegel; „man kann ja nicht offen über die Qualität der Leute nörgeln, die man sich selbst ins Haus geholt hat.“ Also entlade sich der Ärger über unfähige Berater in der Kritik am Preis.

Eigentlich hätten die Consultants aber in allen Kategorien schlechtere Noten verdient als die gnädigen Zweier und Dreier unserer Umfrage. Der Erlanger CIO findet es deshalb nur gerecht, dass der sonst nur in traditionell preissensiblen Branchen gefürchtete „Schweinezyklus“ nun auch die Berater erwischt. Viele von Hirschbiegels Kollegen geben an, die Ausgaben für Consultants senken zu wollen. „Das macht zurzeit nicht allzu viel Spaß“, klagt Lothar Fohmann, CIO bei CSC Ploenzke. „Das Geschäft mit Software-Produkten hängt weitgehend vom Konjunkturverlauf ab, denn auch mit älteren Programmversionen können die Unternehmen weiterarbeiten, solange die Wartung gesichert ist.“ Also würden ProjekteProjekte in diesem Bereich fleißig geschoben. Das treffe die großen Beratungshäuser zwar nicht so stark wie die kleinen, sagt die Meta Group. Doch selbst bei Ploenzke startet man mit wenig Vorfreude ins neue Geschäftsjahr.

Ein guter Zeitpunkt also, um mit externen Beratern noch einmal über Qualität und Preis ihrer Arbeit zu reden. „Ein Viertel Nachlass kriegen Sie ohne großes Verhandeln. In der Programmiererei können Sie bis zur Hälfte drücken“, sagt ein CIO, der ungenannt bleiben will, um alte Freunde aus der Zeit nicht zu verärgern, in der er selbst als Consultant gearbeitet hat. Hirschbiegel bestätigt, dass es zwar schwierig sei, Berater für hohe E-Business-Performance zu bekommen, dass er sich beim Ausbau seiner Infrastruktur aber gerade neue Preise nennen lasse, bei denen Brot-und-Butter-Berater bis zu dreißig Prozent nachlassen. „Bei SAPSAP zum Teil noch mehr“, sagt Hirschbiegel und zieht genüsslich an seiner Zigarette.

Preisverfall in der SAP-Beratung

An die zwanzig Prozent niedrigere Preise bestätigt auch Jörg Oestreich für die Beratung in Sachen SAP R/3. Der CIO des Ratinger Verpackungsherstellers Schmalbach-Lubeca sieht eine Überkapazität, da die Unternehmen derzeit wenig Lust verspürten, auf den R/3-Nachfolger My SAP umzusteigen. Einer Studie von RAAD-Consult zufolge dürfte es damit allerdings bald vorbei sein. Spätestens Mitte des Jahres werde jeder dritte SAP-Kunde, der heute R/3 einsetzt, Teile von My SAP implementiert haben. Im Augenblick seien es nur knapp zwanzig Prozent.

Oestreich will sich deshalb nicht von den aktuellen Preisen in der Beraterbranche blenden lassen. Auf Dauer würden sie wenig daran ändern, dass ein externer Consultant mehr als zweimal so viel kostet wie ein Experte aus dem eigenen Haus. Bei Schmalbach-Lubeca lautet darum die Direktive: insourcen! Zehn Millionen Euro fließen jetzt noch in die IT-Unterstützung von außen (7,5 Millionen Euro in reine Beraterleistung, der Rest in R/3). In zwei bis drei Jahren will Oestreich diesen Betrag halbiert haben. „Andere IT-Abteilungen in der Massenfertigung geben im Durchschnitt zwanzig Prozent ihrer Personalkosten für Externe aus. Wir liegen bei vierzig Prozent, das ist zu viel.“

Aber nicht nur die Kosten für Externe stören Oestreich. Die tausend Euro am Tag für einen Consultant im R3-Bereich könnte er noch verkraften, wenn die Arbeitskraft der teuren Berater nicht so oft in das operative Geschäft fehlgeleitet würde. Der CIO stellt jetzt mehr eigenes Personal ein, damit stetig wiederkehrende Aufgaben wie das Schreiben von R/3-Reports nicht an den Externen kleben bleiben. Große Beratungshäuser verstopfe man mit solchen Jobs nur, sagt Oestreich: „Routineaufgaben sind nicht zur Vergabe an Berater geeignet.“ Unflexibel durch Consultants

Mehr Flexibilität im operativen Bereich verspricht sich auch ein anonymer CIO, der die Quote externer Berater in seiner IT-Abteilung auf unter zehn Prozent drücken will. Seine Freunde aus den Consultant-Kreisen werden ihm das nicht übel nehmen, da ihnen der ehemalige Kollege als CIO im Einzelhandel ohnehin nicht viel bieten kann. Lieber tummeln sich Berater bei Finanzdienstleistern oder Großbetrieben, in denen das Geld lockerer sitzt. Doch auch da sind sie nicht mehr überall gern gesehen. Hirschbiegel - auf Consultants angesprochen - sagt, er würde am liebsten gar keine mehr beschäftigen. Nach kurzer Denkpause schränkt er ein: „Oder sagen wir mal: weniger als fünf Prozent.“

Ganz auf Berater verzichten will er also nicht: „Null Prozent wären ein Zeichen für den idealen Planungsprozess.“ Von dem sieht sich Hirschbiegel so weit entfernt, dass er für die Reorganisation seiner 870 IT-Mitarbeiter zehn Accenture-Berater ins Haus geholt hat. Zusammen mit einem Team von fünfzig hausinternen Reformatoren kommt das Projekt so zwar wieder auf zwanzig Prozent Externe - aber nur vorübergehend, betont Hirschbiegel. Beim Herunterbrechen der Business-Strategie auf eine IT-Strategie und weiter bis zum Formulieren des Produkt-und Leistungskatalogs will er die Consultants eigentlich nicht dabei haben. „Langfristig sehe ich in den Beratern nicht mehr als eine Art verlängerter Werkbank“, sagt er. „Die sollen sich in unsere Prozesse einfügen.“

Tipps zum richtigen Umgang

Damit nennt Hirschbiegel gleich zwei von fünf Faktoren, die CIOs in vielen Fällen als hilfreich für den Umgang mit Consultants bezeichnen.

