Strategien


Flex-Office

ADAC hat feste Arbeitsplätze abgeschafft

01.10.2012
Von Nicolas Zeitler

Nicht alle Mitarbeiter sind begeistert

Für Arbeitsforscher Bauer liegt in Büros ohne eigene Schreibtische gleichwohl die Zukunft. "Das Bürogebäude wird immer mehr zum Kommunikationszentrum, die Zonen zwischen den Schreibtischen immer wichtiger, der Schreibtisch selbst immer austauschbarer", sagt der Arbeitswissenschaftler. Angestellte kämen mit dem Konzept gut zurecht. Einwände, eine unpersönliche Arbeitsumgebung belaste sie zusätzlich, lässt Bauer nicht gelten. Seiner Aussage nach haben empirische Studien "klar nachgewiesen, dass sich sowohl die Produktivität als auch das Wohlbefinden der Beschäftigten positiv entwickeln". Die verloren gehenden Gestaltungsmöglichkeiten vermissten die meisten nach kurzer Zeit kaum mehr. Zumal es auch im Rollschrank Platz für Persönliches gebe oder die Möglichkeit, ein Familienfoto als Desktop-Hintergrund auszuwählen.

Wilhelm Bauer, Arbeitswissenschaftler, Fraunhofer IAO: "Die Zonen zwischen den Schreibtischen werden immer wichtiger, der Schreibtisch selbst immer austauschbarer."
Wilhelm Bauer, Arbeitswissenschaftler, Fraunhofer IAO: "Die Zonen zwischen den Schreibtischen werden immer wichtiger, der Schreibtisch selbst immer austauschbarer."
Foto: Fraunhofer IAO

Für Günter Weinrauch, der im März vorigen Jahres zum ADAC kam und Anfang 2012 IT-Chef wurde, überwiegen die positiven Effekte des neuen Bürokonzepts. Er sagt allerdings auch: Für den ADAC sei die Umstellung ein sehr großer Schritt gewesen. Auch jetzt gebe es noch Mitarbeiter, die sich nicht ganz damit angefreundet haben, dass den Lieblingsplatz am Fenster tags darauf schon ein Kollege in Beschlag genommen hat oder sie keine eigenen Pflanzen auf dem Tisch stehen lassen können. An einigen Stellen musste der ADAC auch nachbessern. Die Technikinseln etwa mit Kopierer und Drucker wurden im Nachhinein mit lärmschluckenden Stellwänden umgeben. Damit auch in den offen und luftig gestalteten Büros DatenschutzDatenschutz gewährleistet ist, sollen die Bildschirme demnächst Sichtschutzauflagen bekommen wie Reise-Notebooks. Und wer mit dem Caddy lange Strecken zurücklegt, ist angehalten, nicht durch die an einigen Stellen engen Gänge zwischen anderen Arbeitsplätzen hindurchzurumpeln, sondern den umlaufenden Gang im ersten Stock zu nutzen und nahe dem angepeilten Arbeitsplatz mit dem Aufzug ins gewünschte Stockwerk zu fahren. Alles zu Datenschutz auf CIO.de

Abgesehen von solchen Feinjustierungen sagt Günter Weinrauch: "Ich sehe es positiv, über Arbeitsabläufe mehr Flexibilität in die Köpfe zu bekommen. Wer 20 Jahre lang immer am gleichen Arbeitsplatz sitzt, umgeben von denselben Kollegen, der denkt irgendwann nur noch in diesem Rahmen." Der IT-Chef des mit 18 Millionen Mitgliedern größten Automobilclubs in Europa macht deutlich, dass er auch aus seiner bisherigen Berufsbiografie Sympathie für das Flex-Office hegt. Außer als IT-Chef beim Bezahlfernsehsender Premiere hat Günter Weinrauch auf Dienstleister- und Beraterseite gearbeitet - gerade Letzteres ist naturgemäß mit häufigem Schreibtischwechsel verbunden. "Vielleicht bin ich aus dem Grund flexibler gestrickt", sagt er.

Obwohl er zu den Führungskräften mit eigenem Büro gehört, hat auch Weinrauch schon im Großraum-Flex-Office gearbeitet. Eine Kollegin brauchte einen Besprechungsraum, alle verfügbaren waren belegt. Kein Problem für den IT-Chef, für den wie für alle anderen das Prinzip "Clean Desk" gilt: Abends hat der Tisch leer zu sein, sodass tags darauf sofort ein Kollege Platz nehmen kann. Stehen gelassene Notebooks sammelt der Sicherheitsdienst ein. "Die dürfen Sie dann mit einem freundlichen Brief wieder bei der Verwaltung abholen", sagt Weinrauch. IAO-Vizechef Bauer verweist auf Studien, denen zufolge das tägliche Räumen des Schreibtischs dazu beiträgt, dass Berufstätige sich besser organisieren und "mit etwas mehr Selbst-Management in den Arbeitstag gehen".

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