Healthcare IT


Das Mikroskop wandert in den Verdauungstrakt, HDTV sorgt für endgültigen Durchblick

Endo-Mikroskopie setzt auf IT-Innovation

12.12.2006
Von bedeutenden Fortschritten künden Neuentwicklungen im Bereich der medizinischen Bildgebung mittels Endoskopie. Der besondere Clou: Die Geräteinnovationen erlauben hier eine Kombination von Endoskopie und Mikroskopie, zum Beispiel direkt in Speiseröhre und Darm. Gewebeentnahmen bei Krebsverdacht, so genannte Biopsien, werden unnötig, was vor allem bei Verlaufskontrollen chronischer Dünndarmentzündung von enormen Vorteil ist.

Konfokale Laser-Endoskopie nennt sich das neue Verfahren, auch Endo-Mikroskopie genannt, mit der mittels eines gebräuchlichen Endoskops 1.000-fach vergrößerte Bilder der Darmschleimhaut und ihrer Gefäße auf Zellebene sichtbar werden. Die bisherige Vergrößerungs-Endoskopie stößt bei 100-facher Vergrößerung an ihre Grenze.

Das Prinzip: Ein blauer Laserstrahl wird Punkt für Punkt, Zeile für Zeile, über die zu untersuchende Region geführt. Nur das reflektierte Laserlicht im extrem engen Punktbereich wird verarbeitet. Durch dieses sequenzielle Abtasten werden optische Schnitte erzeugt. Es entsteht ein kontrastreiches, hochaufgelöstes Abbild der Zellstruktur. Verschiebt man die Fokusebene, geht man in die Tiefe der Schleimhaut erhält man mehrere Ebenen der zu untersuchenden Region.

Erstmals findet auch das aus der Fernsehwelt bekannte „High Definition Television“ (HDTV) Eingang in die Endoskopie. HDTV enthält etwa vier Mal so viele Bildpunkte (Pixel) pro Bild wie das herkömmliches Fernsehen. Ausgerüstet mit Großmonitoren kann das Gastroenterologen-Team nun Einblicke in den Speisepfad gewinnen, wie es in dieser Detailvielfalt bei der Monitorbetrachtung bisher nicht möglich war.

Mit der konfokalen Laser-Endoskopie kann etwa die direkte Observation von lebenden Tumorzellen im Organismus vorgenommen werden. Inspektion, mikroskopische Diagnostik und sofortige Therapie in einem endoskopischen Arbeitsgang sind prinzipiell durchführbar. Ohne Gewebeentnahme (Biopsie) wird die Zellstruktur der verdächtigen Region direkt vor Ort begutachtet und eine Interventionsentscheidung noch während der Untersuchung getroffen. Erforderlich ist, wie in der herkömmlichen Mikroskopie auch, eine Anfärbetechnik. Hier wird Kontrastfarbstoff beispielsweise direkt auf die Schleimhaut gebracht.

Für Patienten, die sonst häufig biopsiert werden müssen, könnte die Methode ein Segen sein - bei der Überwachung von Dickdarmentzündungen wie der „Colitis ulcerosa“ oder beim „Barrett-Ösophagus“, wo aufstoßende Magensalzsäure die Speiseröhre tumorös verätzt. Denn der Gastroenterologe kennt jene Patienten, die wegen ihrer chronischen Dünndarmentzündung 60 Biopsien in 10 Jahren über sich ergehen lassen müssen, also alle zwei Monate eine Gewebeentnahme.

Bei einer Gastritis gelingt es möglicherweise sogar, das auslösende Bakterium zu identifizieren. Und in der beginnenden molekularen Bildgebung könnte die Kombination aus Anfärbetechnik und Endo-Mikroskopie ihren Stellenwert finden.

Man könne, sagt der Pionier der neuen Technologie, der Gastroenterologe vom Universitätsklinikm Mainz, Dr. Ralf Kießlich, „wirklich von einer revolutionären Technologie“ sprechen. Professor Paul Fockens, Gastroenterologe aus der Universitätsklinik Amsterdam, will den Ergebnissen der laufenden Studien zwar nicht vorweg greifen. Doch was man bisher in Erfahrung bringen konnte sei ermutigend; die Vor-Ort-Gewebediagnostik von Darmpolypen oder frühen Krebsformen „liefert vergleichbare Ergebnisse wie die mikroskopische Untersuchung.“ Nun werden die Gastroenterologen Mikroskopie-Kurse belegen müssen, damit sie die komplexe Welt der Zellebene verstehen und interpretieren können. Das war bisher den Pathologen vorbehalten.

Reinhold Hölbling, MBmedien GmbH

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