1. CIOS SOLLTEN Beratern nur begrenzte Macht geben. Consultants besetzen allein jene Stellen eines IT-Projekts sinnvoll, die nicht zu viele Kenntnisse des Geschäftsprozesses erfordern. Wie eine Studie von Forrester Research bestätigt, bringen nur wenige Berater dieses Prozesswissen mit. Und sollten sie es sich während der Arbeit aneignen, so fehlt es nach ihrem Abzug - wenn sie dann überhaupt noch abziehen. „Sie geraten in Abhängigkeit von Beratern, wenn Sie an den entscheidenden Stellen keine Mitarbeiter mehr haben, die die richtigen Fragen stellen können“, warnt Holger Seedorf, stellvertretender Leiter des Zentralbereichs IuK bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG).

2. CIOS SOLLTEN Berater nicht zu lange in ihrem Unternehmen halten. Peter Kraus, Vice President der Information Technology beim Automobilzulieferer ZF in Friedrichshafen, hat diesen Grundsatz zur Philosophie erhoben: „Spätestens ein halbes Jahr nachdem die Projekte bei uns produktiv gehen, müssen die Berater draußen sein.“ Veränderung schieben die Friedrichshafener lieber mit eigenen Mitarbeitern an, indem sie Gruppenarbeit und Kommunikation fördern. „Lieber ein Teamentwickler, der drei Workshops macht, als ein Team externer Berater, die drei Monate im Haus sind“, so Kraus.

3. CIOS SOLLTEN dem Berater einen klaren Auftrag geben. Das viel gepriesene iterative Vorgehen kann eindeutige Zielvorgaben nicht ersetzen. „Nun lauft schon mal los, wir wissen auch noch nicht wohin “-davon hält Horst Linnemann, Leiter der Betriebsorganisation bei den Victoria VersicherungenVersicherungen, gar nichts. Das ei eine Anweisung, die nur zum „iterativen Hochpflegen“ von Pflichtenheften führe.

4.CIOS SOLLTEN nicht nur große Beratungshäuser in Betracht ziehen. Im Vorstand mit Namen wie Accenture, CGEY oder CSC zu argumentieren mag Eindruck machen, hat aber auch seinen Preis. Beim Gabelstaplerhersteller Jungheinrich mit seinen 9300 Mitarbeitern - 120 davon in der IT - verlässt man sich deshalb lieber auf mehrere kleine Berater. Personal- und Finanzvorstand Michael Lüer lobt deren Preis und Flexibilität. Mit Blick auf die großen Häuser klagt er: „Da kommen die guten Mitarbeiter zum Verkaufen und die anderen zum Arbeiten.“

5.CIOS SOLLTEN Berater erfolgsbezogen bezahlen. Hirschbiegel von der Power Generation strebt an, in Zukunft dreißig bis fünfzig Prozent der Honorare an den erfolgreichen Abschluss eines Projekts zu koppeln. Consultants hören solche Vorschläge zwar nicht gern, reagieren aber auch nicht mehr pikiert darauf. „Gerade im Software-Bereich ist die Bereitschaft groß, selbst Risiko zu übernehmen“, bestätigt Martin Strobel, Leiter der Informatik und Mitglied der Geschäftsleitung bei den Basler Versicherungen. Und Fohmann von CSC Ploenzke sagt: „In echten Partnerschaften ist es durchaus zumutbar, Risiken und Erfolg fair zu teilen. In Europa ist eine erfolgsabhängige Bezahlung aber eher im Outsourcing- als im Systemintegrationsgeschäft ein Thema.“

Honorare an Erfolg gekoppelt

Es muss ja nicht gleich so weit kommen wie bei jener Beratungsfirma, die für die New-Yorker Polizei das neue Abrechnungssystem für Strafmandate eingeführt hat. Da sich die Consultants auf erfolgsabhängige Bezahlung eingelassen haben, müssen sie jetzt auf viele Falschparker und ein hohes Knöllchen-Aufkommen hoffen. Der Vertrag schafft erneut ein Abhängigkeitsverhältnis, bei dem die eine Seite auf die erfolgreiche Arbeit der anderen angewiesen ist, ohne darauf Einfluss nehmen zu können - nur sind diesmal die Berater den Kunden, also den Politessen, unterlegen.Von solchen unerfreulichen Machtverhältnissen sollten sich CIOs frei machen, gerade jetzt, wo die IT-Krise ihnen alle Möglichkeiten dazu bietet. Die Beraterzunft hat bereits reagiert. „Reine Lehrer gibt es nicht mehr “, konstatiert Hirschbiegel. „Das Unverbindliche bei den Consultants wird weniger.“ Alles zu Projekte auf CIO.de Alles zu SAP auf CIO.de Top-Firmen der Branche Versicherungen

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