Christine Lambrecht

Bundesverteidigungsministerin ist ein "Totalausfall"

31.03.2022
Außenministerin Baerbock hat im Ukraine-Krieg kräftig an öffentlichem Ansehen gewonnen. Die deutsche Verteidigungsministerin dagegen, auch in einer zentralen Rolle, steht völlig im Schatten.
Wie lange kann sich Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) noch im Amt halten?
Wie lange kann sich Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) noch im Amt halten?
Foto: Susie Knoll

Fünf Wochen nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine bekommt Verteidigungsministerin Christine Lambrecht schlechte Noten als Krisenmanagerin. Umfragen zeichnen ein schwaches Bild der SPD-Frau, die das Amt unerwartet von Kanzler Olaf Scholz angetragen bekam und nun in einer - wenn auch schwierigen - Schlüsselposition ist. Lambrecht steuert die Beteiligung der Bundeswehr an der Nato-Reaktion auf den Krieg und sitzt bei der Lieferung von Waffen an einem der Schaltknöpfe.

Das gilt auch für Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die wegen fehlender Regierungserfahrung zunächst kritisch beäugt wurde, nun aber in die Gruppe der beliebtesten Politikerinnen vorgestoßen ist. Dagegen wird Lambrecht in Umfragen mehrfach auf den unteren Plätzen verortet. Der aktuelle Spiegel-Regierungsmonitor sieht sie auf dem viertletzten Platz der Kabinettsmitglieder. Auffallend groß sind dabei mit 55 Prozent Äußerungen, die unzufrieden oder sehr unzufrieden mit ihr sind. Klaus Schweinsberg, Leiter des Centrums für Strategie und Höhere FührungFührung, hat nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach gar erklärt, Lambrecht sei "aus Sicht der Deutschen ein Totalausfall". Alles zu Führung auf CIO.de

Mit einer Reform des Beschaffungswesens für die Bundeswehr als erklärtes Ziel startet die frühere Bundesjustizministerin nach der Bildung der Ampel-Koalition ins Amt. Dann beginnt der Krieg. Die Bundesregierung - das gilt für alle Minister - ist unschlüssig, wo Dialog mit Moskau noch angezeigt und in welchem Umfang militärische Unterstützung der Ukraine angemessen ist.

Im Verteidigungsministerium springen Krisenmechanismen an. Schon ab vier Uhr morgens nimmt der militärische Führungsbetrieb Fahrt auf. Es ist ein Test für Handlungswillen und Leistungsfähigkeit aller Beteiligten. Gift in der öffentlichen Wahrnehmung ist es dagegen, wenn Zweifel am Fleiß von Chefs entstehen.

Maniküre statt Führung

Am Montag schreibt der Tagesspiegel in seinem "Checkpoint", das öffentliche Bild Lambrechts habe "übrigens eine kleine, kosmetische Auffrischung bekommen". Nur einen Tag nach Kriegsbeginn sei sie vormittags beschützt von Bodyguards zunächst bei der Maniküre gewesen, später dann in einem Berliner Luxuskaufhaus. Der Bericht macht nach dpa-Informationen im Ministerium sofort die Runde - und bleibt unwidersprochen. Seit Wochenbeginn ist die Ministerin zum Antrittsbesuch in Washington. Sie reiste im Großraumflieger Airbus A340. Mit großer Delegation, aber ohne Berliner Presse.

Zuhause reißt die Kritik nicht ab. Die "Welt" macht Lambrecht als Schuldige dafür aus, dass Angebote der deutschen Rüstungsindustrie an die Ukraine über Wochen verschleppt worden seien. Beim Liefertempo könnte allerdings nach Informationen der dpa auch ein Blick auf die Rolle des Kanzleramts aufschlussreich sein.

"Die Bundesregierung dreht ihre Haltung in bemerkenswerter Geschwindigkeit. Nach Jahrelanger Blockade soll die Bewaffnung von Drohnen plötzlich schnell erfolgen. Der Spagat vom geplanten Beobachterstatus im Atomwaffenverbotsvertrag hin zur Beschaffung von F-35 Kampfflugzeugen ist groß", sagt der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Henning Otte (CDU), der dpa. "Und die Rüstungsindustrie hat Scholz als Finanzminister mit Glückspiel und Tabakwaren in die Schmuddelecke gestellt, nun soll sie der Rettungsanker für die Ukraine sein." Gut sei, dass Lambrecht die persönliche Ausrüstung der Soldaten hoch auf die Agenda gesetzt habe.

Job nur auf Zeit?

Für die Spitzenbeamten im Bundesinnenministerium war die Personalie Lambrecht im Dezember überraschend gekommen. Sie gingen damals fest davon aus, dass die SPD-Politikerin die Nachfolge von Horst Seehofer (CSU) an der Spitze ihres Ministeriums antreten würde. Als dann kurzfristig die hessische SPD-Fraktionschefin Nancy Faeser als neue Bundesinnenministerin benannt wurde, bemühten einige der Verwaltungsjuristen erst einmal die Suchmaschine, um sich ein Bild von der neuen Chefin zu machen.

Seither hält sich im politischen Berlin hartnäckig das Gerücht, Faeser sei nur auf Zeit in Berlin, solle in dem Job Profil gewinnen, um dann bei der für Herbst 2023 geplanten Landtagswahl in Hessen als Spitzenkandidatin zu reüssieren. Lambrecht könnte dann womöglich doch noch ins Innenministerium wechseln.

Ob dieser Plan aufgehen würde, ist allerdings aktuell zweifelhaft. Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Allensbach sind lediglich 17 Prozent der Menschen in Deutschland der Meinung, Faeser leiste "gute Arbeit". Über Lambrecht sagten dies 16 Prozent der Befragten. 46 Prozent der Teilnehmer der Umfrage waren der Auffassung, Baerbock sei eine gute Außenministerin. Alle drei sind Mitglieder im Sicherheitskabinett der Bundesregierung.

Die SPD-Spitze wittert dennoch eine böse Verschwörung. "Dass unverhältnismäßig viel Kritik an Innenministerin Nancy Faeser und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht geäußert wird, hat einen simplen Grund: Die Union hat verabredet, sich auf die Frauen einzuschießen und sie öffentlich - so oft es geht - zu kritisieren", sagte SPD-Chefin Saskia Esken vor einigen Tagen im Interview mit dem Nachrichtenportal t-online. Die Union habe halt "ein Problem mit starken Frauen", sekundierte der Co-Vorsitzende Lars Klingbeil.

Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz, nennt das einen "ebenso billigen wie absurden Vorwurf". Sie betont, die Union messe die Kabinettsmitglieder an ihren Taten, nicht an ihrem Geschlecht. "Frau Baerbock scheint den Herausforderungen ihres Amtes gewachsen zu sein, Frau Faeser und Frau Lambrecht sind das bislang offensichtlich nicht", urteilt die CSU-Politikerin. Vor allem bei der Registrierung, Verteilung und Versorgung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zeige sich, dass Faeser "die Lage bis heute nicht richtig im Griff" habe. (dpa/rs)

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