Whistleblowing

Selbstmord auf Raten

01.09.2008
Von Eva Buchhorn

In dieser Situation befand sich Frank Stein (47) (Name von der Redaktion verändert), Leiter der internen Revision bei der Hamburger Tochter eines europäischen Großkonzerns. Stein musste über Jahre verschleiern, dass seine Geschäftsführer entgegen firmeninternen Anweisungen überalterte Produkte am Markt verkauften, anstatt diese an die Firmenzentrale zurückzugeben. So wuchsen die Umsätze, die Chefs kassierten fette Boni - und Stein litt still.

Whistleblower wollen ihr Gewissen entlasten

Eines Tages nahm er all seinen Mut zusammen, ging zur Konzernrevision und deckte alles auf. Als Quittung erhielt er von seinen Chefs bei der Tochterfirma die fristlose Kündigung. Immerhin ging die Sache für Stein vergleichsweise gut aus: Mithilfe des Hamburger Arbeitsrechtsspezialisten Walther Behrens erstritt er eine passable Abfindung und sorgte dafür, dass auch sein Vorgesetzter und der Geschäftsführer ihre Jobs verloren.

Wie Stein wird mancher zum Whistleblower, um das eigene Gewissen zu entlasten. Andere reden, weil sie die bloße Kenntnis von Schiebereien belastet. In einer Welt stummer Mitläufer habe der Hinweisgeber das Gefühl, er könne seine Organisation auf den rechten Weg zurückführen, sagt der amerikanische Psychologe C. Fred Alford, der Selbsthilfegruppen von Whistleblowern besucht und sich deren Geschichten angehört hat. Die Aufdecker haben das Gefühl einer "choiceless choice" - sie müssen so handeln, wie sie handeln, auch wenn sie damit sich selbst gefährden.

Viele gehörten zuvor zu den engagiertesten Mitarbeitern und identifizierten sich stark mit ihrer Firma. Andere sehen sich quasi als Graswurzel-Revolutionäre im Auftrag der Öffentlichkeit oder leidgeprüfter Kollegen. So erging es Christine Burton (41) (Name von der Redaktion geändert), Ex-Managerin der BASF in Ludwigshafen.

Die britische Spezialistin für Tiernahrung wurde von der BASF im Frühjahr 2006 aus den Niederlanden nach Ludwigshafen geholt. Dort sollte sie die EU-Gesetzgebung beobachten und mit dafür sorgen, das Tierfuttergeschäft der BASF ordnungsgemäß zu organisieren.

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