Smart-City-Systeme

Wie Städte eine Pandemie meistern

Bettina Tratz-Ryan ist Research Vice President und verantwortlich für Gartners Empfehlungen zu den digitalen Transformationsthemen Intelligente Geschäftsfelder und Smart Cities sowie Industrie 4.0.
Das Coronavirus hat die Städte und ihre Bewohner hart getroffen. Am Beispiel von Smart Cities lassen sich wichtige Lehren aus der Krise ziehen.
Wegen der bereits geschaffenen Infrastruktur und des Zugangs zu einer Vielzahl von Datenquellen sind Smart-City-CIOs in Krisenzeiten wie COVID-19 im Vorteil.
Wegen der bereits geschaffenen Infrastruktur und des Zugangs zu einer Vielzahl von Datenquellen sind Smart-City-CIOs in Krisenzeiten wie COVID-19 im Vorteil.
Foto: metamorworks - shutterstock.com

Die Coronavirus-Pandemie mit ihren wiederkehrenden Wellen konfrontiert Städte in der ganzen Welt mit unvorhergesehenen Herausforderungen. Urbane Ökosysteme bemühen sich um die Aufrechterhaltung der Grundversorgung und die nötige Eindämmung, während ihre Bewohner mehr oder weniger eingeschränkt sind und viele Unternehmen ums Überleben kämpfen.

Smart-City-Lehren aus der Krise

Obwohl die Situation der Städte sich von Land zu Land - oder sogar von Region zu Region - stark unterscheidet, kann jeder städtische CIO zwei wichtige Lehren aus der Krise ziehen.

1. Kommunikation ist Trumpf

Die Reaktionen auf das Verhalten der Städte während der Pandemie hat gezeigt, dass Einwohner, Unternehmen, Bildungseinrichtungen und andere Organisationen von ihren Behörden vor allem eines erwarten: Kontinuität. Sie erwarten nicht unbedingt, dass öffentliche oder private Funktionen sofort oder auch nur kurzfristig wiederhergestellt werden, aber sie wollen die Garantie, dass dies in einem befristeten Zeitrahmen geschieht. Eine wichtige Aufgabe für CIOs ist es, der Stadtverwaltung die Instrumente an die Hand zu geben, die eine klare, konsistente und genaue Kommunikation ermöglichen.

Smart Cities sind hier im Vorteil. Sie haben bereits in die notwendigen Strategien und Plattformen investiert und eine Kultur des Datenaustauschs geschaffen, um Stadtbewohner sowie öffentliche und private Infrastrukturen zu vernetzen. Diese Infrastrukturen umfassen potenziell eine Vielzahl von Datenquellen, etwa Sensoren für das Internet der Dinge (IoT), digitale Displays und andere angeschlossene Anlagen.

Die Stadtverantwortlichen können die erfassten Daten nutzen, um Systeme effizienter zu machen, die Sichtbarkeit von Optionen zu verbessern oder Nutzererfahrungen zu steigern. CIOs und IT-Organisationen müssen die resultierenden Datenströme allerdings genau analysieren, alle Fehlinformationen herausfiltern und den Datenschutz einhalten. Am Ende sind aber alle Entscheidungsträger in der Lage, gut informierte, datenbasierte Entscheidungen zu treffen und diese gegenüber anderen Parteien und den Bürgern umfangreich und transparent zu erklären.

Während der COVID-19-Pandemie liegen die Vorteile dieser Art von Datenanalyse und -austausch auf der Hand. Städte können Millionen von Datenpunkten aggregieren und analysieren, um Hotspots zu identifizieren, Gesundheitsdienste an die Orte zu schicken, wo sie am dringendsten benötigt werden, und die Bewohner über die aktuell geltenden Regelungen auf dem Laufenden zu halten.

Klare und aktuelle Kommunikation ist entscheidend. Die Erfahrungen mit der Pandemie zeigen deutlich, dass Social Distancing und das Einhalten von Hygieneregeln die besten Mittel sind, Infektionszahlen zu senken. Menschen akzeptieren eher die Notwendigkeit dieser Maßnahmen, wenn sie über klare, konsistente, vertrauenswürdige und kontextbezogene Informationen verfügen.

