Whistleblowing

Selbstmord auf Raten

01.09.2008
Von Eva Buchhorn

Bald nachdem Burton ihr Büro bezogen hatte, stellten sich Unwohlsein und Atemnot ein. Die Diagnose ihres Hausarztes: Asthma. Burton beobachtete, dass es anderen Kollegen genauso zu gehen schien, diese sich aber offensichtlich nichts zu sagen trauten. Als sie erfuhr, dass sie allesamt in einem Gebäude arbeiteten, das noch bis ins Jahr 2004 für Pestizidversuche genutzt worden war, war sie alarmiert und bohrte nach.

Vorgesetzte und Bereichsleitung versicherten ihr, das Gebäude sei ordnungsgemäß saniert worden. Interne Gutachter führten im Juni 2007 neue Schadstoffmessungen durch, die keinen Hinweis auf Kontamination ergaben. Wenige Wochen später bot der Bereichsleiter Burton den Umzug in ein anderes Gebäude an. Eine nette Geste - wäre damit nicht die Versetzung auf einen EDV-Posten verbunden gewesen, für den Burton sich deutlich überqualifiziert fühlte. Mittlerweile ist das Arbeitsverhältnis aufgelöst.

Whistleblower: "Am Ende steht oft die Berufsunfähigkeit"

Nun schärft die streitbare Managerin die Messer. Sie hat ein internes Protokoll lanciert, das den Schluss zulässt, die Messungen seien nicht sachgerecht durchgeführt worden. BASF weist diese Behauptung zurück. Außerdem bereitet Burton ein Buch vor und plant eventuelle rechtliche Schritte. So entschlossen wie Burton sind wohl nur wenige Whistleblower. Manche wirft der Widerstand des Arbeitgebers gegen ihr gutgläubig vorgetragenes Anliegen komplett aus der Bahn.

Sie treffen sich dann bei Guido Strack (43). Der Vorsitzende des Whistleblower-Netzwerks in Köln, rundlich, freundlich, als gelernter Wirtschaftsjurist früher in Diensten der EU-Kommission, hat eine ganze Reihe trauriger Gestalten kennengelernt, die einst als mutige Don Quichottes losgezogen waren (siehe: "Whistleblowing: Experte Strack gibt Rat"). Er stellt abgeblitzten Informanten eine schlechte Prognose: "Die Leute geraten in eine Abwärtsspirale, am Ende steht oft die Berufsunfähigkeit." Viele werden krank, verschleißen sich in Gerichtsprozessen, bemühen sich erfolglos um eine neue Stelle und verzweifeln daran. Irgendwann können Freunde und Familie die immer gleiche Geschichte nicht mehr hören, um den Whistleblower wird es einsam. Zurück bleibt ein Exilant der Arbeitswelt.

Muss das sein? Muss Kritik am Unternehmen immer die Gefahr bergen, zum Selbstmordkommando zu werden? Oder gibt es Wege, die verfemten Tippgeber aus der Schmuddelecke zu holen? Rechtsexperten wie der Bundesverwaltungsrichter Dieter Deiseroth befürworten ein Gesetz zur Absicherung von Whistleblowern. Ohne gesetzlichen Schutz gehe es nicht, meint Deiseroth: "Die derzeitige Rechtslage ist extrem unsicher und bringt Hinweisgeber in Gefahr."

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