Voice-Jahrestagung

Die Zukunft ist längst da

Entwicklungen wie Digitalisierung und Demografie fallen nicht vom Himmel. Sie lassen sich früh erkennen, werden aber gerne verdrängt. Dabei können Unternehmen, Politik und CIOs sie mitgestalten.
  • Rund 100 Mitglieder trafen sich auf der Voice-Jahrestagung in Berlin.
  • Der Demografie-Experte Winfried Kösters warnte davor, klar erkennbare Entwicklungen wie Digitalisierung und Bevölkerungsentwicklung zu verdrängen.
  • Weiterbildungen müssen didaktisch an ältere Mitarbeiter angepasst werden.
  • Die Integration zugewanderter Menschen muss zur Daueraufgabe werden.
Der Publizist und Demografieexperte Winfried Kösters hielt die Eröffnungs-Keynote.
Der Publizist und Demografieexperte Winfried Kösters hielt die Eröffnungs-Keynote.
Foto: Voice e. V.

Im Jahr 2005 erschien eine Festschrift zum 200-jährigen Bestehen des Verlags F. A. Brockhaus. Dazu gehörte auch ein Faksimile-Druck der Jubiläumsschrift zum 100-jährigen Bestehen aus dem Jahr 1905, in der es ein interessantes Bild gibt. Eine Zeichnung aus dem Jahr 1905 zeigt, wie sich der Verlag die Lexikonproduktion im Jahr 2005 vorstellt. In der Mitte des Bildes ist ein Ungetüm von Druckmaschine zu sehen, das von einem Arbeiter mit einem schweren Manuskript gefüttert wird.

Einige Meter weiter rechts purzeln die fertigen Bände heraus. Ein anderer Arbeiter steht oben auf der Druckmaschine, schaut versonnen in die Luft und raucht. Vor der Maschine hocken drei Kollegen im Schneidersitz, spielen Karten und trinken Bier. Im Buchdruck sind Menschen überflüssig geworden, die gesamte Herstellung läuft vollautomatisch ab. Die Maschine "bewirkt alles selbsttätig", steht dort auf dem Bild geschrieben.

Die Zukunft ist längst da

Der Verlag hat also schon damals den Trend der Automatisierung erkannt und 100 Jahre weitergesponnen. Doch trotz der frühen Erkenntnis der Automatisierung war die disruptive Kraft des Internets für Brockhaus nicht absehbar: Seit einigen Jahren gibt es den Verlag und die Druckausgabe des Lexikons nicht mehr. Internet und DigitalisierungDigitalisierung haben das alte Geschäftsmodell geschreddert. Der Verlag hat das Internet kommen sehen, aber keine passende Antwort gefunden. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Der Fall Brockhaus diente dem Publizisten und Demografieexperten Winfried Kösters auf der Jahrestagung des IT-Anwenderverbands VoiceVoice in Berlin als Warnung: Es sei gefährlich, klar erkennbare, disruptive Entwicklungen wie die Digitalisierung zu verdrängen. Die Zukunft sei längst da, auch wenn wir es nicht wahrhaben wollten. Alles zu Voice auf CIO.de

Im Mittelpunkt stand für die rund 100 Teilnehmer wie immer das Netzwerken mit den Kollegen aus anderen Unternehmen.
Im Mittelpunkt stand für die rund 100 Teilnehmer wie immer das Netzwerken mit den Kollegen aus anderen Unternehmen.
Foto: Voice e. V.

Als Beispiel dafür, dass Wirtschaft und Gesellschaft ­ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen müssen, nannte Kösters die sich zuspitzende demografische Entwicklung. Schon vor 30 Jahren wussten wir, wie sich die klassische Alterspyramide auflösen wird. Auf den Fachkräftemangel hätten sich Wirtschaft und Politik also einstellen können.

Wir können heute auch schon sagen, wie sich die Bevölkerung in 30 Jahren zusammensetzen wird. Doch die absehbaren Probleme würden ignoriert, nach dem Motto: Was ich mir nicht vorstellen kann, wird auch nicht stattfinden. Fakt sei aber, dass sich weder der Lauf der demografischen noch der technischen Entwicklung ändern werde.