2. Resilienz meets Flexibilität

Eine gute urbane IT-Strategie muss in der Lage sein, den Informationsfluss in einem komplexen und sich kontinuierlich verändernden Ökosystem zu steuern. Zu den Komponenten dieses Ökosystems gehören etwa Polizei, Feuerwehr, Krankenhäuser, öffentliche Verkehrsmittel und Verkehrsbehörden, aber auch Anbieter kritischer Infrastrukturen, Schulen, Unternehmen und viele andere - einschließlich Privatpersonen. Der CIO könnte beispielsweise aufgefordert werden, mit den Telekommunikationsanbietern zusammenzuarbeiten, um etwa einen Breitband-Internetzugang für die Wohnungen von Lehrern und Schülern sicherzustellen.

Eine der wichtigsten Aufgaben des CIO während der Pandemie ist die Aufrechterhaltung und Verwaltung sowie - wenn nötig - die Unterstützung der Mandate zur Einschränkung der Mobilität. Wenn mehr Menschen zu Hause bleiben, wird vor allem der öffentliche Nahverkehr komplexer und kostspieliger.

Das New Yorker U-Bahnsystem hat zum Beispiel seit Beginn der Pandemie einen Rückgang der Fahrgastzahlen um 95 Prozent erlebt. Die Stadt hat daraufhin den Fahrplan drastisch reduziert, muss aber immer noch sichere Transportmöglichkeiten für die bereitstellen, die nicht von zu Hause aus arbeiten können. Der städtische CIO kann den öffentlichen Nahverkehr hier unterstützen, indem er Echtzeitdaten nutzt, um stärker frequentierte Routen zu identifizieren.

Smart-City-Durchbruch nach der Pandemie?

Die Pandemie hat der Wirtschaft vieler Städte zugesetzt. Die Haushaltsdefizite der Verwaltungen werden zu massiven Sparmaßnahmen führen. Für CIOs gibt es deshalb nur ein kleines Zeitfenster, in dem sie zusammen mit ihren Partnern überzeugende Ergebnisse aus ihren derzeitigen Smart-City-Initiativen liefern können. Diese fungieren idealerweise als Impulse für soziale und wirtschaftliche Unterstützungsprogramme, die die Smart City voranbringen und die Wirtschaft der Stadt stärken.

Städtische CIOs können beispielsweise dabei helfen, die Innenstädte wiederzubeleben. IoT-fähige Sensoren an Straßenlaternen oder Strommasten analysieren den Fuß- und Fahrzeugverkehr, so dass öffentliche Toiletten, Wickel- und Stillstationen für Babys oder Mülleimer optimal platziert werden können. Weitere Analysen können - bei entsprechenden Sicherheits- und Datenschutzmaßnahmen - dem gesamten städtischen Ökosystem zur Verfügung gestellt werden. Dann wären auch Wirtschaftsbetriebe wie Einzelhandelsgeschäfte und Gastronomen in der Lage, ihr Angebot anhand der Daten zu verbessern. Diese Maßnahmen machen es wiederum für die Städte einfacher, sich selbst zu vermarkten, Dienstleistungen zu erbringen und kulturelle Traditionen zu bewahren.

Ein wichtiger Baustein für die Bekämpfung der nächsten Welle sowie die Wiederaufnahme des öffentlichen Lebens und Tourismus ist die Rückverfolgung von Infektionsketten. Die Corona-Warn-App des Robert Koch Instituts mit 17.8 Millionen Downloads (Stand 1. September) informiert Bürger anonymisiert über Kontaktbegegnungen von infizierten Nutzern, die über Bluetooth-Signale Daten-Codes über die App auf den Handys hinterlegt haben. Das beschleunigt die Nachverfolgung und darüber hinaus die generelle Anwendung von Mobilfunkgeräten, um mit Applikationen Vertrauen in den umfassenden Aufbau von resilienten Informationsstrukturen zu schaffen. (mb/fm)

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