Softwareentwickler reden Klartext

Was Developer an ihrem Job lieben – und hassen

Josh Fruhlinger ist freier Autor in Los Angeles.
Kein Job ist perfekt, auch nicht der des Developers. Wir haben Softwareentwickler gefragt, was sie an ihrem Job schätzen – und was eher weniger.
Auch der Job als Softwareentwickler hat Schattenseiten.
Auch der Job als Softwareentwickler hat Schattenseiten.
Foto: Irina Popova st - shutterstock.com

Wenn John Macpherson, leitender Entwickler beim Webdesign-Unternehmen Media Surgery, beschreibt, was für ihn regelmäßig den Höhepunkt seines Schaffens darstellt, dürften das die meisten Softwareentwickler gut nachvollziehen können: "Das Gefühl ist unbeschreiblich, wenn man etwas testet, an dem man tage- oder stundenlang gearbeitet hat und es funktioniert. Man erlebt echte Euphorie."

Ebenso wie die Kehrseite: "Wenn man viel Arbeit und Zeit in etwas steckt, das einfach nicht funktionieren will, kann das ein Gefühl der Wertlosigkeit schaffen - und ins Hochstaplersyndrom münden."

Wir haben mit Softwareentwicklern, Personalverantwortlichen und Managern die Vor- und Nachteile des Dev-Jobs erörtert. Dabei haben wir fünf wesentliche Bereiche herausgearbeitet, die Developer regelmäßig vor die Wahl zwischen Euphorie und Münchhausen-Syndrom stellen. Wie sich zeigt, liegen Freud und Leid auch in Sachen Softwareentwicklung oft nah beieinander.

1. Probleme lösen vs. Rad neu erfinden

Entwickler lieben es in der Regel, Probleme zu lösen. Zu programmieren ist ein Weg, um dieses Bedürfnis zu stillen. Percy Grunwald, Full-Stack-Software-Ingenieur und Mitbegründer des Webhosters Hosting Data, bringt es auf den Punkt: "Software zu entwickeln macht keinen Spaß, wenn man es nicht liebt, Probleme zu lösen." Jacob Mages-Haskins, Softwareentwickler bei Contrast Security, spart sich durch seinen Job die Anhäufung von Rätselheftchen: "Als Entwickler liebe ich die Herausforderung, neue Funktionen in Code zu implementieren. Es ist, als hätte ich jeden Tag ein neues Puzzle zu lösen."

Auf der anderen Seite kann es entmutigend sein, sich stundenlang mit einem Problem zu beschäftigen, nur um dann festzustellen, dass bereits eine Lösung dafür existiert. Das Rad unnötigerweise neu zu erfinden, ist auch für Zeeshan Arif, Gründer und CEO des Softwareunternehmens Whizpool, ein Unding:

"Das passiert beim Programmieren häufig, weil es so viele Wege zur Lösung gibt und jede Methode ihre eigenen Kompromisse mit sich bringt. Welche es sich dabei im Fall der eigenen Anwendung einzugehen lohnt, gilt es herauszufinden. Es kann zwar frustrierend sein, festzustellen, dass ein Anderer die Arbeit schon geleistet hat - allerdings kann es auch aufregend sein, neue Wege und Möglichkeiten zu finden, um besser und schneller an dasselbe Ziel zu gelangen."

"Das Wissen, dass man in der Lage sein könnte, seine Entwicklerkollegen zu übertreffen, kann ein Ansporn dazu sein, Großes zu leisten", konstatiert auch Grunwald. "In der Softwareentwicklung ist es immer eine zentrale Herausforderung, den besten Lösungsweg zu finden. Das erfordert Kreativität und die Bereitschaft, verschiedene Wege auszuprobieren - zwei der besten Dinge am Beruf des Softwareingenieurs."

2. Handwerk vs. Prozess

Der Prozess der Softwareentwicklung an sich hat für die meisten Entwickler etwas Befriedigendes. So auch für Whizpool-CEO Arif: "Ich liebe es, etwas zu erschaffen, das andere Menschen nutzen können. Ich sehe mich als eine Art Handwerker, nur ist mein Werkzeug Code und keine Rohrzange." Alexey Sutyagin, der auf zehn Jahre Erfahrung als Entwickler und technischer Leiter zurückblicken kann, kommt noch eine andere Metapher in den Sinn: "Der fruchtbarste Teil der Arbeit eines Softwareentwicklers ist dieses magische Gefühl, wenn man etwas Neues mit reiner Gedankenkraft erschafft. Als Kind wollte ich immer Zauberer werden - nun bin ich als Entwickler fast so etwas wie ein Magier der modernen Welt."

