Whistleblowing

Selbstmord auf Raten

01.09.2008
Von Eva Buchhorn

Ob aber all die schönen Systeme tatsächlich genutzt werden? Ob mehr Menschen den Mut fassen, brisantes Wissen weiterzugeben? Dazu müsste sich das Image vom Whistleblower als Nestbeschmutzer aufhellen - und die Mitarbeiter müssten darauf vertrauen können, dass Diskriminierungen der Vergangenheit angehören.

Telekom-Chef René Obermann schlägt bereits versöhnliche Töne an. In einem Interview forderte er vor einigen Wochen einen "Kulturwandel" im eigenen Haus. Blinde Befehlsgläubigkeit dürfe es nicht mehr geben. Er wünsche sich von seinen Mitarbeitern "die Courage, auf Ungereimtheiten hinzuweisen und diese zu melden". Bahn frei für den mündigen Mitarbeiter? Am Ende hätte die Spitzelaffäre doch noch ihr Gutes.

Bei Warnpfiff Kündigung

Rechtslage: Whistleblower handeln riskant

Whistleblower-net.de: Die Internetseite gibt ersten Rat.
Whistleblower-net.de: Die Internetseite gibt ersten Rat.

Schwacher Schutz: Whistleblower, die Betriebsinterna an die Öffentlichkeit weitergeben, können sich in Deutschland auf die Meinungsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz) berufen. In einem Kündigungsprozess muss der Richter allerdings abwägen, ob der Hinweisgeber seine Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber verletzt hat.

Die Kündigung ist erlaubt, wenn der Arbeitnehmer in einer Strafanzeige wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben gemacht hat, aber auch, wenn sein Verhalten als "unverhältnismäßig" zu werten ist - eine aus Sicht des Whistleblowers unscharfe und unsichere Rechtsprechung.

Umstrittenes Gesetz: Im Juni fand im Bundestag die erste Anhörung zur Einführung eines Whistleblower-Schutzgesetzes statt. Ein neugefasster Paragraf 612a im Bürgerlichen Gesetzbuch soll dem Arbeitnehmer erlauben, sich an eine zuständige außerbetriebliche Stelle zu wenden, wenn er die Verletzung "gesetzlicher Pflichten" zuvor betriebsintern angezeigt hat und der Arbeitgeber "dem Verlangen nach Abhilfe nicht oder nicht ausreichend nachkommt".

Drohen Gefahren für Mensch oder Umwelt oder hat der Arbeitgeber selbst Straftaten begangen, dürfte der Mitarbeiter sein Wissen sogar direkt nach außen tragen. Gleiches soll gelten, wenn er konkrete Anhaltspunkte hat, dass das Unternehmen die Schiebereien nicht beenden wird oder ihm das Gespräch mit dem Arbeitgeber "nicht zumutbar" ist. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) lehnt das Gesetz als massive Gefährdung des Betriebsfriedens ab.

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