Weiterbildungen anpassen

So trifft die Digitalisierung auf eine zunehmend alternde Gesellschaft, der die Arbeitskräfte auszugehen drohen. Es läuft also darauf hinaus, dass wir alle länger arbeiten müssen, was angesichts der Qualifikation und Erfahrung älterer Mitarbeiter für Unternehmen gut sein kann, solange die gesundheitliche Verfassung der Beschäftigten gut ist. Weiterbildungen und Schulungen müssten aber didaktisch angepasst werden, weil ältere Menschen langsamer und anders lernen als jüngere.

Grundlegendes Ziel künftigen Handelns müsse es sein, die Menschen zu befähigen, die Technik im Alltag nutzbar zu machen. Auf der anderen Seite müssen Arbeitgeber in Zukunft mehr Engagement zeigen, um Mitarbeiter zu halten. Denn die Zahl derer, die nachrücken, wird von Jahr zu Jahr kleiner.

Ignorieren lässt sich auch nicht die Tatsache, dass künftig viele ältere Mitarbeiter aus Deutschland auf wenige junge Beschäftigte treffen werden, die häufiger einen Migrationshintergrund mitbringen werden. Die zugewanderten Menschen müssen integriert werden, was eine Daueraufgabe bleiben wird. Damit dieses Miteinander der Generationen und Kulturen gelingt, braucht es viel Toleranz. Wir müssen also lernen, mit der Vielfalt umzugehen, so wie es beispielsweise die Fußballnationalmannschaft vorlebt.

Die Anwendervereinigung Voice

Rund 100 Teilnehmer folgten den Ausführungen von Winfried Kösters auf der Voice-Jahrestagung, die Ende April in Berlin unter der Überschrift "IT at the Edge - Vernetzung, Technologie und Demografie" stand.

Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Voice-Kernmitglieder um 15 Prozent auf jetzt rund 400, wie Thomas Endres, Vorsitzender des Voice-Präsidiums, berichtete. Als Kernmitglieder bezeichnet der Verein Einzelpersonen und Firmen. Mitgezählt werden dabei aber nicht Mitglieder aus Tochterunternehmen von Mitgliedskonzernen.

Doch gerade bei den Tochtergesellschaften sei ein stärkerer Zuwachs an Mitgliedern zu verzeichnen gewesen. "Das ergibt sich als Folge der Dezentralisierungsstrategie der Unternehmen", erklärte Endres diesen Trend. Zähle man die Mitglieder von Tochterunternehmen größerer Konzerne hinzu, so komme der IT-Anwenderverband auf rund 800 Mitglieder.

In Workshops diskutierten die CIOs über Agilität, Organizational Intelligence und Security.
In Workshops diskutierten die CIOs über Agilität, Organizational Intelligence und Security.
Foto: Voice e. V.

Welche Themen die CIOs im Alltag umtreiben, lässt sich an den Aktivitäten der Special Interest Groups (SIGs) ablesen. Bei diesen Ganztags-Workshops treffen sich im Lauf des Jahres Mitglieder zu bestimmten Themen. Unter den insgesamt 14 SIGs gehörten ganz klassische Themen zu den Favoriten. Dazu zählten die SIGs Innovations-Management, Projekt- und Portfolio-Management sowie Software-Asset-Management und Lizenz-Management. Darüber hinaus befassen sich viele IT-Manager mit Zukunftsthemen, wie das große Interesse an der SIG Artificial Intelligence/Predictive zeigt.

Wir können die Zukunft gestalten

Auch wenn heute niemand genau vorhersagen kann, welche Möglichkeiten Technologien wie künstliche Intelligenz oder auch Blockchain oder Quantencomputing noch eröffnen werden, gab Winfried Kösters den Teilnehmern doch eine gute Nachricht mit auf den Weg: "Auf diese Entwicklungen können wir uns einstellen. Sie fallen nicht vom Himmel, sondern sind absehbar und damit gestaltbar."

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