Ebenso wie Handwerker eine innere Befriedigung empfinden, wenn sie einen gebauten Tisch oder Schrank betrachten, fühlen auch Entwickler Freude, wenn sie das Endprodukt ihrer Arbeit betrachten. Davon kann etwa Daniel Jianu, Senior Frontend-Entwickler-Coach beim Freelancer-Netzwerk Toptal, ein Lied singen: "Mit Maschinen kommunizieren zu können, fühlt sich wie eine Superkraft an. Die benutze ich regelmäßig, um Patienten im Gesundheitswesen zu helfen oder um Pokerturniere mit Freunden zu managen."

Nate Berent-Spillson, Vice President of Engineering bei der Softwareentwicklungsberatung Nexient, setzt andere Satisfaktions-Schwerpunkte: "Für mich ist das befriedigendste Gefühl, zu wissen, dass die Menschen weltweit meine Software benutzen. Ich spreche darüber nicht oft, aber es erfüllt mich mit Befriedigung, wenn ich sehe, wie zum Beispiel unsere mobilen Apps im Alltag genutzt werden."

Im Kontrast zur handwerklichen Seite des Developer-Jobs stehen allerdings regelmäßig die Prozesse. Insbesondere Meetings sind für Entwickler häufig ein Pain Point, wie Grundwald feststellt: "Als Softwareentwickler erlebt man viele unproduktive, repetitive und irrelevante Meetings." Mit diesem Statement rennt er bei Rajeev Bera, Gründer der IT-Schulungswebsite aCompiler und leitender Entwickler, offene Türen ein: "Die allermeisten dieser Meetings haben keinen Mehrwert. Abgesehen davon, muss ich gelegentlich Dokumentationen erstellen. Das mag ich nicht besonders, weil das keine kreative Tätigkeit ist."

Je mehr Prozesse in einer Unternehmensumgebung bestehen, desto höher steigt häufig auch der Frustrationsgrad der Developer. Kishan Patel, Executive Consultant beim Personalvermitter EC1 Partners erklärt: "Die Arbeit in einem Unternehmen kann manchmal die Autonomie der Entwicklerrolle beeinträchtigen. Endlose Bürokratie lässt Developern weniger Flexibilität und weniger Freiheit, ihren Code ausdrucksstark zu gestalten." Nexient-Mann Berent-Spillson fügt hinzu: "Wenn ich Teams sehe, die mehr mit Richtlinien als mit dem Code ringen, frustriert mich das."

Rafal Gatkowski, leitender Entwickler beim Softwareunternehmen STX Next, scheint die Balance gefunden zu haben: "Alle Prozesse behindern die Entwicklung, aber ein gewisses Maß an Prozessen ist erforderlich, um gute Software zu entwickeln." Der Schlüssel liegt nach Meinung des Entwicklungsprofis darin, zu verhindern, dass die Prozesse außer Kontrolle geraten und den Entwicklern zu viel Zeit rauben:

"Das häufigste Beispiel für einen fehlerhaften Prozess ist regelmäßig, wenn ein eigentlich 15-minütiges Standup-Meetings in ein stundenlanges, cross-funktionales Status-Quo-Meeting abdriftet."

3. Teamwork vs. Kollaborationsermüdung

Ein Großteil der prozessualen Seite der Entwicklungsarbeit entsteht im Zusammenhang mit Teamwork und Kollaboration. Dabei gehört für viele Entwickler das Zusammengehörigkeitsgefühl zu den besten Dingen an ihrem Job. Caleb Chandzamarda Junior, Python-Entwickler und Cybersicherheitsingenieur, zählt es gar zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, zu kollaborieren: "Gemeinsam mit den Kollegen über Designs nachzudenken oder Vor- und Nachteile abzuwägen, um die richtigen Antworten zu finden, begeistert mich. Alleine würde ich das nie schaffen."

Auch Joe Guarascio, Director of Talent Coaching and Talent Operations bei Toptal, sieht für Entwickler Vorteile in der cross-funktionalen Zusammenarbeit:

"Gerade auf Unternehmensebene kann die Möglichkeit, funktionsübergreifend mit vielen verschiedenen Arten von Fachleuten zusammenzuarbeiten, besonders lohnend und interessant sein - sowohl für die tägliche als auch für die langfristige Karriereentwicklung."

Allerdings kann die alltägliche Zusammenarbeit auch viel Energie kosten - die die meisten Entwickler lieber in die Programmierarbeit stecken würden. So verrät etwa Mages-Haskins von Contrast Security: "Als Entwickler in einem Unternehmen hasse ich es, wie schnell die Kosten für Kommunikation und Koordination steigen, wenn auch nur ein paar Teams zusammenarbeiten. Dennoch wird jeder gebraucht, um sicherzustellen, dass die Funktionen nützlich sind und unseren Kunden einen Mehrwert bieten."

