Generative AI

So wirkt sich die Arbeit mit ChatGPT auf das Gehirn aus

25.01.2024
Digitales Arbeiten fordert das Gehirn ganz ordentlich. Auch der Einsatz von KI-Tools wie ChatGPT kann Prozesse im Oberstübchen verändern. Was macht das mit unserer Steuerzentrale?
"Wird eine bestimmte Fähigkeit nicht mehr benötigt, dann werden die Hirnareale, die diesen Skill implementieren, geschwächt", sagt Hirnforscher Peter Gerjets vom Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen.
"Wird eine bestimmte Fähigkeit nicht mehr benötigt, dann werden die Hirnareale, die diesen Skill implementieren, geschwächt", sagt Hirnforscher Peter Gerjets vom Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen.
Foto: Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation

Im Gehirn arbeiten Milliarden vernetzter Nervenzellen, verschiedene Areale haben unterschiedliche Aufgaben. Die Digitalisierung verändert Experten zufolge Lernprozesse im Gehirn. Und auch Künstliche IntelligenzKünstliche Intelligenz (KI) stellt mit Programmen wie ChatGPT teils neue Anforderungen an die menschliche Steuerzentrale. Alles zu Künstliche Intelligenz auf CIO.de

Psychologe und Hirnforscher Peter Gerjets vom Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen geht davon aus, dass ChatGPT und ähnliche Angebote einen großen Einfluss auf das Bildungswesen haben werden. Eine sinnvolle, kompetente Nutzung sei dabei keineswegs ein Selbstläufer.

"Es darf nicht passieren im Bildungsprozess, dass der aktive Lernprozess an ChatGPT ausgelagert und das Gehirn nicht gefordert wird", sagt der Bildungswissenschaftler zum Internationalen Tag der Bildung am 24. Januar. "Es ist wichtig, was im Kopf passiert und was als echte Lernleistung herauskommt. Ob das mit oder ohne Unterstützung von GPT passiert, ist letztlich nicht entscheidend."

"Kognitives Off-Loading"

Kognitive Arbeitsleistungen an KI abzugeben sei immer mit der Frage verbunden, ob damit Freiräume entstehen, die das Gehirn für andere Aufgaben nutzen könne. So war es einst auch heiß diskutiert worden bei Einführung von GPS-Navisystemen.

Das Rechnen mit dem Taschenrechner geht schneller und ist in der Regel korrekt. Die Fähigkeit der Menschen, selbst zu dividieren, leidet allerdings.
Das Rechnen mit dem Taschenrechner geht schneller und ist in der Regel korrekt. Die Fähigkeit der Menschen, selbst zu dividieren, leidet allerdings.
Foto: lovelyday12 - shutterstock.com

"Fakt ist: Wird eine bestimmte Fähigkeit nicht mehr benötigt, dann werden die Hirnareale, die diesen Skill implementieren, geschwächt." Gerjets nennt als Beispiel: "Wenn ich den Taschenrechner zum Dividieren nutze, bin ich im Ergebnis wesentlich schneller, aber meine Fähigkeit, zu dividieren, leidet und das wirkt sich auf die entsprechenden Hirnareale aus." Das sei aber kein Drama. "Was im Gehirn verschüttet ist, kann wiederbelebt werden, ist also nicht verloren."

Der Forscher erläutert: Bestimmte Bereiche "schwellen" quasi an bei besonders starken Anforderungen. "Sie werden größer und dichter." Und sie verkleinern sich bei abnehmender Anforderung. Ein permanentes Multitasking führe zu Erschöpfung im Gehirn.

Präfrontaler Cortex stärker beansprucht

Schon das Nutzen technischer Geräte wie Tablets beim digitalen Lernen benötigt extra Aufmerksamkeit und Energie, weil neben der inhaltlichen Verarbeitung auch die Bedienung der Technik Konzentration beanspruche, schildert Neurobiologe Martin Korte von der TU Braunschweig. Beim Scrollen über mehrere Seiten hinweg und Eintauchen in Hyperlinks sei es anstrengend, den inhaltlichen Bezug nicht zu verlieren, den Überblick im Kopf wieder herzustellen. Vor allem der präfrontale Cortex im Frontallappen - "Kommandozentrale im Gehirn und das Cockpit, in dem alle Informationen zusammenlaufen und Aufgaben verteilt werden" - sei deutlich mehr beansprucht.

Da nun absehbar KI mit Tools wie ChatGPT verstärkt hinzukommen, gelte umso mehr: "Wenn wir beim Lernen durch vorgefertigte Antworten nur passive Zuschauer sind, ist das Lernen nicht nachhaltig", sagt Korte. Aktivität sei wichtig - und ebenso, dass man Inhalte und Informationen reflektieren könne. Daraus entstehe dann Wissen, das im Gehirn abgespeichert werde - was wiederum "die Verschaltungen, also die Struktur des Gehirns verändert". Eine KI, die verstanden werde in ihren Stärken und Schwächen, könne ein Gewinn sein. "Aber nur, wenn wir - Lehrer wie Schüler - in gleichem Maße klüger werden wie die Maschinen "klüger" werden", unterstreicht Korte.

KI-Nutzung stellt zusätzliche Anforderungen ans Gehirn

"Neue Informationen zu bewerten, auszuwählen, Quellen zu vergleichen - alles das ist Arbeit für den Frontallappen unseres Gehirns. Diese Fähigkeit zur Bewertung wird immer wichtiger", betont Gerjets. ChatGPT erwecke stets den Anschein, eine korrekte Antwort gegeben zu haben: "Sprachlich glatt und fertig ausformuliert, im Brustton der Überzeugung, aber ohne Quellenangabe. Viele Menschen finden das glaubwürdig. Das halte ich für sehr bedenklich."

Gerjets sieht in KI-Tools wie ChatGPT enorme Chancen für den Bildungsbereich. Für Schülerinnen und Schüler könnten diese viele Vorteile haben, etwa beim Generieren von Übungsmaterial, beim Abfragen von Gelerntem. "Man hat allerdings einen Lernbegleiter und Gesprächspartner, den man mit Vorsicht genießen muss, der nämlich auch nicht alles weiß, sondern manchmal völligen Quatsch liefert."

Ob sich womöglich langfristig auch Hirnstrukturen durch die Nutzung von KI ändern werden, sei noch nicht abzusehen, sagt der Tübinger Forscher. Einer Bitkom-Umfrage zufolge spricht sich eine Mehrheit von 61 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger in Deutschland für einen KI-Einsatz im Bildungswesen aus, wie der Digitalverband mitteilt.

Ein Blick auf die Hochschulen

Auch in der Hochschulwelt ist KI längst angekommen. In Bonn zeigte man sich kürzlich dennoch überrascht: Ein Test des Instituts für Medizindidaktik ergab, dass Studierende in fast der Hälfte der Fälle nicht korrekt zuordnen konnten, ob Multiple-Choice-Fragen von Mensch oder KI kamen. Zudem stuften sie die Schwierigkeit der Aufgaben als praktisch identisch ein, wie das Uniklinikum Bonn schildert.

Bekannt war dort zwar schon, dass ChatGPT und ähnliche Tools Fragen in medizinischen Staatsexamina beantworten können. Genutzt würden die Programme auch bereits zum Selbsttesten des angeeigneten Wissens. Nun scheine für das Medizinstudium also noch dazu ein vielversprechendes Werkzeug für das Erstellen von Prüfungsfragen gefunden zu sein. (dpa/rs)

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