Im Worst Case verwandelt sich das, was ursprünglich als Kollaboration geplant war, in ein eher toxisches, internes Umfeld, wie Sutyagin weiß: "In großen Unternehmen ist es üblich, ein ganzes Jahr lang hart zu arbeiten, nur damit das Projekt am Ende als unwichtig eingestuft wird oder sein Impact zu gering ist. Man sollte Projekte also sorgfältig auswählen."

4. Work-Life-Balance vs. Multitasking-Marathon

Man kann über die Softwareentwicklung denken, wie man will - Fakt ist aber, dass sie nicht mit der Arbeit an einem Fließband vergleichbar ist: "Softwareentwicklung eignet sich gut für Freiberufler und Remote Worker", meint Guarascio. "Die Freiheit, von jedem Ort der Welt aus an einer Vielzahl von Projekten zu arbeiten, ist für viele Developer sehr verlockend."

Diese Flexibilität hat sich im Laufe der letzten Jahre weiter erhöht. So berichtet etwa Tina Liu, leitende Softwareingenieurin beim Healthcare-Unternehmen LeanTaaS, dass sie die Freiheit hat, sich den Tag nach Belieben einteilen zu können:

"Die Pandemie hat die Zusammenarbeit und Kommunikation in unserem Team und Unternehmen verändert und es uns ermöglicht, remote zu arbeiten. Nachdem ich vor kurzem ein Kind bekommen habe, bin ich froh, von zu Hause aus arbeiten zu können. Dabei habe ich die Flexibilität, Zeit aufzuholen und meine Entwicklungsaufgaben auch nachts zu erledigen. Von den Freiheiten, die ich genieße, konnte meine Mutter nur träumen - ihr Kommentar zu meinem Alltag: 'Das ist ein Leben.'"

Aber auch wenn es schön ist, keinen strikten 9-to-5-Zeitplan befolgen zu müssen, kann der Developer-Job extrem belastend sein, wie Grunwald verdeutlicht: "Softwareentwickler haben ein hohes Arbeitspensum. Sie jonglieren mit einer überwältigenden Anzahl von Projekten und springen ständig von einer Aufgabe zur nächsten. Dazu kommen Überstunden auf regelmäßiger Basis und unter Umständen auch zu unüblichen Zeiten."

Auch Burak Özdemir, Gründer von Character Calculator, zeichnet ein mitunter trostloses Bild: "Als Entwickler sitzen wir in vielen Fällen unzählige Stunden vor Bildschirmen und haben dabei wenig menschliche Interaktion. Dazu kommt das Gefühl, dass die Arbeit nie wirklich abgeschlossen ist, weil es immer etwas Neues zu lernen oder etwas zu verbessern gibt. Auch die Ergonomie kann dabei zur Herausforderung werden, wenn man den ganzen Tag über eine Tastatur gebeugt ist."

Letzteres ist auch für die flexibilitäts- und freiheitsliebende Entwicklerin Liu ein Pain Point im wahrsten Sinne des Wortes: "Wenn es etwas gibt, das ich hasse, dann ist es, den ganzen Tag auf den Computer starren zu müssen. Das ist anstrengend für die Augen sowie die Nacken- und Rückenmuskeln - lässt sich aber nicht wirklich vermeiden. Deshalb erinnere ich mich oft selbst daran, eine Pause einzulegen und einige Übungen zu machen, um meine Augen und Muskeln zu entspannen."

5. Traumjob vs. Realität

Letzten Endes wird ein Großteil der Erfahrungen, die Sie als Entwickler sammeln, nicht auf Allgemeinheiten beruhen, sondern davon abhängen, wo genau Sie landen. Das kann erheblichen Einfluss aufs persönliche Glück und Wohlbefinden nehmen, wie Jared Ledbetter, CEO des Webdesign-Spezialisten Carbon Digital, weiß:

"Wenn Sie in einer Abteilung sind, die nur aus Entwicklern besteht, dann ist die Wahrscheinlichkeit, zufrieden zu sein, höher. Meistens sind es die Nicht-Entwickler in Führungspositionen, mit denen ich ein Problem habe. Diejenigen, denen nichts schnell genug erledigt werden kann, die dabei aber keinerlei Prozesse definieren wollen. Wenn ich empfehle, ein Projektmanagement-System wie Jira oder Azure DevOps zu verwenden, können in diesem Bereich ahnungslose Manager ihr Veto einlegen und auf Microsoft Office verweisen."

Chandzamarda berichtet über ähnliche Frustrationen und merkt an: "Es ist anstrengend, Mitarbeiter oder Manager zu haben, die nicht vorausschauend denken. Bei ihnen geht es nur um das Hier und Jetzt."

Allerdings ist die Softwareentwicklung eine sehr gefragte Disziplin, was Vorteile für die Developer birgt, wie Gatkowski konstatiert: "Der unbestreitbare Vorteil ist die Tatsache, dass es sehr einfach ist, einen neuen Job zu finden." (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Infoworld.

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